Die Waldgebiete Brasiliens beherbergen die größte Biodiversität sowie die größten Kohlenstoffspeicher weltweit. Doch der Druck, Platz für landwirtschaftliche Flächen zu schaffen, ist immens und führt zur extensiven Abholzung. Landrechte legen fest, wie und durch wen Land genutzt werden kann. Daher können Veränderungen dieser Rechte, etwa eine Privatisierung oder auch die Schaffung von Schutzgebieten, direkte Auswirkungen auf die Wälder haben.
Forschende von iDiv und der Universität Leipzig haben nun Daten zu 33 Jahren (1985-2018) landwirtschaftlich bedingter Abholzung in Brasilien untersucht. Anhand von Grundstücksdaten konnten sie verschiedene Verwaltungsformen vergleichen (unbestimmt/ohne Besitzzuschreibung, privat, strenge Schutzgebiete und Reservate mit nachhaltiger Nutzung, sowie Gebiete unter Verwaltung von indigen Völkern oder Quilombolas, Afro-Brasilianischen Gemeinschaften) und entsprechende Schlussfolgerungen über deren Auswirkungen auf die Entwaldung ziehen.
Zunehmende Abholzung in Gebieten ohne konkrete Zuschreibung
Ländereien, die in öffentlicher Hand sind und dabei über schlecht definierte Landrechte verfügen, wiesen im Vergleich zu allen anderen Besitzverhältnissen durchgehend deutlich höhere Abholzungsrate auf. Bei diesen Ländereien sind weder die Eigentumsrechte zugeschrieben, noch ist eine bestimmte Nutzung vorgesehen, doch sie werden mitunter von Siedlern ohne Besitzrechte bewohnt. In Brasilien sind die Landrechte von fast 100 Millionen Hektar Land nicht klar definiert - eine Fläche, fast dreimal so groß wie Deutschland.
„In diesen Ländereien kann die Abholzungsrate aus verschiedenen Gründen hoch sein“, erklärt Erstautorin Andrea Pacheco, die die Forschung am iDiv durchführte und mittlerweile an der Universität Bonn forscht. „Zum Beispiel hat die Regierung schlichtweg unzureichende Kapazitäten, um die Abholzung in diesen Gebieten zu überwachen. Das wiederum kann dazu führen, dass Spekulanten die Wälder auf diesen Flächen roden, um später Ansprüche auf deren Nutzung zu erheben. Ebenso fühlen sich arme Siedler ohne eigenen Landbesitz mitunter gezwungen, solche Ländereien illegal für die Landwirtschaft zu nutzen, weil sie die Preise für einen legalen Erwerb schlichtweg nicht zahlen können.“
„Aus diesen Gründen wäre es gerade bei diesen Ländereien so wichtig, etwas an den Landrechten zu ändern. Unsere Studie zeigt, dass es dabei zunächst einmal egal ist, wie diese Veränderung aussieht – jede Form des Landbesitzes mit klar definierten Rechten und Pflichten würde mit großer Wahrscheinlichkeit zu einem Rückgang der Abholzung beitragen“, fügt Letztautor Dr. Carsten Meyer (iDiv, Universität Leipzig) hinzu.
Privatbesitz kann Abholzung vermindern – aber nur unter strengen Umweltauflagen
„Eine Privatisierung solcher Ländereien ohne definierte Eigentums- oder Nutzungsrechte kann ein sehr effektives Mittel sein, um die Abholzungsrate zu vermindern, aber nur unter bestimmten Bedingungen und wenn sie einhergeht mit strengen Umweltauflagen. Andernfalls kann die Entwaldung sogar zunehmen“, warnt Carsten Meyer. Ein Beispiel für solche Auflagen ist der Forest Code im Amazonas. Landbesitzer müssen dort per Gesetz auf 80 % ihres Landes die heimische Vegetation erhalten.
Durch einen Vergleich über verschiedene Gebiete und zeitliche Epochen mit ganz unterschiedlichen Gegebenheiten zeigte die Studie allerdings, dass sich die Abholzung durch Privatisierung dieser Ländereien nicht so effektiv und zuverlässig verringern lässt, wie durch andere Verwaltungsformen mit, klar definierte Rechten und Pflichten. Die Forschenden konnten zeigen, dass die Abholzungsrate in ganz Brasilien am zuverlässigsten durch Schutzgebiete sowie Reservate mit nachhaltiger Nutzung begrenzt wird.
Die Studie zeigt zudem, dass die Entwaldung in den Ländereien der indigenen Völker und lokalen Gemeinschaften stark von den jeweiligen Gegebenheiten abhängt. Nichtsdestotrotz würde eine Privatisierung dieser Ländereien mit einer höheren Wahrscheinlichkeit zu einer Zunahme der Abholzungsrate führen. „Ein Großteil der verbleibenden tropischen Waldflächen liegen auf indigenen Gebieten. Um Synergien zwischen dem Schutz der Biodiversität und den Interessen dieser Bevölkerungen zu erreichen, ist es daher wichtig, dass Gesetzesentwürfe die lokalen Gegebenheiten berücksichtigen“, so Andrea Pacheco.
Vorgaben für unbestimmte und private Ländereien zwingend nötig
Vor dem Hintergrund der aktuellen politischen Debatte über die Privatisierung von Ländereien in Brasilien und den Schutz tropischer Landschaften kann die vorliegende Studie zu politischen Vorgaben im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung beitragen. Die Ergebnisse zeigen, dass insbesondere bei Ländereien ohne klare Eigentums- und Nutzungsrechte Handlungsbedarf besteht und diese im Fokus einer entsprechenden Gesetzgebung in Brasilien sein sollten. Ein großes Potential liegt zudem in der Schaffung strengerer Umweltauflagen für private Ländereien auch außerhalb Amazoniens, um so die Biodiversität in Regionen wie dem Cerrado oder dem Pantanal zu schützen, wo ein Großteil der verbleibenden Waldbestände Brasiliens in Privatbesitz sind.