“In den Lebenswissenschaften und der Medizin sind forschungsethische Fragen bereits stark verankert”, sagt Prof. Dr. Dirk Lanzerath, Leiter des Deutschen Referenzzentrums für Ethik in den Biowissenschaften (DRZE) der Universität Bonn. “Doch wir brauchen auch in anderen Disziplinen mehr forschungsethische Debatten und Standards.” Diese Lücke soll irecs (Improving Research Ethics Expertise and Competencies to Ensure Reliability and Trust in Science) schließen, das in den Transdisziplinären Forschungsbereich “Individuen, Institutionen und Gesellschaften” der Universität Bonn eingebunden ist. Das Projekt soll zeigen, dass ethisch reflektierte Forschung der Schlüssel zu qualitativ hochwertiger Wissenschaft und eine Voraussetzung für das Vertrauen der Öffentlichkeit ist.
“Eine wichtige Möglichkeit zur Förderung des Bewusstseins für ethische Anforderungen, die mit neuen Forschungsfeldern und Technologien verbunden sind, stellen innovative, hochmoderne Schulungsprogramme für Studierende, Forschende und Ethikkommissionsmitglieder dar”, sagt Lanzerath. In solchen Schulungen kann zudem gezeigt werden, dass ethische Überprüfungsprozesse eine vertrauensbildende Verbindung zwischen Wissenschaft und Gesellschaft schaffen.
Lisa Diependaele, Referentin für den Bereich Ethik und Integrität der Forschung der Europäischen Kommission, fügt hinzu: „Europas grüner und digitaler Wandel hängt von einem starken, dynamischen und widerstandsfähigen Forschungsökosystem ab.“ Hauptziel der Europäischen Kommission sei sicherzustellen, dass Ethik und Forschungsintegrität verbindlich in die Forschung eingebettet werden. „Durch die Stärkung der Ethik-Governance unterstützt irecs die Exzellenz und befähigt die Forschenden, das Richtige für unsere Gesellschaft zu tun.“
Ethische Werte in den Human- und Sozialwissenschaften
irecs ist auch deshalb bedeutend, weil es intensiv über ethische Werte nachdenkt, die für die Human- und Sozialwissenschaften gelten. “Denn die Forschung etwa mit Fragebögen und Interviews kann auch sehr invasiv und verletzend sein. Daher verlangen Forschungsförderer für diese Methoden inzwischen vermehrt Ethikvoten“, sagt Prof. Dr. Laura Palazzani, Rechtswissenschaftlerin an der LUMSA Universität in Rom und Mitglied im Stakeholder Advisory Board von irecs.
“Durch die Einbeziehung unterschiedlicher Disziplinen, globaler Partner und Forschungsethik-Netzwerke sowie die Mitglieder des Stakeholder Advisory Boards wird irecs ein neues Bewusstsein für Forschungsethik entwickeln”, sagt Prof. Dr. Andreas Zimmer, Prorektor für Forschung und wissenschaftlichen Nachwuchs der Universität Bonn.
Im Rahmen des Forschungsförderungsprogramms „Horizon Europe“ der Europäischen Kommission koordiniert Prof. Dr. Dirk Lanzerath das Verbundprojekt irecs. Er hat das Projekt gemeinsam mit Prof. Dr. Dr. Jochen Sautermeister von der Katholischen Moraltheologie, Prof. Dr. Dr. Tade Spranger aus den Rechtswissenschaften und Nadine Kollmeyer vom Forschungsdezernat (alle Universität Bonn) sowie in Kooperation mit 16 weiteren europäischen und internationalen Partnerinstitutionen eingeworben. Unter den Projektbeteiligten befindet sich auch das Europäische Netzwerk der Forschungsethikkommissionen, EUREC (eurecnet.org), das aus einem EU-Projekt an der Universität Bonn hervorgegangen ist.
Ein internationaler Beirat begleitet das irecs-Projekt. Der Medizinethiker Prof. Dr. David R. Curry von der NYU Medical School übernimmt den Vorsitz des Beirats. “Wir leben in einer Zeit des raschen Fortschritts bei vielen neuen Technologien, in der die Durchführung der zugrunde liegenden Forschung einzigartige ethische Herausforderungen mit sich bringt”, sagt Curry.
Beteiligte Institutionen:
Neben der Universität Bonn als koordinierende Institution sind an irecs das European Network of Research Ethics Committees (EUREC), die European University Association (EUA), die European Association of Research Managers and Administrators (EARMA), die Maastricht University (UM), die University of Split School of Medicine (MEFST), Trilateral Research (TRI), das Karlsruhe Institute of Technology (KIT), die University of Central Lancashire (UClan), die VU Amsterdam Medical Centers (VUMC), die National Technical University of Athens (NTUA), die Radboud University (RU), die University of Vilnius (VU), die De Montfort University (DMU), die French Alternative Energies and Atomic Energy Commission (CEA), das Korea Advanced Institute of Science and Technology (KAIST) und die Fudan University (FDU) beteiligt.