Die acht Projekte erlauben es der Medizinischen Fakultät, die Qualität ihrer Lehre weiter zu verbessern und auszubauen. „Wir freuen uns über die Möglichkeit, diese interessanten Projekte jetzt durch die Unterstützung der Stiftung Innovation in der Hochschullehre umsetzen zu können“, sagt Prof. Dr. Bernd Weber, Dekan der Medizinischen Fakultät der Universität Bonn und kommissarischer Vorstandsvorsitzender des UKB. „Die thematische Vielfalt der Projekte zeigt, welchen zunehmenden Stellenwert digitale Lehrformate in allen Bereichen des Medizinstudiums haben.“
Der Ausbau der digitalen Angebote steigere die Attraktivität des Studienorts Bonn für Medizinstudierende, erklärt Prof. Bernd Pötzsch, Studiendekan an der Medizinischen Fakultät der Universität Bonn: „Digitale Lehrprojekte sind ein wichtiges Instrument, um die Studierfähigkeit des lernintensiven Medizinstudiums zu verbessern. Die Förderungszusage der Stiftung Innovation in der Hochschullehre wird dazu beitragen, das digitale Lehrangebot weiter aufzubauen.“ Gleichzeitig belege die Förderung das hohe Innovationspotenzial der medizinischen Lehre am Standort Bonn.
Von Kommunikationstraining bis zu KI-Spielen in der Lehre
Die Anträge von den Lehrenden der Medizinischen Fakultät beschäftigen sich mit ganz verschiedenen Lehrinhalten des Medizinstudiums und beinhalten Vorschläge zur Innovation in der Nutzung digitaler und technischer Ressourcen, sowie in dem Aufbau der Lehre und Einbindung von Lehrpersonen. Mit dem Projekt „Kommunikationstraining per Medizin-Chatbot“ (beantragte Fördersumme: 381.000 Euro) will Yifan Yang die Studierenden zum Beispiel in neuen Kommunikationsmethoden trainieren; „Meine Geschichte für alle“ von Dr. Anthea Peters (beantragte Förderung: 399.000 Euro) zielt auf Kompetenzen als Arztpersönlichkeit ab. Prof. Dr. Daniel Paech verbindet in seinem Lehrkonzept „Anatomie + Neuro vertikal verknüpft verstehen“ (beantragte Förderung: 338.000 Euro) die Anatomie mit der Neurologie und versucht mit modernen Lehrmodalitäten, einem virtuellen Seziertisch und interaktiven Lernformaten, der unter Medizinstudierenden weit verbreiteten Neurophobie – der Angst vor dem Fachbereich Neurologie – entgegenzuwirken. Um den Einsatz von Gamification und KI in der Lehre dreht sich der Ansatz von Dr. Leon von der Emde und Prof. Thomas Ach „KI-Games: Wer baut den besten Algorithmus“ (beantragte Förderung: 304.000 Euro). Die weiteren Anträge beschäftigen sich mit „Qualitätsmanagement für medizinische Lehre 2.0“ (Dr. Nicolas Haverkamp; beantragte Förderung: 320.000 Euro), „NeuroPathologie online: Mikro/Makro und Klinik“ (Dr. Lea Friker und Dr. Valentina Zschernack; beantragte Förderung: 287.000 Euro), „Knie- und Handgelenkschall an Simulationsmodellen“ (Privatdozent Dr. Valentin Schäfer; beantragte Förderung: 266.000 Euro), und „Digital.Pulse- Studierende für Hausarztmedizin 4.0“ (Dr. Arian Karimzadeh; beantragte Förderung: 350.000 Euro). Die Förderperiode beginnt im April 2025 und läuft für 24 Monate.
Prof. Tobias Raupach und sein Team vom Institut für Medizindidaktik der Universität Bonn am UKB haben die Antragstellenden bei der Planung und Beantragung ihrer Vorhaben unterstützt. Er stellt fest: „Schon in den vergangenen Jahren war die Medizinische Fakultät in dieser Förderlinie überaus erfolgreich. Die Qualität der Anträge war in diesem Jahr besonders hoch, was auch an der Förderquote von über 50 Prozent für die aus unserer Fakultät eingereichten Projekte erkennbar ist.“
Die Projekte im Überblick
In der medizinischen Ausbildung gibt es eine klare Trennung zwischen den theoretischen Grundlagen (Vorklinik) und der praktischen Arbeit mit Patientinnen und Patienten (Klinik). Besonders in der Neurologie empfinden viele Studierende das Fach als herausfordernd und entwickeln eine gewisse Unsicherheit, die als „Neurophobie“ bezeichnet wird. Das Projekt „Anatomie + Neuro vertikal verknüpft verstehen“ adressiert dieses Problem durch den Einsatz moderner Technologie: Der Anatomage Table, ein virtueller Seziertisch, ermöglicht die detaillierte Erkundung der menschlichen Anatomie ohne reale Präparate. Dadurch lassen sich neuroanatomische Strukturen interaktiv und anschaulich darstellen, was das Verständnis neurologischer Konzepte erleichtert. Im Rahmen des Projekts wird ein innovatives Lehrkonzept entwickelt, das den Anatomage Table systematisch in die Lehre integriert. Durch die Verbindung theoretischer Inhalte mit virtuellen Präparationsübungen sollen nicht nur die neurologische Ausbildung verbessert, sondern auch das Interesse und die diagnostischen Fähigkeiten der Studierenden nachhaltig gefördert werden.
In der medizinischen Praxis hängen viele Entscheidungen zur Behandlung von Patientinnen und Patienten von pathologischen Befunden ab. Dennoch wird die Pathologie im Medizinstudium oft ohne direkten Bezug zur klinischen Anwendung unterrichtet. Das Projekt „NePoMuK“ zielt daher darauf ab, theoretische und praktische Inhalte im Medizinstudium stärker zu vernetzen. Es setzt auf moderne Lehrmethoden, um die Studierenden praxisnah an die Neuropathologie - einen Teilbereich der Pathologie, der sich mit den Erkrankungen des Nervensystems beschäftigt - heranzuführen.
Zum Einsatz kommen dabei eine digitale Plattform für mikro- und makroskopische Bilddarstellungen, interaktive Fallbeispiele und innovative Prüfungsformate. Mit NePoMuK können die Studierenden vor, währen und nach dem Unterricht Inhalte visuell und interdisziplinär verknüpft erlernen, um ein besseres Verständnis und Erinnern des Erlernten zu erreichen. Durch ein innovatives Prüfungsformat soll die Fähigkeit der Studierenden zur Anwendung und Interpretation klinisch-theoretischer Kenntnisse für ihre berufliche Laufbahn trainiert werden.
Das Projekt „Meine Geschichte für alle“ baut auf dem bereits etablierten Format „Meine Geschichte für Dich“ (MeiGeDi) auf. Bei MeiGeDi erstellen Medizinstudierende Filme, in denen sie durch Interviews mit chronisch erkrankten Patientinnen und Patienten sowie deren Familien einen Einblick in das Leben mit einer Erkrankung geben. Durch diesen direkten Austausch erhalten die Betroffenen eine aktive Rolle in der Arzt-Patienten-Beziehung. Die Filme werden im Rahmen einer Filmpremiere präsentiert.
Das neue Projekt „Meine Geschichte für alle“ soll dieses Konzept deutschlandweit an Medizinischen Fakultäten etablieren. Dazu werden studentische Tutorinnen und Tutoren über eine digitale Plattform geschult, damit sie das Programm weitertragen und an ihren Universitäten umsetzen können.
Viele Medizinische Fakultäten bieten Seminare zur Schulung von Kommunikationsfähigkeiten an. Allerdings erfassen die praktischen Prüfungen oft nur einzelne Aspekte, sodass Studierende sie auch ohne umfassende Kommunikationskompetenz bestehen können. In der Praxis erfolgt das eigentliche Training dann häufig erst im direkten Patientenkontakt – eine herausfordernde Situation für beide Seiten. Das Kommunikationstraining mit einem Medizin-Chatbot soll hier Abhilfe schaffen. Ein speziell für medizinische Fachsprache entwickeltes Sprachmodell mit Audio-Schnittstelle ermöglicht es Medizinstudierenden, Arzt-Patienten-Gespräche realitätsnah zu üben. Dabei werden sowohl allgemeine als auch fachspezifische Anamnesen simuliert. Die Gespräche werden aufgezeichnet und anschließend daraufhin ausgewertet, ob vorab definierte Inhalte und Fragetechniken enthalten sind. Auf dieser Basis erhalten die Studierenden automatisiertes Feedback, das sie gezielt in ihrem Lernprozess unterstützt.
Unabhängig vom späteren Fachgebiet müssen junge Ärztinnen und Ärzte in der Lage sein, ein Ultraschallgerät sicher zu bedienen, Bilder zu erstellen und diese zu interpretieren. Allerdings gibt es bislang nur an wenigen Medizinischen Fakultäten Ultraschallkurse an, weil die Lehre dazu schwer standardisiert werden kann. Dieses Projekt entwickelt eine standardisierte Lehrmethode, bei der neuartige Simulationsmodelle zum Einsatz kommen. Die Modelle werden mithilfe eines hochauflösenden 3D-Druckers hergestellt und entsprechen der realen menschlichen Anatomie – sie sind also nicht durchsichtig und bieten dadurch eine realistische Trainingsmöglichkeit. Medizinstudierende im dritten klinischen Semester lernen an diesen Modellen den praktischen Umgang mit dem Ultraschallgerät und die Interpretation der Bilder. Das Projekt soll dazu beitragen, die Ausbildung in der Ultraschalldiagnostik flächendeckend zu verbessern.
Dieses Projekt entwickelt eine komplett neuartige Metrik zum Qualitätsmanagement in der medizinischen Lehre. Ein zentraler Bestandteil ist die systematische Messung des Lernfortschritts während des gesamten klinischen Studienabschnitts. Dazu werden Studierende, Lehrende und Expertinnen und Experten aus der Medizindidaktik gemeinsam messbare Lernziele für jede Lehrveranstaltung definieren und den Lernerfolg systematisch erfassen. Darüber hinaus sollen innovative Evaluationsinstrumente entwickelt werden, um die allgemeine Lehrqualität insbesondere digitaler Formate besser bewerten zu können. Die gesammelten Daten fließen in ein neuartiges Qualitätsmanagementsystem ein, das ein Anreizsystem schafft, um die leistungsorientierte Mittelvergabe an der Medizinischen Fakultät gezielt an objektiven Parametern auszurichten.
In diesem Kurs arbeiten Medizin- und Informatikstudierende in interdisziplinären Teams zusammen, um komplexe medizinische Datensätze zu analysieren und Vorhersagemodelle zu entwickeln. Dabei wird theoretisches Wissen mit praktischer Anwendung verknüpft: Die Teilnehmenden erhalten Bilddaten und relevante Kennzahlen und setzen verschiedene Algorithmen ein, um möglichst präzise Vorhersagen zu treffen.
Neben den Grundlagen zu medizinischen Bildgebungsverfahren lernen die Studierenden auch Methoden der Datenanalyse, -aufbereitung und Algorithmus-Entwicklung. Die erarbeiteten Modelle werden in Teams getestet und optimiert. Ein besonderer Höhepunkt des Kurses ist ein Wettbewerb, bei dem die Teams ihre Algorithmen gegeneinander antreten lassen – ein motivierendes und praxisnahes Element des Lernprozesses.
Das Projekt Digital.Pulse qualifiziert Medizinstudierende im Abschnitt Allgemeinmedizin des Praktischen Jahr (PJ) für den Einsatz digitaler Technologien in der Patientenversorgung. Basierend auf internationalen Best Practices und aktuellen Curricula kombiniert das viermonatige Blended Learning-Programm theoretische und praktische Inhalte zu Digital Health. Problembasierte Lernszenarien verknüpfen Medizininformatik, klinische Entscheidungsfindung und patientenzentrierte Versorgung, die in der Hausarztpraxis direkt angewendet werden. Eine digitale Lernplattform unterstützt den Austausch und das individuelle Lernen. Der Lernerfolg wird wissenschaftlich in einer Studie evaluiert, zusätzlich werden Studierende aktiv an der Entwicklung der Lehrmaterialien beteiligt. Das internationales Advisory Board begleitet das Projekt und die spätere Verbreitung des Programms. Digital.Pulse bereitet angehende Ärztinnen und Ärzte gezielt auf die digitale Zukunft der hausärztlichen Versorgung vor.
Über die Förderung
Die weiteren 145 Projekte, die im Rahmen der Initiative Freiraum gefördert werden, stammen von über 90 verschiedenen Universitäten und Hochschulen und umfassen überwiegend die Bereiche Ingenieurwissenschaften, Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften sowie Mathematik/ Naturwissenschaften. Insgesamt wurden 33 Prozent aller eingereichten Anträge positiv beschieden.
Die 2020 gegründete Stiftung Innovation in der Hochschullehre hat mit bis zu 150 Millionen Euro Fördergeld im Jahr das Ziel, qualitativ hochwertige und international wettbewerbsfähige Lehre an deutschen Hochschulen zu stärken. Darunter fällt auch das 2022 konzipierte Projekt Freiraum, das mit insgesamt 50 Millionen Euro Fördergeld im Jahr Projekte fördert, die durch Kreativität und Innovation in der Hochschullehre überzeugen, Lehrveranstaltungen neu konzipieren, und Veränderung anstreben.