Wie schädlich ist die Weihnachts-Völlerei mit fettem Essen und Alkohol?
Zugegeben, viele der traditionellen Festtagsgerichte sind schwer verdaulich. Es macht vermutlich wenig Sinn, in der Weihnachtszeit abnehmen zu wollen. Doch das Gewicht in dieser Zeit zu halten, ist ein durchaus realistisches Ziel. In aller Regel stehen die Chancen, über das Jahr zuzunehmen höher als zwischen Weihnachten und Neujahr. Dass mehr als die Hälfte der Menschen in Deutschland übergewichtig ist, liegt nicht an der Weihnachtszeit. Wer sich über das Jahr ausgewogen ernährt, kann zu Weihnachten auch ruhig einmal schlemmen.
Mit welchen Strategien kann man auf gesündere Art genießen?
Weihnachten kann durchaus gesund sein, sofern die Auswahl der Lebensmittel auf dem Speiseplan mitbeachtet wird. Beim Plätzchenbacken beispielsweise bieten Nüsse, Trockenfrüchte, Haferflocken, weihnachtliche Gewürze und Honig schmackhafte und gesunde Alternativen zum oft hohen Butter- und Zuckergehalt in Spritzgebäck oder Vanillekipferln. Nüsse enthalten kaum Kohlenhydrate, dafür leicht verwertbares Eiweiß, reichlich ungesättigte Omega-3 Fettsäuren und wertvolle Nährstoffe, die sich vorteilhaft auf entzündliche Prozesse und Blutfette im Körper und infolge auf Diabetes und Herzkreislauf-Erkrankungen auswirken. Natürlich sollte man den Energiegehalt im Auge behalten - etwa 20 Gramm pro Tag oder eine Handvoll werden empfohlen. Vorsicht hingegen ist geboten bei zuckerhaltigen Lebensmitteln. Zucker löst im Gehirn über das Belohnungssystem ähnliche Suchtreaktionen aus wie Kokain oder Nikotin. Die hohen Blutzuckerspiegel fördern dabei die Entwicklung von Insulinresistenz, Organverfettungen, Übergewicht und Gefäßerkrankungen. Besonders tückisch ist daher weniger die Weihnachtsgans, sondern die süßen Suchtstoffe auf dem Weihnachtsteller, von dem wir zwischendurch naschen ohne satt zu werden und dadurch deutlich mehr von ihnen essen als wir eigentlich wollen.
Apropos Weihnachtsgans, man kann im Weihnachtsmenü auch einen frischen Salat oder eine Gemüsesuppe einplanen. Das bremst den Appetit und füllt den Magen. Kartoffeln, Getreideprodukte und Gemüse können sich auf dem Teller ruhigen Gewissens häufen: Sie sind ideale Sattmacher und enthalten lebenswichtige Nähr- und Inhaltsstoffe, die fit halten. Fettige Sahnesoßen lassen sich durch Soßen aus gedünstetem und püriertem Gemüse, fein mit Gewürzen abgeschmeckt, ersetzen. Zum Nachtisch statt Mousse au Chocolat vielleicht lieber ein Sorbet aus frischen Früchten. Auch ein Glas Mineralwasser zwischen Wein oder Sekt spart Kalorien.
Wie wird man die lästigen Pfunde mehr nach der Völlerei wieder los?
Viele Diäten, die extra-schnelle Erfolge versprechen, sind häufig nicht nur unrealistisch, sondern oft auch ungesund. Bei einer Crash-Diät, also maximaler Gewichtsverlust in möglichst kurzer Zeit, schaltet der Körper in den Hungermodus. Er fährt Stoffwechsel und Grundumsatz deutlich herunter. Wird nach der Diät wieder normal gegessen, arbeitet der Stoffwechsel weiterhin auf Sparflamme und der Energieüberschuss wird in Fettdepots umgewandelt – der berühmte Jojo-Effekt. Ratsamer ist, auf nachhaltig erfolgreiche Methoden zu setzen, die man längerfristig durchhalten kann. Eine solche ist zum Beispiel das Intervallfasten. Keinesfalls eine Erfindung der Neuzeit, ganz im Gegenteil, Fasten ist fest in unseren Genen verankert. Tatsächlich ist ein Hauptproblem der heutigen Ernährung und ein wesentlicher Grund für die steigende Zahl an Patienten mit Übergewicht und metabolischen Folgeerkrankungen das ständig verfügbare Essen. Sich mit zahlreichen Snacks durch den Tag zu futtern, gehört aber nicht zur artgerechten Ernährung des Menschen – längere Essenspausen dagegen schon, wenn auch bei unseren Vorfahren zumeist unfreiwillig. Ein zweiter Schlüssel zum Erfolg gegen ungewollte Pfunde ist natürlich ein gut trainierter Stoffwechsel. Regelmäßiges Muskeltraining und aerobes Ausdauertraining, doch selbst alltägliche Aktivitäten wie Treppensteigen, Spaziergänge oder Radfahren sind für den nachhaltigen Abnehmerfolg bedeutsam.
Verstärkt die Corona-Krise das Problem mit Festtagsbraten & Co?
Völlig ungeachtet der Weihnachtstage, zeichnet sich ab, dass die COVID-19 Pandemie verheerende Auswirkungen auf die bestehende Adipositas Pandemie haben wird. Wir erwarten in den kommenden Jahren einen dramatischen Anstieg von Adipositas und seinen Folgeerkrankungen - nicht nur bei Erwachsenen, sondern auch bei Kindern. Zweifelsohne bilden die Folgen der Lockdown-Maßnahmen wie Homeoffice, Schulschließungen, Quarantäne, Verlust von Tagesstruktur, Wegfall von organisiertem Sport und so weiter einen gefährlichen Nährboden für Gewichtszunahme und Bewegungsmangel, der mit grundlegenden Empfehlungen zu einem gesunden Lebensstil schwer noch vereinbar ist. Bereits jetzt hat eine aktuelle Forsa-Umfrage ergeben, dass 27 Prozent der Eltern und 9 Prozent der Kinder unter 14 Jahren zwischen dem Lockdown im März und der Umfrage im September erheblich an Gewicht zugelegt haben. Das deckt sich mit unseren Beobachtungen in der Klinik und betrifft insbesondere Familien mit einem sozial- und bildungsschwachen Hintergrund, die allgemein ein erhöhtes Risiko für Adipositas und seine Folgeerkrankungen besitzen. Auch aus diesem Grund darf man die gesundheitlichen Folgen der sozialwirtschaftlichen Auswirkungen der Pandemie nicht unterschätzen. Kurzarbeit, wegbrechende Aufträge, drohende Insolvenzen stellen viele Familien derzeit vor existentielle Zukunftsängste – psychologische Stressoren, die Stoffwechselprozesse erheblich beeinflussen und eine wesentliche Rolle bei der Entstehung von Essstörungen, Übergewicht und Manifestation chronischer Stoffwechselerkrankungen spielen. Diese indirekten Spätfolgen der Pandemie werden wir erst in ein paar Monaten, vielleicht Jahren vollends erfassen.
Kontakt für die Medien:
Prof. Dr. Wiebke Kristin Fenske
Leiterin der Sektion für Endokrinologie und Diabetologie
Medizinische Klinik I des Universitätsklinikums Bonn
Telefon: 0228/287- 15850
E-Mail: wiebke.fenske@ukbonn.de