Die Hertz-Professur “Innovation for Planetary Health” integriert verschiedene Konzepte, um den Zielen für Nachhaltige Entwicklung näher zu kommen. “Aus der Klima- und Gesundheitsforschung sind transdisziplinäre Ansätze nicht mehr wegzudenken”, sagt Prof. Dr. Ina Danquah, die Anfang Oktober ihre Arbeit im Transdisziplinären Forschungsbereich “Sustainable Futures” an der Universität Bonn aufgenommen hat. Planetary Health beschreibt ein ganzheitliches Konzept, das die Abhängigkeiten zwischen einer gesunden Umwelt, der menschlichen Gesundheit und der Gesundheit aller Lebewesen auf unserem Planeten berücksichtigt. “Auch partizipative Elemente für alle beteiligten Gruppen gehören zu wirksamen und akzeptablen Anpassungsstrategien gegen die Folgen des Klimawandels”, ist die Wissenschaftlerin überzeugt.
„Die Berufung international renommierter Persönlichkeiten ist ein Kern unserer Exzellenzstrategie. Die Hertz-Chairs treiben die disziplinenübergreifende Forschung zu großen Herausforderungen unserer Zeit voran, zu denen das Megathema Planetary Health zählt“, sagt der Rektor der Universität Bonn, Prof. Dr. Dr. h.c. Michael Hoch. „Daher freue ich mich außerordentlich, dass wir mit Ina Danquah eine exzellent ausgewiesene Wissenschaftlerin für die ganze Breite dieses Feldes für uns gewinnen konnten. Es ist ein Glücksfall, dass sie nicht nur in der TRA Sustainable Futures wesentliche Beiträge leisten wird, sondern auch das Direktorium unseres ZEF verstärkt, einem der führenden Think Tanks weltweit am UN-Standort Bonn.“
Seit rund zehn Jahren erforscht die neue Hertz-Professorin das Ernährungsverhalten und den Zusammenhang mit Erkrankungen im südlich der Sahara gelegenen Afrika. “In meiner Arbeit als Ernährungsepidemiologin konnte ich beobachten, dass ländliche Bevölkerungen in Sub-Sahara-Afrika noch immer von Unterernährung und Infektionskrankheiten geplagt sind”, berichtet Ina Danquah. Frauen im gebärfähigen Alter und Kinder unter fünf Jahren seien besonders anfällig. Gleichzeitig sei dort in den Städten zu beobachten, dass die Anzahl der Personen mit Übergewicht und chronischen Krankheiten stark zugenommen hat und weiterhin zunehmen wird.
Ina Danquah: “Diese Probleme hängen stark mit der Klimakrise zusammen.” Ernteausfälle führen zum Verlust essentieller Nährstoffe in den Hauptnahrungspflanzen. Dadurch verstärken sie das Problem der Unterernährung. Gleichzeitig tragen modernisierte Ernährungsweisen mit hohen Anteilen tierischer und hoch-prozessierter Lebensmittel zur Belastung der planetaren Systeme bei. Diese Ernährungsweisen seien nicht nur ungesund, sondern auch verbunden mit höheren Treibhausgasemissionen, mehr Wasserverbrauch und Landnutzung, stärkerer Stickstoff- und Phosphateinbringung sowie Biodiversitätsverlust. “Ich möchte einen Beitrag dazu leisten, Wohlstand, Gesundheit und das planetare Gleichgewicht in Einklang zu bringen, damit unsere Folgegenerationen ein erfülltes Leben auf einem gesunden Planeten verbringen können”, sagt die Wissenschaftlerin.
Als Hertz-Professorin „Innovation for Planetary Health” plant sie eine Langzeitbeobachtungsstudie in Sub-Sahara-Afrika zum Zusammenwirken von Klimawandel und Gesundheit. Außerdem möchte die Wissenschaftlerin, die in den vergangenen Jahren beim Heidelberger Institut für Global Health (HGIH) arbeitete, an der Universität Bonn ein globales Netzwerk von Interventionsstudien zur Klimawandel-Anpassung und zum Klimaschutz aufbauen. Die Projekte sollen hauptsächlich in Ghana, Burkina Faso und Kenia sowie in Europa durchgeführt werden. “Die Universität Bonn bietet hervorragende Voraussetzungen, um die großen Herausforderungen im Bereich Klimawandel und Gesundheit interdisziplinär zu meistern”, sagt Ina Danquah. Auch die Stadt und die Region gefallen der dreifachen Mutter sehr gut: “Bonn ist geschichtsträchtig, multi-kulturell und weltoffen, kulinarisch vielfältig und gut geeignet für ausgedehnte Läufe am Rheinufer.”
Zur Person:
Ina Danquah, geboren 1982 in Potsdam, studierte Ernährungswissenschaft an der Universität Potsdam und der University of Ghana in Accra. Nach ihrer Promotion an der Charité – Universitätsmedizin Berlin und der Kwame Nkrumah University of Science and Technology in Kumasi (Ghana), absolvierte sie einen Master in Epidemiologie an der University of London und habilitierte sich anschließend in Epidemiologie und Public Health an der Charité. 2019 wechselte sie als Forschungsgruppenleiterin “Climate Change, Nutrition and Health” an das Heidelberger Institut für Global Health (HGIH) der Universität Heidelberg, wo sie 2020 einen Ruf auf eine W1-Professur “Research into the Sustainable Use of Natural Resources” annahm. Ina Danquah hat seit Oktober die Hertz-Professur “Innovation for Planetary Health” inne und ist Mitglied des dreiköpfigen Direktoriums am Zentrum für Entwicklungsforschung (ZEF) der Universität Bonn. Die Wissenschaftlerin erhielt mehrere Auszeichnungen, darunter die Robert Bosch Juniorprofessur 2019, den African Achievement Award der African German Network Association und den Ernst Reuter Dissertationspreis der Freien Universität Berlin.
„Das große Ganze“
Ina Danquah ist neue Hertz-Professorin mit dem Schwerpunkt „Innovation for Planetary Health“. Die Wissenschaftlerin vereint Expertise in Ernährungswissenschaft, Global Health und Epidemiologie. Im Transdisziplinären Forschungsbereich „Sustainable Futures“ und im Direktorium am Zentrum für Entwicklungsforschung (ZEF) der Universität Bonn beforscht sie ein ganzheitliches Konzept, das die Gesundheit der Umwelt, der Menschen und aller Lebewesen auf unserem Planeten in den Blick nimmt. Sie arbeitete zuvor am Universitätsklinikum Heidelberg. Noch lebt sie mit ihrer Familie in Stuttgart und pendelt nach Bonn. Sie freut sich aber darauf, bald an den Rhein zu ziehen. Mit ihr sprach Johannes Seiler.
Was gefällt Ihnen in Bonn?
Mich fasziniert, dass es so viele Fahrradstraßen gibt. Ich freue mich drauf, sie auszuprobieren. Mir gefällt auch das historische Flair der früheren Bundeshauptstadt. Mein Team in Heidelberg hat mir ein Buch geschenkt mit 111 Orten, die man in Bonn gesehen haben muss. Und da werde ich jetzt mal einiges ausprobieren. Auch meine Kinder freuen sich: Sie haben mich gebeten, ihnen etwas aus dem bekannten Süßigkeitenladen mitzubringen.
Was sind Ihre ersten Eindrücke von der Universität Bonn?
Das ganze Berufungsverfahren fand ich sehr professionell. Es gab immer Ansprechpartner und es wurde sehr freundlich und zeitnah reagiert. Mir gefällt die warmherzige Willkommens-Stimmung. Und ich freue mich jetzt einfach darauf, in Bonn loslegen zu können.
Wo haben Sie Ihre besten Ideen?
Ich gehe gerne laufen – dabei sind meine Gedanken im Fluss. Auch während des Wochenendes am Rand des Fußballfelds, wenn ich meinen Söhnen ganz entspannt beim Spiel zuschaue und mich daran erfreue, fällt mir häufiger eine Lösung für ein Problem ein, an dem ich schon länger knobele. Und natürlich im Gespräch mit Kolleginnen und Kollegen, häufig an der Kaffeemaschine, da springt der Funke über.
Wenn Sie für das Fach Ernährungsepidemiologie bei Studierenden werben sollten, wie würden Sie das machen?
Ernährungsepidemiologie vereint viele Bereiche, die es in der Gesundheitsforschung gibt: unter anderem Medizin, Naturwissenschaften, Mathematik und Physiologie. Besonders spannend finde ich, dass man nicht einzelne Personen untersucht, sondern ganze Bevölkerungsgruppen betrachtet. Die Epidemiologie versucht, das große Ganze zu sehen. Ihre Erkenntnisse liefern die Grundlage für eine erfolgreiche Gesundheitsversorgung und sind daher für die ganze Gesellschaft von Bedeutung.
Sie haben Ernährungswissenschaft an der Universität Potsdam und an der University of Ghana in Accra studiert. Wie kamen Sie darauf, einen Teil Ihres Studiums dort zu absolvieren?
Ich habe mich schon früh dafür entschieden, ein Auslandssemester im Globalen Süden zu absolvieren, weil die Herausforderungen im Ernährungsbereich vermeintlich andere sind als in Europa, aber auch aufgrund familiärer Beziehungen. In Ghana hatte ich schon in einem Austauschprogramm für Jugendliche gearbeitet, deshalb habe ich mich an der Universität in Accra beworben. Mit einem Stipendium konnte ich dort ein Semester Ernährungswissenschaft studieren.
Gab es Unterschiede in den Lehrinhalten zwischen Potsdam und Accra?
Die Fächer und die Inhalte waren teilweise schon verschieden. So etwas wie Lebensmittel-Marketing gab es an der Universität Potsdam nicht, in Accra schon. Dort habe ich auch meine erste Epidemiologie-Vorlesung gehört und der Funke hat gezündet. Später in Potsdam habe ich mich weiter dafür interessiert. Außerdem habe ich einen Teil meiner Promotion in Ghana absolviert. An diesem Land hängt mein Herz – es ist meine zweite Heimat.
Sie haben dann noch Ihren Master in Epidemiologie an der University of London absolviert. Alle diese Erfahrungen helfen Ihnen bei der Forschung im Transdisziplinären Forschungsbereich „Sustainable Futures“. Wie werden Sie hier transdisziplinär arbeiten?
Vor einigen Jahren habe ich begonnen, über die Ernährungsepidemiologie hinaus mich mit Umweltthemen zu befassen, die schließlich den Rahmen vorgeben. Eines der drängendsten Themen unserer Zeit ist der Klimawandel. Er ist eine weitere wichtige Säule meiner Forschungsarbeit, die ich an der Universität Bonn weiter intensivieren möchte. Dies geht nur in einem transdisziplinären Team mit Expertise aus der Geografie, Meteorologie, Geologie, Hydrologie, Mathematik und vieles mehr. Nur gemeinsam können wir es schaffen, Strategien zu entwickeln, wie wir uns an den schon bestehenden Klimawandel und dessen Folgen für unsere Ernährung und Gesundheit anpassen können. Darüber hinaus geht es darum, wie wir mit unserem Verhalten zu einem aktiven Klimaschutz bei gleichzeitigem gesundheitlichen Nutzen kommen können.
Ihre Forschung zeigt eine auf den ersten Blick überraschende Erkenntnis: In Sub-Sahara-Afrika hungert die Bevölkerung häufig auf dem Land, während in der Stadt vermehrt typische Zivilisationskrankheiten in Folge von Übergewicht auftreten. Wie kommt dieser Gegensatz zustande?
In der Stadt gibt es scheinbar einen Überfluss. Die erwachsene Bevölkerung dort nimmt eine sehr energiereiche Kost zu sich, aber viel zu wenig Mikronährstoffe, Vitamine und Spurenelemente. Das liegt an mangelnden Kenntnissen über gesunde Ernährung. Aber auch daran, dass Lebensmittel mit hoher Energiedichte häufig billiger sind als frisches Obst und Gemüse. Auf dem Land sehen wir dagegen immer noch Unterernährung, weil dort die Bevölkerung häufig darauf angewiesen ist, was sie selbst anbaut. Wenn da die Ernten als Folge des Klimawandels wegbrechen, wird die Versorgung immer schlechter. Auch steigende Lebensmittelpreise durch den Ukraine-Krieg und andere Krisen verschärfen hier noch die Lage.
Sie wollen dazu beitragen, Wohlstand, Gesundheit und das planetare Gleichgewicht in Einklang zu bringen, damit auch unsere Kinder gut leben können. Wie sieht dieser Beitrag aus?
Im Globalen Süden vollzieht sich gerade eine rasche ökonomische Entwicklung. Und zu Recht möchten diese Länder am wirtschaftlichen Wohlstand partizipieren. Dagegen propagiert der Norden Verzicht mit Blick auf Ressourcenverbrauch und Klimawandel. Diese Rechnung kann langfristig nicht aufgehen. Hier handelt es sich um den wichtigsten Konflikt und das wichtigste Potenzial gleichzeitig. Es geht darum zusammenzuarbeiten, damit Klimaschutz und Wohlstand gemeinsam möglich werden.
Haben Sie ein Beispiel, wie diese Kooperation aussehen könnte?
Nehmen wir die zunehmenden Hitzewellen als Beispiel. Wenn sich die Hälfte der Welt mit Klimaanlagen eindeckt, verschlimmern wir den Treibhauseffekt, weil dies noch viel mehr Energie benötigt und weitere Emissionen verursacht. Wir brauchen deshalb andere technologische Lösungen und Verhaltensänderungen. Der mediterrane Lebensstil könnte hier für Mitteleuropa ein Vorbild werden: Während der zwei heißesten Stunden am Tag Siesta halten und die Aktivitäten in die Morgen- oder Abendstunden verlagern. Doch das bedeutet, Änderungen in Betreuungs-, Bildungs- und Arbeitssystemen, die auch politisch getragen werden müssen.
Sie haben drei Söhne im Alter von 18, 15 und 9 Jahren. Wie haben Sie Kinder und Karriere unter einen Hut bekommen?
Mir hat ein starkes familiäres Umfeld dabei geholfen: in erster Linie mein Partner, aber auch meine Eltern, die mich stark unterstützt haben, als die Kinder noch sehr klein waren. Wichtig sind auch flexiblere Arbeitszeiten und Arbeitsorte. Die Erfahrungen aus der Corona-Pandemie zeigen, dass wir auch von zu Hause oder von unterwegs gut arbeiten können. Für mich ist die Frage wichtig: Welche Dinge muss ich wirklich selber tun, damit Familienleben und Karriere funktionieren? Wenn die Kinder zum Fußballtraining gebracht werden müssen, kann man sich vielleicht mit den Nachbarn abwechseln. Lebensmittel kann man sich liefern lassen und die Wohnung muss nicht immer blitzen. Dann bleibt mehr Zeit für die Familie und für das nächste wissenschaftliche Paper.
Wie schalten Sie am besten ab?
Noch lebe ich in Stuttgart und gehe dort gerne im Wald laufen. Ich bin in Potsdam geboren und im Havelland aufgewachsen, wo jedes kleine Dorf einen See oder ein Flüsschen hat. Das vermisse ich schon. Deswegen freue ich mich auf das Joggen am Rheinufer in Bonn.