Verschiedene Vortragende stellten die aktuellen Herausforderungen interdisziplinärer Umweltforschung im Lichte der Forschungsansätze dar, die von Wilhelm Lauer insbesondere in seiner Zeit als Professor am Geographischen Institut in Bonn (1966-1988) und als ordentliches Mitglied der Mainzer Akademie entwickelt wurden.
Ermöglicht wird die Lauer-Lecture von der Wilhelm-Lauer-Stiftung. Deren Vorsitzender Prof. Dr. Jörg Bendix sagte: „Eine große Herausforderung der nächsten Dekaden ist die Erstellung eines neuen Erdystemmodells, dem ‚digitalen Zwilling‘ der Erde.“ Damit stünde ein hervorragendes globales Werkzeug für Planungen zur nachhaltigen Entwicklung der Erde zur Verfügung. Zuvor müssten jedoch disziplinäre Grenzen überwunden werden. Dabei könne man von Lauer lernen. Er hat zusammen mit Wilhelm Barthlott erstmals einen räumlichen Datensatz zur Phytodiversität der Erde vorgelegt, der als Basis für solche Modelle absolut notwendig ist. Anhand von Gebirgsystemen hat er darüber hinaus schon sehr früh erkannt, dass Übernutzung zu Vegetationszerstörung führt und dem Klima schadet.
In seinem Grußwort unterstrich Rektor Prof. Dr. Dr. h.c. Michael Hoch die hohe Bedeutung des Lehrstuhls von Wilhelm Lauer für die Umweltwandelforschung an der Bonner Universität, und hob gleichzeitig die große Tradition der Professur hervor, die bis auf den ersten Lehrstuhlinhaber Ferdinand von Richthofen (1833-1905) zurückgehe. Der Präsident der Mainzer Akademie, Prof. Dr. Reiner Anderl zollte Anerkennung für das Wirken von Wilhelm Lauer in der Mainzer Akademie, insbesondere für die Gründung der Wilhelm-Lauer Stiftung aus dessen Privatvermögen, um zukünftige Aktivitäten im Bereich der interdisziplinären Umweltforschung zu fördern.
Die aktuelle Forschung in Lauers’ Schwerpunktthemen wurde im Rahmen der Lecture mit vier hochkarätigen Gastredner*innen diskutiert:
Prof. Dr. Holger Kreft (Universität Göttingen) zeigte die Bedeutung der ersten Biodiversitätskarte auf: „Das war der Beginn einer deutlich verfeinerten Analyse, die heute nur durch neue große Datensätze und Methoden der künstlichen Intelligenz ermöglicht wurde.“ In seinem Vortrag zeigte er eindrücklich den großen Fortschritt bei der Erstellung von globaler Biodiversitätsinformation, mahnte aber gleichzeitig die immer noch mangelhafte Kenntnis über die globale Verteilung verschiedener Artengruppen an (z.B. Mikroben), deren Kenntnis zentral notwendig sei, um deren Funktion im Erdsystem zu verstehen und damit auch in Modelle einbauen zu können.
Die Bedeutung von Hochgebirgsökosystemen, einer Forschungsdomaine von Wilhelm Lauer, als Frühwarnsysteme für den globalen Wandel sozial-ökologischer Systeme wurde im Vortrag Prof. Dr. Katrin Böhning-Gaese, Direktorin des Senckenberg Biodiversität und Klima Forschungszentrum sowie Vizepräsidentin der Leibniz-Gemeinschaft, thematisiert. Aufgrund der starken Sensitivität von Gebirgsräumen gegenüber dem Umweltwandel könne man die Interaktion der verschiedenen Komponenten des Erdystems hier besonders gut studieren. Nach ihrer Aussage ist dabei „die nicht nachhaltige Landnutzung derzeit noch der wichtigste Treiber des anhaltenden Biodiversitätsverlustes, der aber in Zukunft mit großer Wahrscheinlichkeit durch den Klimawandel als wichtigstem Treiber abgelöst werden wird.“
Prof. Dr. Julia Pongratz (Geographisches Institut der LMU München), unter anderem Mitglied des wissenschaftlichen Lenkungsausschusses des Weltklimarats (IPCC AR6) und verantwortliche für die Modell-Vergleichsprojekte in den Bereichen Landnutzungsänderung, Kohlenstoffkreislauf und Klimawandel, berichtete über die Bedeutung der Erforschung von Wechselwirkungen zwischen Klima und Landnutzung zum besseren Verständnis des Klimawandels und seiner Folgen. In ihrem Vortrag unterstrich sie die heutige Bedeutung der von Lauer beschriebenen wirtschaftlichen Verflechtungen natürlicher Systeme: „Zwar finden wir die höchsten klimarelevanten Landnutzungsänderungen heute in agrarisch geprägten Staaten wie z.B. Brasilien. Verfolgen wir aber die Ströme der dort produzierten Güter weiter, so stellen wir fest, dass eigentlich der Konsum in den Industriestaaten (USA, China, Europa etc.) als hauptsächliche Abnehmer und Auftraggeber für den negativen Kohlenstoff-Fußabdruck dieser Länder verantwortlich zeichnen.“
Prof. Dr. Ulf Büntgen (Geographisches Institut der Universität Cambridge) bestätigte mit seinem Abschlussvortrag die Bedeutung der historischen Klima- und Umweltforschung, die auch Wilhelm Lauer stets als Pfeiler seiner wissenschaftlichen Arbeiten angesehen hat. Anhand sehr langer globaler Baumringreihen und neuster Isotopenanalytik zeigte er die Beziehung zwischen globaler Klima- und Vegetationsgeschichte auf. Sein Fazit: „Nur durch die Betrachtung zeitlich hochaufgelöster Proxy-Daten, wie wir sie den Baumringen entnehmen können, kann die Dimension des heutigen Umweltwandels richtig eingeordnet werden.“
Alle Vortragenden waren sich einig: Wilhelm Lauer hätte es sehr genossen, den Fortschritt der Umweltforschung durch die neuen technologischen Möglichkeiten mitzuerleben und mitzugestalten. Würde Wilhelm Lauer noch heute aktiv teilhaben, wäre er mit seinem ganzheitlichen Ansatz sicher ein Treiber, die disziplinspezifische Forschung zu bündeln, wie er es auch in verschiedenen von ihm geleiteten Verbundprojekten erfolgreich gezeigt hat. Schon in seiner aktiven Zeit hat er die Beantwortung der großen Fragen der Mensch-Umweltbeziehungen als wissenschaftliche Teamleistung angesehen, die nicht von einzelnen Forschenden alleine geleistet werden könne. In der heutigen Phase des immer schnelleren Wandels von Umwelt und Forschungstechniken ist das eine höchst aktuelle Herangehensweise.