War die Expedition erfolgreich?
Die Expedition war sehr erfolgreich und wir haben auf jeden Fall genug spannende Proben bekommen, um die nächsten Jahre daran zu forschen! Es gibt immer mal wieder kleinere Rückschläge oder Probleme, sodass während so einer Reise der Plan immer wieder angepasst werden muss. Aber am Ende ist jede Probe aus so einer abgelegenen Region Gold wert und ich freue mich schon sehr auf die Zeit im Labor, in der ich an dem Material arbeiten kann!
Was passiert mit dem Datensatz, den du während der Expedition sammelst?
Während der Expedition habe ich für unsere Arbeitsgruppe an der Universität Bonn erstmal nur Proben gesammelt. Erst zu Hause in Bonn werden diese Proben im Labor untersucht und daraus Datensätze generiert. Ich bringe zwei verschiedene Arten von Proben aus Grönland mit: tiefgefrorene Sedimentproben und Porenwasserproben (Wasser aus den Sedimenten). Deshalb gibt es viele Möglichkeiten im Labor und viele Analysen, die wir durchführen können und wollen. Zusätzlich werden in anderen Instituten andere Messungen durchgeführt, sodass die Zusammenarbeit mit den Kolleginnen und Kollegen der Expedition auch in Zukunft wichtig sein wird. Am Ende dieses Prozesses werden die gewonnenen Daten veröffentlicht.
Wann ist mit Ergebnissen zu rechnen?
Das ist sehr unterschiedlich und kommt ganz auf die Art der Analysen an! Die ersten Ergebnisse werden wir wahrscheinlich schon in ein paar Monaten haben. Aber jedes Teammitglied hat ganz unterschiedliche Daten generiert und Proben genommen und es kann recht lange dauern, bis die Auswertung sauber und schlüssig ist. Die Proben und Daten sind sehr wertvoll und wir lassen uns lieber etwas mehr Zeit, alles gründlich zu untersuchen. Sowas kann mehrere Jahre dauern.
Was machst du, wenn du vom Schiff gehst?
Ich werde wahrscheinlich ein paar wenige Tage Urlaub machen und etwas Zeit mit meiner Familie und meinen Freunden verbringen. Ich werde mich auch erstmal wieder an die sommerlichen Temperaturen in Deutschland gewöhnen müssen. Vor allem freue ich mich auf ein Eis am Rheinufer und auf einen richtig guten Salat - nach so vielen Wochen auf See werden frisches Obst und Gemüse langsam knapp! Aber danach geht es für mich so bald wie möglich ins Labor. Ich bin sehr neugierig, welche Daten wir aus den genommenen Proben gewinnen können und bin gespannt auf die ersten Ergebnisse!
Welchen Impact hat das Schiff auf das Klima und warum wurde dieses Mittel gewählt?
Die Sir David Attenborough ist ein neues Schiff, das unter nachhaltigen Gesichtspunkten konstruiert wurde. Aber obwohl Effizienz und Nachhaltigkeit bei Bau und Betrieb eine wichtige Rolle spielen, wird die Nutzung eines so großen Schiffs nie ohne Impact auf das Klima bleiben. Es gibt aber keine Alternative. Wenn wir die Prozesse und Folgen des Klimawandels verstehen wollen, dann führt an Forschung in der Arktis kein Weg vorbei. Für ein ganzheitliches Verständnis vom Klimasystem müssen außerdem viele verschiedene wissenschaftliche Disziplinen zusammenarbeiten - es braucht daher eine leistungsstarke Plattform mit viel Kapazität, um ein großes Team viele Wochen lang an sehr abgelegenen Orten unterstützen zu können. Die Sir David Attenborough ist als Eisbrecher für diesen Job optimal ausgestattet und wir haben auf dieser Reise all ihre Möglichkeiten genutzt, um wertvolle und einzigartige Daten zu erzeugen.
Wie hast du dich fachlich vorbereitet?
Ich habe mich vor der Expedition fachlich mit KANG-GLAC auseinandergesetzt, aber meine Verantwortung liegt zunächst bei meinen eigenen Proben und meinem Beitrag zum Projekt. Während der Expedition ist es vor allem wichtig, die Proben zu sammeln, die für die eigenen Untersuchungen besonders wichtig sind. Analysen dieser Proben und Interpretationen der Ergebnisse werde ich erst durchführen, wenn ich wieder in Bonn bin.
Was für Proben untersuchst du?
Ich selbst untersuche zwei Arten von Proben: Sedimentproben (Schlamm) und Proben des Porenwassers (des Wassers im Schlamm). Mein Fokus liegt dabei auf den chemischen Veränderungen, die in den Sedimenten unter bestimmten Bedingungen stattfinden. Wir sind aber ein multidisziplinäres Team und es gibt an Bord auch Wissenschaftler*Innen, die den Schlamm unter dem Mikroskop auf Mikrofossilien untersuchen. Die Arktis ist ein Gebiet, in dem der aktuelle Klimawandel besonders großen Schaden anrichtet und in dem gleichzeitig viele Prozesse der Umwelt noch nicht ausreichend verstanden sind. Diese Kombination macht Forschung hier so wichtig.
Wie funktioniert die Probenentnahme?
Wir haben verschiedene Systeme und Methoden, mit denen wir die Sedimente am Meeresboden auf das Schiff holen können. Für uns ist es wichtig, dass die Reihenfolge der Ablagerungen dabei nicht gestört wird. Das jüngste Sediment befindet sich an der Oberfläche des Meeresboden, nach unten hin werden die Ablagerungen immer älter. Diese Chronologie wollen wir erhalten. Deshalb schicken wir in der Regel ein oder mehrere Rohre Richtung Meeresboden, die wir dann mit einem Gewicht möglichst gerade in den Schlamm bohren. Die Rohre füllen sich dadurch mit Sediment und wir können sie vorsichtig an Deck holen und dort beproben. Auch für die Beprobung gibt es verschiedene Methoden. Oft schneiden wir die Kerne in Scheiben, jede Scheibe ist dann eine Probe. Wir sind ein relativ großes Team und helfen uns alle gegenseitig. Trotzdem brauchen wir mehrere Stunden pro Station und schaffen nur etwa drei bis vier Stationen in unserer 12-Stunden-Schicht.
Führst du auch Experimente für andere Forschende durch?
Wir nehmen auch Proben für andere Projektpartner*Innen. Jeder von uns ist sehr spezialisiert auf seinem Gebiet. Deshalb profitieren wir alle davon, wenn möglichst viele Proben mit möglichst vielen verschiedenen Methoden untersucht werden. Das übergeordnete Projekt mit seiner Zielsetzung stellt dabei den Rahmen dar. Wir alle tragen mit unserer eigenen Forschung einen Teil dazu bei, diese übergeordnete Fragestellung zu beantworten.
Was ist das Wichtigste bei deinen Arbeiten? Kann etwas schiefgehen?
Für mich ist es sehr wichtig, möglichst viele Notizen über den Kontext der Proben zu machen. Wir führen ein Logbuch über jeden Sedimentkern, den wir an Bord holen. Dieses Logbuch enthält Informationen wie die genauen Koordinaten der Station und die Wassertiefe. Jede einzelne Probe braucht zusätzlich einen Namen, aus dem sich die Zuordnung zur Station und die Kerntiefe ablesen lässt. Bei der Kerntiefe gilt die Oberfläche des Meeresbodens als Nullpunkt, von dem aus in die Tiefe gemessen wird. Es kann immer passieren, dass wir bei all der Hektik Fehler machen und in der Beschriftung Zahlendreher einbauen, aber in der Regel fällt das schnell auf und kann behoben werden. Viel häufiger passiert es, dass bei der eigentlichen Bohrung Probleme auftreten. Dann kommt das Equipment schon mal ohne Sediment zurück an Deck. Aber auch das ist kein Problem, dann versuchen wir es einfach noch mal!
Untersuchst du die Sedimenten in den jüngeren Schichten?
Ja, wir schauen uns die jüngsten Sedimente an der Oberfläche des Meeresbodens ganz genau an. Aus geochemischer Sicht sind das oft die interessantesten Ablagerungen und viele Prozesse finden in den oberen 20 cm des Meeresbodens statt. Wenn man vergangene Umweltbedingungen rekonstruieren möchte, dann muss man aber viel längere Kerne untersuchen. Je länger der Kern, desto weiter zurück in die Vergangenheit kann man damit blicken. Wir nehmen deshalb auch Sedimentkerne mit bis zu 10 m Länge und hoffen, damit einen Eindruck von vergangenen klimatischen Veränderungen zu bekommen.
Probenentnahme
Bild © Katrin Wagner
Welche Daten werden dem als Reverenz gegenüber gestellt?
Ein Vergleich mit bereits veröffentlichten Daten aus ähnlichen Gebieten ist immer sinnvoll und wird standardmäßig gemacht. Zusätzlich werden schon im Vorfeld von Expeditionen dieser Art so viele Informationen wie möglich über das Untersuchungsgebiet und eventuelle Besonderheiten gesammelt. Grundsätzlich befinden wir uns aber aktuell in Gewässern, über die noch sehr wenig bekannt ist. Mit unserem Schiff kartieren wir deshalb immer erstmal den Meeresboden und suchen nach Sedimenten, die sich für eine Bohrung oder für andere Messungen eignen könnten. Erst danach wird auf Basis der gesammelten Daten die Entscheidung getroffen, Untersuchungen an bestimmten Stationen durchzuführen. Deshalb ist jede Probe einzigartig und wertvoll. Unsere Expedition ist damit in ihrer Kombination aus Forschungszielen und Methoden auf jeden Fall eine Ersterfassung, die dann im Nachhinein in den Kontext anderer Untersuchungen aus der Arktis gesetzt wird.
Wie kalt sind die Temperaturen?
Wir hatten bei unserer Ankunft in Grönland zwar ein paar vereiste Tage, aber inzwischen ist es eigentlich mit etwa 3 bis 8 °C recht warm. Der Wind kann zusätzlich kühlen und auch an nebligen Tagen ist mir durch die Feuchtigkeit manchmal ein bisschen kalt. Ich arbeite die meiste Zeit an Deck, also unter freiem Himmel und schütze mich deswegen gut gegen Kälte und Nässe.
Wie schützt ihr euch vor der Kälte und den Elementen?
Wir schützen uns durch mehrere Lagen Kleidung mit einer wasserfesten, winddichten Schicht als äußere Hülle. Bei der aktuellen Expedition habe ich die passende Kleidung sogar zur Verfügung gestellt bekommen! An sehr kalten Tagen trage ich am liebsten eine synthetische Schicht auf der Haut, darüber eine Schicht aus Wolle und dann meine wetterfeste Arbeitskleidung darüber. Bei der Arbeit auf einem Schiff ist es aber auch oft möglich, sich zwischendurch für ein paar Minuten drinnen aufzuwärmen.
Wie viele persönliche Gegenstände konntest du mitbringen?
Ich bin auf einem sehr großen Schiff mit viel Platz und es gab daher im Vorfeld keine Vorgabe, das Gepäck zu begrenzen. Ich reise aber gerne mit leichtem Gepäck und habe so gepackt, wie für eine normale, etwa zweiwöchige Reise in kalte Gebiete. Ich kann meine Kleidung auf dem Schiff waschen. Ich wusste schon vorher, dass ich nicht viel Freizeit haben würde und habe deshalb nur zwei Bücher mitgenommen. Gesellschaftsspiele und ein paar Musikinstrumente gibt es auf dem Schiff, aber bisher gibt es nur wenige ruhige Stunden, um sie zu benutzen.
Was machst du gegen Lagerkoller?
Ich versuche, ein ruhiges Plätzchen zu finden und möglichst “unansprechbar” auszusehen. Mit einem Buch in der Hand funktioniert das ganz gut. Im Arbeitsalltag ist dafür aber oft keine Zeit. Dann ist es wichtig, sich immer wieder in Geduld und Empathie zu üben. Für uns alle sind die Tage und Nächte lang, die Arbeit ist anstrengend und wir alle haben unsere Familien und Freunde zu Hause gelassen. Da ist es wichtig, sich nicht jede Bemerkung direkt zu Herzen zu nehmen und jedem einen “schlechten Tag” zuzugestehen. Das funktioniert sehr gut!
Was machst du bei Seekrankheit?
Seegang
Bild © Katrin Wagner
Ich habe großes Glück und bin bisher noch nie wirklich seekrank geworden! Ganz allgemeine Tipps für stärkeren Seegang sind aber immer ein bisschen was im Magen zu haben (trockene Kekse sind super) und den Horizont im Auge zu behalten. Viele Menschen reagieren bei Seekrankheit ein bisschen empfindlich auf Koffein, also kann es helfen auf den Kaffee zu verzichten und stattdessen ein Getränk mit Kohlensäure zu bevorzugen. Wenn gar nichts mehr hilft, gibt es sehr gute Tabletten gegen Seekrankheit!
Hast du Gelegenheit auf dem Eis zu spazieren?
Auf dem Eis oder an Land zu spazieren ist für mich bei dieser Expedition leider nicht möglich. Mein Arbeitsplatz ist entweder an Deck oder in den Laboren des Schiffes. Ausflüge auf Eis sind gefährlich und werden normalerweise nur dann unternommen, wenn es die Fragestellung des Projektes erfordert. Und auch Ausflüge an Land sind eine logistische Herausforderung, da wir uns meilenweit entfernt vom nächsten Hafen befinden. Grönland ist außerdem Eisbärenland, vor allem im Osten - unbewaffnet sind außerhalb der wenigen Dörfer keine Spaziergänge möglich. Wir haben aber ein kleineres Boot an Bord, von dem aus wissenschaftliche Messungen in geringerer Wassertiefe unternommen werden können. Mit diesem Boot (Erebus) durfte ich einen kleinen Ausflug unternehmen und habe das sehr genossen! Der kleine Trip im Sonnenuntergang zum Gletscher und der Anblick unserer aktuellen “Heimat” (Forschungsschiff Sir David Attenborough) aus der Entfernung waren ein ganz besonderes Erlebnis!
Was ist das Schlimmste/das Beste für dich auf dem Schiff?
Es gibt viele Dinge, die ich bei Expeditionen dieser Art toll finde! Ganz oben steht dabei zum einen die Kameradschaft, die sich sowohl zwischen den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, als auch innerhalb der Besatzung findet. Wir verstehen uns alle als großes Team und obwohl wir uns oft erst während der Ausfahrt richtig kennenlernen, stehen wir uns normalerweise alle selbst beim kleinsten Problem mit Rat und Tat zur Seite. Zum anderen empfinde ich es als unheimliches Privileg, diese atemberaubende Landschaft erleben zu dürfen. Ich arbeite schon seit einigen Jahren in der Arktis, aber immer wieder finde ich es berührend und beeindruckend, welche Schönheit sich hier zwischen all dem Eis und der Einsamkeit finden lässt. Nicht so schön finde ich, dass es kaum Zeit und auch keinen Platz gibt, um sich zwischendurch mal ein paar Stunden zurückzuziehen. Ich bin gerne auch mal mit meinen Gedanken alleine, aber das geht hier oft nicht.
Wie läuft das mit den Vorräten ab?
Das kommt auf die Dauer der Expedition an und auch auf das Ziel. Bei unserer Ausfahrt werden wir sechs Wochen unterwegs sein und dabei an einen sehr abgelegenen Ort fahren, an dem frische Vorräte nicht so einfach zu bekommen sind. Die „Sir David Attenborough“ ist aber ein sehr großes Schiff mit viel Platz für Vorräte und Frischwasser. Wir müssen daher zwischendurch keinen Stopp machen, um extra Proviant an Bord zu holen. Trotzdem kann es bei einer sechswöchigen Ausfahrt sein, dass irgendwann frisches Gemüse und Obst knapp werden. Ein Hoch auf Konserven und Tiefkühltruhen!
Grundsätzlich ist die Verpflegung an Bord sehr gut und lässt nicht viel zu wünschen übrig. Uns werden jeden Tag drei warme Mahlzeiten serviert, oft auch mit Nachtisch. Für mich und meine Kolleginnen und Kollegen in der Nachtschicht wird gegen Mitternacht sogar eine weitere warme Mahlzeit zubereitet, das „Mittagessen“. Aber die Arbeit ist hart und weil ich mit Sedimenten vom Meeresboden arbeite, werde ich oft nass und kalt. Manchmal fehlen am Ende der Schicht dann trotzdem ein paar Kalorien und ein „Pflaster fürs Herz“. Daher habe ich mir vor der Abfahrt noch ein paar Tafeln Schokolade gekauft, die jetzt für „Notfälle“ in einer Schublade meiner Kabine liegen. Man kann nicht vorsichtig genug sein!
Update vom 29. Juli: Die erste Woche der Expedition ist bereits rum, der Arbeitsalltag hat begonnen. Katrin Wagner erzählt vom Ankommen und Leben auf dem Schiff.
Wie bist du auf dem Schiff untergebracht?
Ich wohne auf dem Schiff in einer sehr gemütlichen Kabine, in der es - so wie fast alle Kabinen auf den meisten Schiffen - ein Hochbett gibt. Ich teile diese Kabine mit einer Kollegin aus dem Sediment-Team. Wir haben sogar ein kleines Sofa und einen Schreibtisch! Eigentlich ähnelt so eine Kabine einem Wohnwagen. Alles recht klein, aber platzeffizient gebaut und sehr behaglich!
Wie laufen die ersten Tage ab?
In den ersten Tagen macht man sich typischerweise mit dem Schiff, der Besatzung und dem Wissenschaftsteam bekannt. Wir haben direkt nach unserer Ankunft eine Führung über das Schiff bekommen. Das war auch bitter nötig, denn es ist mit seinen neun Decks (Stockwerken) sehr groß und immer wieder gibt es Türen, durch die man nicht laufen und Räume, die man nicht betreten darf. Eine Vorstellungsrunde gab es auch und um auch die Besatzung des Schiffes besser kennenzulernen, hat diese in den ersten Tagen auf dem Weg nach Grönland einen Grillabend an Deck veranstaltet. Anschließend hat unser Koch ein Pubquiz organisiert, bei dem wir alle viel Spaß hatten!
Wie ist dein Tagesablauf geregelt?
In den ersten Tagen (auf der Fahrt von unserem Heimathafen in Schottland nach Grönland) lief alles noch recht entspannt ab. Auf der Tagesordnung stand vor allem die Organisation und Vorbereitung der eigenen Arbeit. Abends war viel Zeit für geselliges Beisammensein beim gemeinsamen Kreuzworträtsel lösen oder puzzeln. Inzwischen sind wir jedoch in den “normalen” Wissenschaftsbetrieb gewechselt. Für mein Team und mich bedeutet das Arbeit in der Nachtschicht. Ich stehe also um 7 Uhr abends auf, frühstücke und gehe dann an Deck, wo wir Sedimentkerne ziehen und Proben nehmen. Das macht mir unheimlich viel Spaß! Wir werden dabei immer nass und schmutzig und müssen aufpassen, dass uns nicht zu kalt wird. Während wir darauf warten, dass die Sedimentkerne aus dem Wasser gezogen werden, genießen wir den arktischen Sonnenuntergang und - etwa eine Stunde später - den Sonnenaufgang. Magische Momente! Um 8 Uhr morgens ist meine Schicht vorbei und wir machen den Weg frei für die Teams, die am Tag arbeiten. Ein bisschen Zeit für Freizeit (Bücher, Musik oder Filme) bleibt schon, aber meistens gehe ich nach der Arbeit recht bald erschöpft und glücklich ins Bett.
Die Expedition in die Arktis
Wie funktionieren chemische Prozesse im Ozean und wie verändern sie sich, wenn sich das Klima erwärmt? Dieser Frage geht die Arbeitsgruppe Umweltgeologie von Prof. Dr. Christian März am Institut für Geowissenschaften der Universität Bonn nach. Und das nicht nur im Labor, sondern auch vor Ort. Genauer gesagt: in der Arktis, im Südosten Grönlands. In einer sechswöchigen Expedition auf dem Forschungseisbrecher RRS Sir David Attenborough untersucht Doktorandin Katrin Wagner zusammen mit einem interdisziplinären Team von 40 Forschenden und Mitarbeitenden renommierter Forschungsinstitute aus aller Welt im Rahmen des Projekts KANG-GLAC Spuren von Gletscherveränderungen in Grönland und das Leben in den Küstengewässern am Rande der größten Insel der Welt. Wagners Aufgabe: Sedimentkerne aus dem Meeresboden ziehen und Proben nehmen, die später im Labor in Bonn untersucht werden können. „Mit den genommenen Proben können wir die aktuellen geochemische Abläufe im Meeresboden bestimmen und erfahren dabei viel über die Interaktionen zwischen Gletscheraktivität und marinen Umweltbedingungen. Gleichzeitig sammeln wir Indizien, wie sich diese im Laufe der Zeit verändert haben könnten“, sagt Katrin Wagner.
Leben und Arbeiten an Bord eines Forschungsschiffs
Wer schon immer einmal wissen wollte, wie es ist, an Bord eines Forschungsschiffs zu arbeiten und zu forschen, hat nun die Chance, es aus erste Hand zu erfahren. Während der Expedition wird Doktorandin Katrin Wagner Fragen von Bürgerinnen und Bürgern auf dem Instagram-Account der Universität (@universitaetbonn) sowie auf der Website der Universität beantworten. Neugierige können Ihre Fragen an wissenschaftskommunikation@uni-bonn.de schicken.
Expedition in die Arktis
Der grönländische Eisschild schrumpft aufgrund des Klimawandels immer schneller. Warmes atlantisches Wasser, das durch die Fjorde fließt, trifft schließlich auf die Eisfronten der marinen Gletscher, wodurch das Schmelzen zunimmt und Eisberge abbrechen – Forschende sprechen vom „Kalben“. Der verstärkte Eintrag von Süßwasser in den Ozean wiederum verändert sowohl die Meeresströmungen als auch die marinen Ökosysteme um Grönland und weiter entfernt im Nordatlantik, was sich möglicherweise auf die Wettersysteme im Vereinigten Königreich auswirkt.
Rückblick für einen besseren Ausblick
Das KANG-GLAC-Projekt zielt darauf ab, die komplizierten Prozesse, die diesen Veränderungen zugrunde liegen, zu verstehen. Dafür untersuchen die Forschenden zum einen, was jetzt gerade geschieht. Zum anderen blickt das Team aber auch in die Vergangenheit: Es interessiert, was während der warmen Klimaperioden der letzten 11.700 Jahre geschehen ist – der Zeitraum, der als Holozän bekannt ist. Dies schließt eine Zeit ein, in der die Sommertemperaturen in Grönland vermutlich etwas wärmer waren als heute: das thermische Maximum des Holozäns. Zwar gibt es rund um Grönland einige Aufzeichnungen über das Kalben und Schmelzen von Gletschern im 20. Jahrhundert und über den Zustrom warmen Wassers, doch fehlen Aufzeichnungen darüber, welche Auswirkungen dies auf die Produktivität der Meere hat. Indem die Forschenden auch Vorgänge aus der Vergangenheit untersuchen, können die Ergebnisse der Expedition dazu beitragen, künftige Veränderungen im Ökosystem von Eis und Ozean zu verstehen. Dr. Kelly Hogan, Meeresgeophysikerin des British Antarctic Survey und Co-PI bei dem Projekt: „Diese Informationen müssen wir jetzt dringend sammeln, damit die politischen Entscheidungsträger verstehen können, was im Nordatlantik passieren wird, und entsprechende Anpassungs- und Abmilderungspläne aufstellen können.“
Mit Unterwasserroboter und Bohrkernen
Im Rahmen des dreieinhalbjährigen Projekts erstellt das Forschungsteam Aufzeichnungen über Gletscher-, Meeres- und Ökosystemveränderungen für das Holozän an Schlüsselstellen in der Nähe des Kangerlussuaq-Fjords in Südostgrönland. Für seine Forschungen nutzt das interdisziplinäre Team aus Ozeanograph*innen, Biolog*innen, Geograph*innen und Geolog*innen unter anderem Unterwasserroboter, um die Wechselwirkungen zwischen dem von den Gletschern ausgestoßenen Schmelzwasser und dem einströmenden warmen Ozeanwasser zu untersuchen und festzustellen, wie sich dies auf die Algenproduktivität in den Fjorden und Küstenmeeren Grönlands auswirkt. Parallel dazu nimmt das Team Sedimentkerne vom Meeresboden und terrestrische Gesteinsproben, um Veränderungen der Gletschergröße, der Meerestemperaturen und der Kohlenstoffspeicherung am Meeresboden aufzuzeigen. Prof. Dr. Colm O'Cofaigh, Gletscher- und Meeresgeologe vom Geographischen Institut der Universität Durham und Co-Lead PI des Projekts: „Das Spektrum der Instrumente, die von der RRS Sir David Attenborough während der KANG-GLAC-Ausfahrt eingesetzt werden, bietet eine noch nie dagewesene Gelegenheit, diese Veränderungen in den letzten 11.700 Jahren zu bewerten."
KANG-GLAC: the race to understand Greenland's melting glaciers | British Antarctic Survey
Bild © British Antarctic Survey / YouTube