Die Vorträge der Preisträger beim internationalen Symposium „Die Illusion des Selbstverständlichen. Rhetorik und Pragmatik des strategischen Umgangs mit Wahrheit und Verlässlichkeit in politisch und sozial krisenhaften Zeiten“ reihten sich ein in eine Rednerliste von anerkannten Wissenschaftlern aus Deutschland, den Niederlanden, der Schweiz, Österreich und Argentinien. Sie diskutierten mit dem zum großen Teil jungen Publikum, wo in Krisenzeiten wie der derzeitigen verlässliche Strukturen zu finden sein könnten.
Das vom Bonner Institut für Hermeneutik in Kooperation mit der Deutschen Gesellschaft für Religionsphilosophie und dem Netzwerk Hermeneutik Interpretationstheorie durchgeführte Symposium ist Teil eines langfristig angelegten Programms: Alle drei Jahre lobt das Institut für Hermeneutik gemeinsam mit der Transdisciplinary Research Area „Individuen, Institutionen und Gesellschaften“ eine Preisfrage zu Hermeneutik-Themen aus. „Wir möchten mit unserem Programm die Auseinandersetzung mit gegenwärtig relevanten Herausforderungen und Fragestellungen sowie den wissenschaftlichen Nachwuchs auf internationaler Ebene fördern“, betont Projektleiterin Prof. Dr. Cornelia Richter von der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Universität Bonn.
Die nun abgeschlossene Preisfrage entwickelte sich im Frühjahr 2017, also mitten in den hitzigen Debatten um die Begriffe „Fake News“ und „postfaktisch“. Studierende und Nachwuchsforschende aus der Evangelischen Theologie drängten auf eine akademische Auseinandersetzung mit dem Thema „Lüge“ im weitesten Sinne: Verzerrung, Täuschung, Unaufrichtigkeit, Schönfärberei oder Bullshit sollten einer interdisziplinären, hermeneutischen und analytischen Reflexion unterzogen werden.
Transdisziplinäre Forschung
Da das Thema nichts an gesellschaftlicher Relevanz verloren hat, sondern im Gegenteil immer drängender wird für die Frage der sozialen Kohäsion, ist es seit 2020 Teil des Transdisziplinären Forschungsbereichs (TRA) „Individuen, Institutionen und Gesellschaften“ der Universität Bonn – einer von sechs fakultätsübergreifenden Verbünden, die das universitätsweite Forschungsprofil abbilden und zu den tragenden Säulen der Exzellenzuniversität zählen. In den Forschungsbereichen kommen Forschende aus den unterschiedlichsten Fakultäten und Disziplinen zusammen, um gemeinsam an zentralen zukunftsrelevanten Forschungsthemen zu arbeiten. Das Bonner Institut für Hermeneutik geht damit eine vertiefte Kooperation mit der Philosophischen Fakultät und der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät ein.
Innerhalb des Transdisziplinären Forschungsbereichs „Individuen, Institutionen und Gesellschaften“ untersuchen die Forschenden, wie Institutionen – zum Beispiel Markt, Recht und Kultur – komplexe Beziehungen zwischen Individuen und Gesellschaften bedingen. Hieraus entwickeln sie neue Sichtweisen auf Mikrophänomene, zum Beispiel Persönlichkeitsentwicklung, Handlungskompetenzen und Individualisierung, sowie Makrophänomene wie Weltgesellschaft und Globalisierung. Ziel ist es unter anderem, Schlüsselfaktoren zu identifizieren, die sozialen Zusammenhalt, Chancengleichheit, Effizienz, Ressourcenschutz und die Entwicklung individueller Fähigkeiten im Zusammenspiel all dieser Faktoren beeinflussen.
Neue Preisfrage ausgegeben
Wie relevant die Frage nach „Fake News“ für den sozialen Zusammenhalt in globaler Hinsicht ist, zeigt sich in den aktuellen Krisen rund um die US-Wahl ebenso wie an den Debatten um die SARS-CoV-2-Pandemie. Deshalb braucht es eine „Hermeneutik der Sozialkultur“, in der die Wahrheitsfrage stets neu gestellt und nach allen Regeln der wissenschaftlichen Kunst bearbeitet wird. Die neue Preisfrage 2020 des Bonner Instituts für Hermeneutik gemeinsam mit dem Transdisziplinären Forschungsbereich „Individuen, Institutionen und Gesellschaften“ und in Kooperation mit der Deutschen Gesellschaft für Religionsphilosophie lautet daher: „Was ist Wahrheit unter den Bedingungen der Digitalisierung? Eine erkenntnistheoretische Frage im Gespräch mit Hermeneutik, Religionsphilosophie und soziokultureller Phänomenologie“. Einsendeschluss ist der 31. Dezember 2021.
Kontakt für die Medien:
Prof. Dr. Cornelia Richter
Evangelisch-Theologische Fakultät der Universität Bonn
Tel.: 0228/73-4171
E-Mail: cornelia.richter@uni-bonn.de