Karl Neumeyer war ein bedeutender Jurist - und gehörte wie seine Frau Anna, geb. Hirschhorn, zur jüdischen Gemeinde. Seinen Lehrstuhl an der Universität München verlor er daher bald nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten. Die Arbeit an seinem größten und bekanntesten Werk, dem „Internationalen Verwaltungsrecht“, setzte er fort und vollendete sie 1936. Auch zunehmender Verfolgungsdruck konnte Anna und Karl Neumeyer nicht dazu bewegen, aus Deutschland zu fliehen und eine neue Heimat zu suchen. Als sie im Juli 1941 ihr Haus verlieren und ghettoisiert werden sollten, entschieden sie sich, ihrem Leben ein Ende zu setzen.
Wertvolle Fachbibliothek
Karl Neumeyer besaß eine wertvolle Fachbibliothek. Diese beschlagnahmte das NS-Regime. Eine Quelle besagt, dass die Bibliothek am 12. August 1941 versteigert werden sollte. Ob die Versteigerung tatsächlich stattgefunden hat und damit die Bibliothek zerstreut wurde, ist jedoch unklar. Denn in den 50-er Jahren und bis in die 60-er Jahre hinein verkaufte die Münchener juristische Fachbuchhandlung Blendl eine große Zahl von Büchern aus dem Bestand der Bibliothek Neumeyers. Neben anderen Universitätsbibliotheken erwarben auch mehrere Bibliotheken des Bonner juristischen Fachbereichs Bücher aus der Neumeyer-Bibliothek, insgesamt 35 Bände, darunter 25 Zeitschriftenbände. Niemand scheint seinerzeit an der Herkunft der Bücher, die durch einen Namensstempel Karl Neumeyers leicht zu erkennen war, Anstoß genommen zu haben. Die Existenz der Bücher blieb Neumeyers Söhnen offenbar verborgen, als sie nach dem Krieg ein Wiedergutmachungsverfahren betrieben. Für den Verlust der Bibliothek wurde eine Geldentschädigung festgesetzt.
Nachdem auch in Bonn die Provenienz der Bücher aufgefallen war, erwies sich der Nutzen der Lost Art-Datenbank des Deutschen Zentrums Kulturgutverluste: Dort war die Restitution mehrerer Silbergegenstände dokumentiert, die Anna und Karl Neumeyer abgepresst worden und ins Bayerische Nationalmuseum gelangt waren. Der mit diesem Fall befasste Provenienzforscher, Dr. Matthias Weniger, hatte den Kontakt zu dem heutigen Rechtsnachfolger Karl Neumeyers, seinem Enkel Peter Florian Neumeyer, aufrechterhalten und konnte ihm von dem Fund der Bücher in Bonn berichten.
Handschriftliche Notizen erinnern an den Großvater
Der 1929 geborene Peter Neumeyer hat seinen Großvater noch intensiv erlebt. Er blieb zunächst bei seinen Großeltern zurück, als seine Eltern in die USA gingen, um dort eine neue Existenz zu gründen. Peter Neumeyer entschied nun mit Rücksicht auf die bereits geleistete Entschädigung, dass die Bücher an ihrem jetzigen Ort bleiben sollten, und äußerte lediglich den Wunsch nach einem Erinnerungsstück aus der Bibliothek seines Großvaters. Als solches bot sich ein zweibändiges Werk über ausländisches Strafrecht an, in dem Karl Neumeyer handschriftlich notiert hat, wo neuere Informationen zum Thema zu finden waren. Dies geschah möglicherweise während seiner Mitarbeit an dem ungleich größeren Nachfolgewerk, die insofern bemerkenswert ist, als er an diesem Gemeinschaftswerk der Koryphäen der deutschen Strafrechtswissenschaft beteiligt wurde, als er noch Privatdozent war.
Die Fachbereichsleitung und der Kanzler der Universität Bonn stimmten ohne Zögern der Abgabe des Werkes zu. Und noch einmal machte sich Dr. Weniger in dieser Sache sehr verdient: Er nahm die beiden schweren Bände mit auf seine Reise in die USA, wo er sie persönlich an Peter Neumeyer übergeben konnte.