Ein Zehntel Lichtjahre von dem supermassereichen Schwarzen Loch SgrA* entfernt gibt es sehr massereiche Sterne, sogenannte „O-Typen“. Sie wiegen mehr als zwanzig Sonnenmassen und sind mehr als zehn Mal so groß wie unsere Sonne. Ihre Lebenszeit beschränkt sich auf fünf Millionen Jahre. Neben den O-Typ-Sternen finden sich dort auch B-Typ-Sterne. Diese sind nur wenige Male schwerer als unsere Sonne und können viel länger leben. Geht man näher an SgrA* heran, findet man jedoch nur noch kleinere Sterne vom B-Typ, die jünger als 50 Millionen Jahre sind – und keine Sterne vom O-Typ mehr. Warum sich die Sternenpopulation mit der Entfernung vom zentralen supermassiven Schwarzen Loch verändert, war für Astronomen jahrzehntelang ein Rätsel. Genauso wie die Frage, warum Astronomen weit entfernt vom Zentrum unserer Galaxie – und damit von SGrA* – 200 Millionen Jahre alte hyperschnelle Sterne vom B-Typ gefunden haben, die sich mit vielen hundert Kilometern pro Sekunde von ihm entfernen. Solche alten Sterne vom Typ B sind in der Nähe von SgrA* nicht zu sehen, müssten aber nach wie vor dort sein, wenn einige von ihnen durch den sogenannten Hills Mechanismus vor 100 bis 200 Millionen Jahren herausgeschossen wurden.
Zehntausende Schwarze Löcher zerstören Sterne
Diesen Fragen sind die Astronomen um Dr. Jaroslav Haas, Erstautor der Studie vom Astronomischen Institut der Karls-Universität in Prag, nun nachgegangen. Mitautor Prof. Dr. Pavel Kroupa vom Helmholtz-Institut für Strahlen- und Kernphysik der Universität Bonn erklärt: „Wir konnten zeigen, dass die Lösung in einer versteckten Population von etwa zehntausend kleineren Schwarzen Löchern liegt, die sich um das zentrale supermassereiche Schwarze Loch herum aufhalten.“ Diese Schwarzen Löcher können nicht direkt beobachtet werden, da sie die „dunklen Leichen“ früherer sehr schwerer Sterne sind und mit einer Geschwindigkeit von tausend Kilometern pro Sekunde um SgrA* kreisen. „Aufregend dabei ist, dass diese Schwarzen Löcher noch aus der Geburt von SgrA*stammen könnten.“
Das Team hat berechnet, dass diese Schwarzen Löcher mit den schweren, großen O-Sternen kollidieren und sie dadurch innerhalb weniger Millionen Jahre zerstören; die kleineren B-Sterne hingegen erleiden durch ihre geringere Größe weniger Kollisionen und überleben daher deutlich länger bleiben unberührt, bis diese nach 50 Millionen Jahren auch zerstört werden. „Das erklärt, warum die schweren Sterne vom Typ O in Entfernungen von weniger als einem Zehntel Lichtjahr von SgrA* fehlen und dort nur B-Sterne überleben“, sagt Jaroslav Haas. Allerdings zeigen die Berechnungen auch, dass auch die B-Sterne keine 200 Millionen Jahre überleben können. Deswegen sehen wir die „Geschwister“ der hyperschnellen 200 Millionen Jahren Sterne nicht mehr im Galaktischen Zentrum.
„Diese Ergebnisse geben uns ein völlig neues Verständnis der unmittelbaren Umgebung des zentralen supermassiven Schwarzen Lochs“, meint Pavel Kroupa. Und Jaroslav Haas ergänzt: „Wir können sogar abschätzen, wie sich die Anzahl der Schwarzen Löcher mit der Entfernung vom zentralen supermassiven Schwarzen Loch verändert. Und wir haben herausgefunden, dass diese Anzahl mit zunehmender Entfernung zunehmen muss, ein Maximum erreicht und dann wieder abnimmt.“
„Dieses Dichteprofil ist ein Ergebnis der komplizierten dynamischen Prozesse in der Nähe des zentralen supermassiven Schwarzen Lochs“, sagt Mitautor Ladislav Šubr von der Karls-Universität: Unsere Ergebnisse werden es uns ermöglichen, neue Computersimulationen durchzuführen, um dieses extreme System von schwarzen Löchern und Sternen besser zu verstehen.“
Myank Singhal, Doktorand an der Karls-Universität, freut sich über die Ergebnisse: „Das ist extrem aufregend und wird es mir ermöglichen, neue Berechnungen anzustellen, die uns helfen werden, dieses gewaltige Rudel von Tausenden von Schwarzen Löchern im Zentrum unserer Galaxie zu verstehen.“
Die Autoren nennen den Haufen tausender Schwarzer Löcher im galaktischen Zentrum den „Star Grinder“, zu Deutsch „Sternenmahler“, weil die Schwarzen Löcher durch die Kollisionen Sterne zerstören. Einige solcher Kollisionen könnten bereits durch die Staubwolken beobachtet worden sein, die sich in unmittelbarer Nähe von SgrA* befinden. „Die Population von Tausenden von Schwarzen Löchern führt unweigerlich zu vielen faszinierenden neuen Effekten, die im Zentrum unserer Galaxie beobachtet und untersucht werden können, wie etwa das helle Aufflackern von sonst unsichtbaren Hintergrundsternen, wenn Schwarze Löcher an ihnen vorbeiziehen“, schließt Jaroslav Haas.