Für Prof. Kürten ist die Anatomie zwar historisch gewachsen, aber keineswegs „verstaubt“, sondern noch heute Mittelpunkt des Lehrplans im vorklinischen Medizinstudium. „Die Präparations-Kurse sind das Highlight für viele Studierende“, weiß die Anatomie-Professorin. Die angehenden Mediziner lernen durch Sezieren einer Leiche den Aufbau des menschlichen Körpers kennen. Die Entscheidung, ihre sterblichen Überreste der Wissenschaft zu vermachen, treffen Körperspender zu Lebzeiten. „Es gibt immer wieder Ansätze die teuren Präparations-Kurse abzuschaffen, aber das wäre eine Katastrophe.“ So lasse sich beispielsweise die haptische Wahrnehmung von Organen, deren Konsistenz und Lage zueinander nicht mittels eines digitalen Formats vermitteln. „Die Kurse prägen entscheidend das spätere ärztliche Handeln“, konstatiert Prof. Kürten, der die Arbeit mit den Studierenden Spaß macht. Das ihr dies wichtig ist, belegen unter anderem diverse Lehr-Preise der Universität Köln, ihrer ersten Wirkungsstätte.
„Für die Forschung schlägt mein Herz!“
Für ihr zweites Steckenpferd verlässt Prof. Kürten die makroskopische Anatomie und konzentriert sich im Rahmen ihres Forschungsschwerpunkts Immunologie, insbesondere die Autoimmunerkrankung MS, auf Zellvorgänge im zentralem Nervensystem (ZNS). Bei der chronisch entzündlichen Erkrankung zerstören körpereigene Abwehrzellen die Schutzschicht der Nervenfasern. Die daraus resultierende gestörte Reizleitung führt zu neurologischen Symptomen, wie Sehstörungen, Taubheitsgefühl oder Schwierigkeiten beim Gehen. Im Extremfall sind Betroffene auf einen Rollstuhl angewiesen. Die in Schüben verlaufende MS ist nicht heilbar, doch erhofft sich Prof. Kürten durch ihre Forschung eine bessere Vorhersage des Krankheitsverlaufs sowie eine verbesserte Therapie. So entwickelte sie Biomarker für MS. „Allein mit einer Blutanalyse können wir jetzt voraussagen welches Medikament bei einem Patienten wirkt oder nicht“, sagt Prof. Kürten. Zudem fand sie heraus, dass das enterische Nervensystem, ein komplexes Geflecht von Nervenzellen im Magen-Darm-Trakt, an der Entstehung einer MS beteiligt ist. „Ein Meilenstein, denn es gibt Hinweise, dass der Darm Ausgangspunkt einer MS sein kann und sich die Erkrankung erst deutlich später im Gehirn manifestiert“, sagt Prof. Kürten, die sich in diesem Zusammenhang auch für den Einfluss von Ernährung auf den Krankheitsverlauf interessiert.
„Jeder soll Anatomie als modernes Fach auf dem Schirm haben.“
Ein besonderes Anliegen von Prof. Kürten ist, möglichst viele Entwicklungen wie den Biomarker-Bluttest aus dem Labor in der Klinik zu etablieren. „Ziel ist, die Versorgung der Patienten zu verbessern“, sagt Prof. Kürten. „Auch möchte ich die Anatomie präsent halten und über das vorklinische Studium hinaus als Fach in unser Klinikum einbringen.“ Dazu will sie im Rahmen des Medizin-Studiums die Vorklinik und Klinik enger verzahnen sowie den wissenschaftlichen Nachwuchs in ihrem Fach fördern: „Ich möchte meine Begeisterung für die Anatomie weitergeben und gerade für Mediziner interessant machen.“ Zudem setzt die neue Anatomie-Professorin auf einen starken kooperativen Austausch mit Immunologen und Neurowissenschaftlern am Universitätsklinikum Bonn sowie dem benachbarten Deutschen Zentrum für neurodegenerative Erkrankungen (DZNE). Einen weiteren Pluspunkt am Standort Bonn sieht Prof. Kürten im kernsanierten anatomischen Institut: „In den modernen Laboren kann ich meine Forschungspläne mit klinischer Ausrichtung umsetzen.“
„Bonn ist quasi ein Heimspiel!“
In Dormagen geboren und erste akademische Schritte in Köln – Prof. Kürten ist gerne in die Heimat zurückgekehrt: „In Bonn ist kulturell viel möglich, aber vor allem habe ich das Rheinland vermisst.“ Dass sie die rheinische Mentalität schätzt, hat Prof. Kürten in Franken unter Beweis gestellt. So hat sie in Würzburg und Erlangen Fasching-Events mit großer Bühnenshow für die Anatomie-Studierenden gegeben und auch bei anderen Studenten-Partys als DJane aufgelegt. „Nach Corona kann ich mir das auch gut für Bonn vorstellen. Mein Equipment dafür habe ich mitgebracht“, sagt Prof. Kürten, die meist von Buddy, einem kleinen weißen Hund, begleitet wird. 2012 hat sie den total abgemagerten Straßenhund aus Griechenland im Alter von etwa zwei Jahren von einem Tierschutzverein adoptiert: „Es war Liebe auf den ersten Blick.“
Kontakt für die Medien:
Prof. Dr. Stefanie Kürten
Neuroanatomie
Anatomisches Institut am Universitätsklinikum Bonn
Telefon: 0228/73- 2601
E-Mail: stefanie.kuerten@ukbonn.de