10. Juni 2021

„Ich möchte Wissen weitergeben“ Bolanle Fatimat Olabiyi hat eine Leidenschaft für die Neurowissenschaften

Bolanle Fatimat Olabiyi hat eine Leidenschaft für die Neurowissenschaften

Welchen Einfluss haben körpereigene Cannabinoide auf neurodegenerative Krankheiten? Dieser Frage geht Bolanle Fatimat Olabiyi in ihrer Doktorarbeit am Exzellenzcluster ImmunoSensation2 nach. Ihr großes Ziel für die Zukunft: in ihrem Heimatland Nigeria die Forschung weiter zu beflügeln. Ein Artikel aus der forsch 2021/01.

Bolanle Fatimat Olybiyi (1)
Bolanle Fatimat Olybiyi (1) - Bolanle Fatimat Olybiyi in der Eingangshalle des „Life&Brain“-Gebäudes am Universitätsklinikum. © V. Lannert
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Bolanle Fatimat Olabiyi liebt es, anderen von ihrer Forschung zu erzählen. Die Biologin nimmt ihre Zuhörer:innen mit auf eine Reise in den Körper bis in eine Zelle hinein, denkt sich Metaphern aus, um komplexe Zusammenhänge darzustellen. Ihre Sätze sind strukturiert, man merkt ihr die Begeisterung für ihre Forschung an – die Untersuchung des sogenannten Endocannabinoid-Systems.

Cannabis? Also die Untersuchung von Marihuana? „Nein, nicht direkt“, entgegnet sie geduldig, denn die Frage hört sie immer wieder. „Wir untersuchen das System in unserem Körper, auf das die Substanz THC wirkt – der Bestandteil von Hanf, der hauptsächlich für die berauschende Wirkung verantwortlich ist. Dieses System nennen wir Endocannabinoid-System.“ Es ist in vielen Organen im Körper vorhanden und wichtig für deren ordnungsgemäße Funktion. „Das betrifft die Haut und Knochen, das Immunsystem, den Energiestoffwechsel und sogar das Gehirn. Wie sehr es dort Einfluss auf dessen Funktion nehmen kann, sieht man anhand der berauschenden Wirkung von Marihuana.“

Akademische Laufbahn im Blick

Ihre Faszination für die Neurowissenschaften war es, die Bolanle Fatimat Olabiyi vor gut eineinhalb Jahren nach Bonn kommen ließ – ausgewählt für das Doktorand:innen-Programm des Exzellenzclusters ImmunoSensation2. Qualifiziert hatte sie sich durch zwei erfolgreich abgeschlossene Masterstudiengänge in Biochemie und Neurobiologie in Nigeria, ihrem Heimatland, und in Lleida, Spanien. Jetzt ist das Institut für Molekulare Psychiatrie auf dem Venusberg ihr zweites Zuhause. Auf der Dachterrasse des Gebäudes, ihrem Lieblingsplatz, blickt sie über die Stadt und erzählt von ihrem großen Ziel.

„Ich möchte eine akademische Karriere machen und später in Nigeria als Wissenschaftlerin und Dozentin arbeiten“, sagt sie entschlossen. „Leider gibt es noch große Unterschiede zwischen den infrastrukturellen Voraussetzungen an afrikanischen und europäischen Universitäten.“

In nigerianischen Instituten fehle es an moderner Ausstattung und technischen Möglichkeiten, teilweise sogar an Basis-Chemikalien.
Ihr großer Wunsch:

„Ich möchte mein im Ausland erworbenes Wissen nutzen und weitergeben, um daran etwas zu ändern.“

In ihrer siebenköpfigen Familie ist Bolanle Fatimat Olabiyi bisher die Einzige, die sich für den Schritt ins Ausland entschieden hat – als einzige Tochter neben vier Söhnen. „Das ist eher ungewöhnlich für eine nigerianische Familie“, erzählt sie. Dass sie ein Talent für die Natur- und Lebenswissenschaften hat, merkte sie allerdings schon in der Schule. Anders als vielen ihrer Mitschüler:innen fiel es ihr leicht, biologische oder chemische Zusammenhänge zu verstehen. „Meine Neugier war geweckt, ich eignete mir mehr und mehr Wissen über diese Themen an.“

Engagement nicht nur im Labor

Jahre später erforscht die 29-Jährige nun an der Uni Bonn, welche Rolle der Endocannabinoid-bindende „CB2-Rezeptor“ bei der Aktivierung von Immunzellen des Gehirns hat, den Mikroglia. Die Zellen spielen auch bei Entzündungen im Gehirn eine Rolle, zum Beispiel bei der Alzheimer-Erkrankung. Es ist jedoch noch weitestgehend unklar, wie der auf der Zelloberfläche sitzende Rezeptor dazu beiträgt, Entzündungsreaktionen bei derartigen Krankheiten zu steuern. Um mehr über die molekularen Mechanismen herauszufinden, untersucht Olabiyi in Zellkulturen, wie er mit einer anderen Rezeptorfamilie auf den Mikroglia zusammenspielt, den sogenannten TLR-Rezeptoren. Diese Rezeptoren tragen dazu bei, die angeborene Immunantwort zu aktivieren. „Wenn wir mehr über die Vorgänge im Endocannabinoid-System herausfinden, kann das zum Beispiel irgendwann für die Entwicklung von Medikamenten gegen neurodegenerative Erkrankungen relevant sein“, betont sie.

Um die Kooperation zwischen ihrer Heimat-Universität, der Osun State University in Nigeria, und der Universität Bonn zu fördern, organisierte sie Ende des vergangenen Jahres bereits einen gemeinsamen digitalen Workshop zur Geschichte der Cannabis-Forschung. „Mein großer Wunsch ist, dass wir nach dem Ende der Corona-Pandemie weitere Kooperationen starten können, um praktische Fähigkeiten zu fördern“, sagt Olabiyi.

Sie möchte dabei auch ein Vorbild für die jüngere Generation sein und mit ihrer Geschichte Mut machen. Sie ist sich sicher:

„Wenn sich Leute für meinen Weg interessieren, wird das auch unsere Forschungsfragen in den Blick rücken und andere dazu motivieren, ebenfalls Wissenschaftler:in zu werden.“

Bolanle Fatimat Olybiyi (2)
Bolanle Fatimat Olybiyi (2) - Bolanle Fatimat Olabiyi untersucht in ihrer Doktorarbeit, welchen Einfluss körpereigene Cannabinoide auf neurodegenerative Krankheiten haben können. © V. Lannert
Florian Brandl
Florian Brandl - Dr. Florian Brandl hat am 1. April die erste Argelander-Professur in den Transdisziplinären Forschungsbereichen (TRA) angetreten. © Christian Bleicher Fotowelt

Bolanle Fatimat Olabiyi ist Mitglied der Bonn International Graduate School (BIGS) - Immunosciences and Infection. Die Graduiertenschule der Universität Bonn wurde im Rahmen des Exzellenzclusters ImmunoSensation2 gegründet und beinhaltet ein strukturiertes dreijähriges Curriculum. Zum Programm gehört eine monatliche Seminarreihe mit Gastredner:innen, die aktuelle Forschungsgebiete und Technologien vorstellen. Darüber hinaus haben die Promovierenden in Methodenworkshops die Möglichkeit, neueste technologische Entwicklungen in den Lebenswissenschaften kennenzulernen. Hinzu kommen Seminare zur guten wissenschaftlichen Praxis, Statistik und Datenpräsentation sowie dem wissenschaftlichen Schreiben. Neben dem Kursangebot haben die Promovierenden auch die Möglichkeit, sich in regelmäßigen Netzwerktreffen auszutauschen, Kontakte zu knüpfen und Kooperationen aufzubauen.

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