29. April 2020

Aus Krisen lernen Aus Krisen lernen: Chancen für die Bewältigung des Klimawandels

Corona-Pandemie birgt Chancen für die Bewältigung des Klimawandels

Die Corona-Pandemie nimmt im Bewusstsein der Menschen einen breiten Raum ein. Der Klimawandel, eben noch das große Thema in Politik und Gesellschaft, scheint vergessen. Dabei stecken gerade in der Pandemie auch große Chancen für den Bewältigung der menschgemachten Umweltprobleme, meinen die Psychologist for Future Bonn, bei denen sich auch Studierende der Universität Bonn engagieren.

Aufmerksamkeit für den Klimawandel
Aufmerksamkeit für den Klimawandel - Mitglieder der Gruppe Psychologists for Future demonstrieren. © Foto: privat
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Text: Psychologists for Future Bonn
 
 
Wo aber Gefahr ist, wächst Das Rettende auch.” - Friedrich Hölderlin (1808)
 

Seit Wochen gibt es nur noch ein Thema, und das zu Recht: Wegen Corona starben weltweit bereits mehrere tausend Menschen, Tendenz steigend. Eine Pandemie dieses Ausmaßes hat die Welt lange nicht mehr gesehen. Dies geht auch mit Politikmaßnahmen einher, welche einem durchaus die Sprache verschlagen können: die EU schließt ihre Binnengrenzen, Geschäfte müssen schließen, Menschen dürfen wochenlang ihre Häuser nicht verlassen. Man ist erstaunt, was alles möglich ist in Zeiten der Krise.

Bei all der Aufregung vergisst man manchmal, dass wir auch schon vor Corona in einer tiefen Krise steckten: der Klimakrise. Wie Corona ist auch der Klimawandel ein globales Problem, welches nicht an nationalen Grenzen halt macht; es ist auch ein Problem, was durch Verhaltensänderungen und ein Umdenken in der Gesellschaft bekämpft werden kann; und es ist eine tödliche Krise, obwohl die Folgen des Klimawandels sich oft nur indirekt auf die Gesundheit von Menschen auswirkt, zum Bespiel durch Hitze und Dürre. So ist es schwer, genaue Statistiken zu erstellen. Dazu kommt, dass sich die Auswirkungen des Klimawandels zu einem großen Teil in der Zukunft bemerkbar machen werden. Wie psychologische Forschung gezeigt hat, werten Menschen Ereignisse in der Zukunft ab; die meisten Menschen kriegen lieber einen kleinen Gewinn heute als einen großen Gewinn morgen. Aufs Klima bezogen bedeutet das, dass es uns schwer fällt, uns heute einzuschränken, damit es uns (oder unseren Kindern und Enkeln) in der Zukunft besser geht. Im Fall von Corona liegen die fatalen Konsequenzen des Nicht-Handelns jedoch im hier und jetzt, was es uns Menschen erleichtert adäquat auf die Krise zu reagieren.

Ein weiterer psychologischer Effekt, der einen Unterschied zwischen den beiden Krisen darstellt, ist der Identifiable-Victim-Effekt (zu Deutsch: Identifizierbares-Opfer-Effekt), welches die Tendenz beschreibt, dass Menschen hilfsbereiter sind, wenn sie einer bestimmten Person helfen können. Wir kennen alle Menschen, die potentiell in den nächsten Monaten an Corona sterben könnten; die meisten von uns kennen niemanden, der an den direkten Folgen der Klimakrise sterben wird, da die ersten Opfer des Klimawandels tendenziell im globalen Süden anzutreffen sind, welches sich in unserer Motivation zur Krisenbewältigung widerspiegelt.

Dadurch bleibt der Klimawandel ein abstrakteres, und damit leicht zu verdrängendes Problem. Obwohl Wissenschaftler weltweit sich einig über die Ursachen des Klimawandels sind, gibt es dennoch einen nicht zu kleinen Teil in der Bevölkerung, der den menschengemachten Klimawandel leugnet. Auch wenn einige Reaktionen auf das Virus uns an Reaktionen auf die Klimakrise erinnern, weil auch der Virus zunächst von einigen heruntergespielt oder gar geleugnet wurde (siehe Präsident Trump als ein bekanntes Beispiel hierfür), so hat sich das Blatt doch bald gewendet: inzwischen nehmen die meisten den Virus sehr ernst und hören auf die Wissenschaft, was man in Hinblick auf die Klimakrise nicht unbedingt behaupten kann (siehe Klimapaket der Bundesregierung).

 

Effekte der Coronakrise auf das Klima

 

Die Coronakrise hat auch ganz direkten Einfluss auf den Klimawandel: Deutschland wird voraussichtlich Dank Corona  seine Klimaziele im Jahr 2020 erreichen, da die Wirtschaft runtergefahren wird und das Reisen extrem eingeschränkt ist; es gehen Bilder um die Welt von Städten, die das erste Mal seit Jahren nicht versmogt sind; die Meere werden sauberer; die Natur atmet auf. Die Nachwirkungen der Krise könnten allerdings diesen Trend wieder umkehren. Die CO2-Reduktion, die wir gerade beobachten können, ist nicht auf strukturellen Wandel zurückzuführen, Ausgehsperren und Grenzschließungen ersetzen keine Verkehrswende. Zudem kommt, dass sich der politische Fokus verrückt: vor Corona war der Klimawandel ein zentrales Thema in Gesellschaft und Politik, welches aber jetzt in den Hintergrund rücken könnte. So fiel auch nach der Finanzkrise 2008 das Thema Klima bei all den staatlichen Wirtschaftsinvestitionen hinten über, da in Zeiten der Krise niemand Geld für eine grüne Kehrtwende ausgeben will. Tschechiens Regierungschef Andrej Babiš hat bereits dazu aufgerufen, den Green Deal der EU Kommission in Zeiten von Corona auszusetzen.

Dabei bergen diese Katastrophen auch Entwicklungspotential, ein Momentum, was wir nicht ungenutzt lassen sollten. Im chinesischen bedeutet das Wort Krise gleichzeitig auch Chance. Diese Idee findet sich auch in der Psychologie wieder: posttraumatisches Wachstum nach persönlichen Krisen geht einher mit einem vertieften Verständnis seiner Selbst, einem Zugehörigkeitsgefühl, einer Wertschätzung des eigenen Lebens und einer Zunahme an Beziehungsqualität. Es gibt einiges, was wir aus den radikalen Veränderungen in unseren Leben gerade mitnehmen können. Vieles hat sich ins Digitale verlegt, was nicht immer schlecht, und dabei oft umweltschonender ist. Der Virus ermöglicht es uns inne zu halten, und uns auf das zu besinnen, was uns wichtig ist.  Zudem mussten wir alle mit vielen unserer Gewohnheiten brechen, was eine große Chance für Verhaltensänderungen darstellt.

 

Chancen auch für Politik und Wirtschaft

 

Im Alltag wird ein Großteil unseres Verhaltens durch verschiedene Gewohnheiten gelenkt. Forschung zeigt, dass Umbrüche wie der Umzug in eine neue Stadt, oder aber ein Umbruch wie wir ihn gerade erleben es viel einfacher macht, Gewohnheiten zu ändern, die sonst unveränderbar wirken. Diese Chance besteht auch in Politik und Wirtschaft: Finanzhilfen müssen weiterhin grün gedacht werden, sodass besonders nachhaltiges Wirtschaften gestärkt wird. Wir können in der derzeitigen Krise auch den Wert von klaren Ansagen erfahren: was ist erlaubt und was nicht? Die Klimapolitik kann sich davon gerne eine Scheibe abschneiden und strukturelle Lösungen aufzeigen. Die Coronakrise hat uns außerdem gezeigt, dass man viel erreichen kann, wenn man global an einem Strang zieht, der globale Zusammenhalt und die Solidarität zeigt sich nicht nur online in vielen Beiträgen, sondern auch beim gemeinsamen allabendlichen Musizieren und Klatschen auf den Balkonen der Welt. 

Zur Bewältigung einer persönlichen Krise soll es hilfreich sein, sich an vergangene überstandene Krisen zurückzuerinnern. So sollten wir uns in der Zukunft an diese jetzige Krise erinnern, und uns vor Augen führen, wie viel wir gemeinsam erreichen können, mit Solidarität und Zusammenhalt. Lasst uns gemeinsam handeln. Lasst uns auf die Wissenschaft hören, wenn immer es uns möglich ist. Corona hat uns ganz klar gemacht: wir sitzen alle in einem Boot! Aber auch: gemeinsam können wir was bewegen, nutzen wir den Moment!

 

Die Autorinnen:

Die vier Autorinnen engagieren sich bei den Psychologists for Future Bonn. Hannah Knopp und Hilde See sind Psychotherapeutinnen in Ausbildung, 
Fiona tho Pesch promoviert an einem Max-Planck-Institut in Bonn und Lea Klein ist Masterstudentin der Psychologie an der Universität Bonn.

 

Lebenszeichen – Wir bleiben im Gespräch! 

Das Dezernat für Hochschulkommunikation veröffentlicht unter dem Titel: „Lebenszeichen – Wir bleiben im Gespräch!“ Beiträge aus der Universität Bonn, die unter dem Eindruck der Bekämpfung des Coronavirus und der daraus resultierenden Bedingungen entstanden sind. Als Bildungseinrichtung will die Universität Bonn damit auch in schwierigen Zeiten im Diskurs bleiben und die universitäre Gemeinschaft fördern. In loser Folge erscheinen dazu auf der Website der Universität Bonn Beiträge von Universitätsangehörigen, die das Thema aus verschiedenen Blickwinkeln beleuchten, Dialoge in Gang setzen, Tipps und Denkanstöße austauschen wollen. Wer dazu beitragen möchte, wendet sich bitte an das Dezernat für Hochschulkommunikation, kommunikation@uni-bonn.de.

 

 

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