31. Mai 2022

Uni Bonn hilft bei der Vermehrung seltener Apfelsorte Uni Bonn hilft bei der Vermehrung seltener Apfelsorte

Biologische Station im Rhein-Sieg-Kreis will gefährdete „Adams Parmäne“ auf ihren Flächen auspflanzen

„Ein Apfel am Morgen vertreibt Kummer und Sorgen“ ist nicht nur ein Sprichwort, sondern auch eine ärztliche Empfehlung. Denn: Äpfel sind gesund und lecker. Ein ganz besonderes Exemplar ist die Sorte „Adams Parmäne“, die sich aktuell auf der Roten Liste der gefährdeten einheimischen Nutzpflanzen in Deutschland befindet. Die Lehr- und Forschungsstation Wiesengut der Universität Bonn arbeitet mit Pomologin Barbara Bouillon von der Biologischen Station im Rhein-Sieg-Kreis zusammen, um diese besondere Apfelsorte zu erhalten. Sie zeigt, wie das funktionieren kann und warum das gerade jetzt so wichtig ist.

Die Adams Parmäne
Die Adams Parmäne - auf dem Campus Wiesengut © Foto: Volker Lannert/ Uni Bonn
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Die Apfelsorte „Adams Parmäne“ wurde in der Grafschaft Norfolk in England durch einen Mr. Adams Anfang des 19. Jahrhunderts gezüchtet und hat sich später dann in Deutschland verbreitet. Sie gehört zu den Winteräpfeln, weil ihre Früchte Anfang Oktober reifen, ab Dezember genussreif sind und sich bis März halten. Die leicht kegelförmige, grüngelb-rote Sorte ist mit ihrem aromatisch süß-säuerlichen Geschmack ein guter Tafelapfel. Die Sorte ist stark gefährdet und steht daher auf der Roten Liste der gefährdeten einheimischen Nutzpflanzen in Deutschland. Diese Liste umfasst alle einheimischen Nutzpflanzen und deren Sorten und Varietäten, die in Deutschland an lokale Bedingungen angepasst und von Bedeutung waren. Heutzutage ist die Adams Parmäne deutschlandweit in fast keinem Baumschulsortiment mehr zu finden und wird daher auch so gut wie nicht mehr nachgepflanzt.

Die Adams Parmäne ist nur eines von zahlreichen Beispielen für den Verlust genetischer Vielfalt auf der Erde. Dabei geht es nicht nur um das Aussterben wildlebender Tier- und Pflanzenarten oder den Verlust ganzer Lebensräume, sondern auch um die genetische Verarmung der Nutzpflanzen, die den Menschen zur Verfügung stehen. Bisher gibt es im gesamten Rhein-Sieg-Kreis nur einen eingetragenen Baum der Sorte Adams Parmäne. Dieser steht am „Campus Wiesengut“, einer Lehr- und Forschungsstation für Organischen Landbau der Universität Bonn. „In Anbetracht immer extremerer Klimaveränderungen können wir heute noch nicht mit Gewissheit sagen, auf welche genetischen Ressourcen die Menschheit in 20, 50 oder 100 Jahren angewiesen sein wird. Der Erhalt von Nutztier- und Nutzpflanzenvielfalt in ihrem natürlichen Lebensraum spielt daher eine sehr wesentliche Rolle“, sagt der wissenschaftliche Koordinator des Campus Wiesengut, Dr. Martin Berg.

Kooperation über Jahre hinweg

Der Campus Wiesengut und die Abteilung Agrarökologie & Organischer Landbau arbeiten schon seit vielen Jahren intensiv mit der Biologischen Station im Rhein Sieg zusammen, einer Einrichtung an der Schnittstelle von amtlichem und ehrenamtlichem Naturschutz im Rhein-Sieg-Kreis. „Die Adams Parmäne ist wie viele alte Apfelsorten sehr anspruchslos und robust, sodass sie auch noch in widrigen Lagen angebaut werden kann und sehr alt wird“, sagt Biologin Barbara Bouillon, stellvertretende Geschäftsführerin der Biologischen Station in Eitorf. Außerdem kann die Frucht auch noch bis in den Spätwinter gelagert werden.“ Allerdings habe die Apfelsorte ein Imageproblem: „Sie fällt leider nicht auf, und potentielle Esser greifen eher zu stärker rot gefärbten Äpfeln, die geschmacklich aber nicht unbedingt besser, meist wesentlich schlechter sind.“

Die Botanikerin und Pomologin kümmert sich in der Biostation bereits seit Jahren um den Erhalt alter, gefährdeter Obstsorten. Das Ziel der Zusammenarbeit ist es, die Populationen solcher hochbedrohten Pflanzenarten wie der Adams Parmäne zu stärken. Die Vermehrung bei Äpfeln funktioniert beispielsweise durch eine sogenannte „Veredelung“. Die einfachste Methode ist die Kopulation. Hierfür schneidet man von dem Apfelbaum einen gesunden, einjährigen Trieb ab und schneidet aus dem mittleren Bereich einen etwa bleistiftstarken sogenannten Edelreis. Das sollte mindestens fingerlang sein und vier Knospen besitzen. Als sogenannte Veredlungsunterlage dient ein möglichst gleichstarker Apfelsämling. Der Trieb wird dann auf den gesunden Sämling gepfropft. Er bildet nach dem erfolgreichen Anwachsen der Veredlung die Wurzel des neuen Obstbaums, während aus dem Edelreis Stamm und Krone entstehen. Wenn das Edelreis im Frühjahr austreibt, war die Veredelung erfolgreich.

Die jungen Adams-Parmäne-Bäumchen sollen auf den Streuobstwiesen der Biologischen Station in Lücken gepflanzt werden, die abgestorbene Bäume hinterlassen. Je älter ein Baum wird, desto interessanter wird er aus Sicht der Biodiversität, da zahlreiche Insekten, Vögel und viele andere Tierarten von dem Baum profitieren.

Künftig soll es noch eine engere Zusammenarbeit zwischen der Biologischen Station im Rhein-Sieg-Kreis, dem Wiesengut und der Abteilung Agrarökologie und Organischer Landbau der Universität Bonn geben. Diverse extrem seltene Arten aus dem Rhein-Sieg-Kreis, von denen am Naturstandort teilweise nur noch einzelne Exemplare der jeweiligen Populationen existieren, werden durch die Biostation am Wiesengut ausgesät und kultiviert, um sie zu einem späteren Zeitpunkt wieder am Ursprungsstandort auszupflanzen.

Der „Campus Wiesengut“

Der Campus Wiesengut wurde der Landwirtschaftlichen Fakultät der Universität Bonn im Jahr 1985 zur Verfügung gestellt. Der Betrieb ist Mitglied in den Anbauverbänden „Naturland“ und „Bioland". Er ist eingebunden in den Lehr- und Forschungsschwerpunkt „Umweltverträgliche und Standortgerechte Landwirtschaft“ (USL) der Landwirtschaftlichen Fakultät der Universitaet Bonn.

Kontakt:

Dr. Martin Berg
Wissenschaftlicher Koordinator
Campus Wiesengut
Universität Bonn
Tel. 02242 - 913 4282
E-Mail: berg@uni-bonn.de

Barbara Bouillon
Biologische Station im Rhein-Sieg-Kreis e. V.
Tel. 02243 847906
E-Mail: info@biostation-rhein-sieg.de

Barbara Bouillon
Barbara Bouillon - von der Biologischen Station im Rhein-Sieg-Kreis schneidet ein Edelreis zurecht. © Foto: Volker Lannert/Uni Bonn
Hier wird beim abgeschnittenen Edelreis
Hier wird beim abgeschnittenen Edelreis - am unteren Ende ein Kopulationsschnitt gesetzt. Bei der Unterlage erfolgt dieser am oberen Ende. Die Schnittflächen sollten für eine gute Deckung vier bis fünf Zentimeter lang sein. © Foto: Volker Lannert/Uni Bonn
Mit einem Veredlungsband
Mit einem Veredlungsband - wird der zusammengesetzte Bereich verbunden, indem man die dünne, dehnbare Kunststofffolie stramm von unten nach oben um die Verbindungsstelle wickelt. © Foto: Volker Lannert/Uni Bonn
Fertig ist ein veredeltes Apfelbäumchen:
Fertig ist ein veredeltes Apfelbäumchen: - Die junge Adams Parmäne soll in die Lücke eines Obstbestandes gepflanzt werden. © Foto: Barbara Bouillon
Im gesamten Rhein-Sieg-Kreis
Im gesamten Rhein-Sieg-Kreis - gibt es nur einen eingetragenen Baum der Sorte Adams Parmäne. Dieser steht auf dem Wiesengut der Universität Bonn. © Foto: Volker Lannert/Uni Bonn
Das gepfropfte Bäumchen
Das gepfropfte Bäumchen - pflanzt Barbara Bouillon in einen Topf. Später soll die Adams Parmäne eine Lücke einer Streuobstwiese gepflanzt werden. © Foto: Volker Lannert/Uni Bonn

Dr. Martin Berg, wissenschaftlicher Koordinator des Campus Wiesengut der Universität Bonn:

Wie sieht die Zusammenarbeit mit der Pomologin Barbara Bouillon genau aus?
Die Zusammenarbeit umfasst zum Beispiel die gemeinsame Betreuung von Abschlussarbeiten im Rahmen des Studienganges Naturschutz und Landschaftsökologie. Ferner wurde vor wenigen Jahren mit der Biostation ein umfangreiches Paket im Rahmen des Vertragsnaturschutzes zur biodiversitätsschonenden Nutzung der siegnahen Grünlandflächen vereinbart. In einem weiteren großen Projekt werden wir uns künftig dem Schutz der hochbedrohten Wiesenknopfameisenbläulinge auf den Flächen des Campus Wiesengut widmen. Schlussendlich werden wir mit Frau Bouillon die Ex-situ-Erhaltungsstation (ESE Rhein-Sieg) für hochbedrohte Pflanzenarten des Rhein Sieg Kreises etablieren. Ex-situ-Maßnahmen zur Erhaltung der Artenvielfalt sind solche, die außerhalb des eigentlichen Lebensraums einer Art stattfinden, beispielsweise in Botanischen Gärten, in Zoos oder dergleichen. Langfristiges Ziel ist es, die Populationen dieser Arten zu stärken. Diese Aktivität wird intensiv in die Forschung und Lehre eingebunden.

Wie ist der Schutz der Biodiversität mit der Arbeit am Wiesengut verknüpft?
Seit der Übernahme des Versuchsbetriebes im Jahre 1985 widmet sich das Wiesengut kontinuierlich bis heute dem Schutz der Biodiversität. So wurden gleich zu Beginn über 1500 Meter Hecken und Landschaftsstrukturen gepflanzt und etabliert. In der damals sehr monotonen Landschaft sollten Rückzugsräume für Tiere geschaffen werden, die für die Stabilität des Agrarökosystems und damit auch für die Ertragssicherheit eine wesentliche Rolle spielen. Alle Maßnahmen wurde permanent erweitert, optimiert und im Rahmen von wissenschaftlichen Begleituntersuchungen evaluiert. Fachkundige Kolleginnen und Kollegen nennen den Campus daher auch wertschätzend Biodiversitätscampus.

Welche Forschungs- und Arbeitsschwerpunkte gibt es am Wiesengut?
Die Forschungsaktivitäten am Campus Wiesengut widmen sich der Frage, wie sich die Ziele von landwirtschaftlicher Produktion, Naturschutz und Ressourcenschutz durch gezielte Gestaltung von Agrarökosystemen besser vereinen lassen und wie die Gesundheit, Stabilität und Resilienz in solchen Systemen langfristig gefördert werden können. Ein Schwerpunkt liegt dabei auf der Gestaltung von Nutzpflanzensystemen durch Diversifizierung, das heißt, eine stärkere Nutzung von Vielfalt. Diese umfasst unter anderem die Erweiterung des Kulturartenspektrums zum Beispiel durch vermehrten Anbau von Arznei- und Gewürzpflanzen oder die gezielte Förderung von bestäubenden Insekten durch blütenreiche Pflanzenarten-Mischungen. Ackerbau-, und Grünlandsysteme werden dabei auf verschiedenen räumlichen und zeitlichen Ebenen untersucht, von der Einzelpflanze bis hin zu Landschaften, von Wurzeln im Unterboden bis hin zur digitalisierten Fernerfassung ganzer Agrarökosysteme.


Barbara Bouillon, Biologische Station im Rhein-Sieg-Kreis:

Frau Bouillon, Sie sind Pomologin. Was genau kann man darunter verstehen?
Eine Pomologin kennt sich mit verschiedenen Obstsorten aus und kann Informationen zu deren Anbaueigenschaften, Krankheitsanfälligkeiten und der Verwertung der Früchte geben. Im Idealfall kann sie die Obstsorten auch an Hand der Früchte bestimmen.


Was ist eigentlich das Besondere an der Apfelsorte „Adams Parmäne?“
Die Adams Parmäne ist eine Apfelsorte, die sehr anspruchslos ist und auch noch in widrigen Lagen - z.B. trockene Standorte oder Höhenlagen - anbaubar ist. Bei ihr kommt es auf die inneren Werte an, da sie ein aromatischer Tafelapfel ist.

Welche Bedeutungen haben alte Apfelsorten für den Naturschutz?
Grundsätzlich erhöhen alle Obstbäume auf einer Fläche durch das Blüten- und Fruchtangebot die Biodiversität der Flächen. Viele - aber längst nicht alle - alten Sorten sind wie die Adam Parmäne sehr robust und werden auf den geeigneten Standorten sehr alt. Je besser ein Baum an die Standorteigenschaften angepasst ist, desto länger bleibt er gesund und desto älter wird er. Erst im höheren Alter werden die Bäume aus Sicht der Biodiversität besonders interessant. Zahlreiche Insekten, Vögel oder Bilche - wie der Siebenschläfer - nutzen den umfangreichen Kronenraum oder die Rindenstrukturen als Habitat. Selbst in einem nicht mehr vitalen Zustand bietet ein Obstbaum noch einen vielfältigen Lebensraum mit abgestorbenen Astpartien oder Astausbrüchen und Stammhöhlen. Hier kommen dann auch Fledermäuse, Totholzkäfer oder holzzersetzende Pilze auf ihre Kosten. Auch wenn Letztere das Ende des Baumes „einläuten“, bis es so weit ist, profitieren noch viele Arten von dem Baum.

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