Lukas Pin ist Mitgründer der Corona School, die Bonner Lehramtsstudentin Franziska Beckmann ist eine der Lernbetreuerinnen. Für die Serie „Lebenszeichen“ stellen die beiden ihr Projekt gemeinsam vor. Das Interview führte Ulrike E. Klopp.
Lukas, was machst Du normalerweise – und wie seid Ihr auf die Idee gekommen, die Corona School zu gründen?
Lukas Pin: Ich studiere Mathematik und Volkswirtschaftslehre im Bachelor. Normalerweise hätte ich in der zweiten Prüfungsphase noch Klausuren geschrieben und wäre am 6. April in mein letztes Bachelorsemester gestartet – nun erst am 20. April und online. Ganz Deutschland steht derzeit Kopf. Ich persönlich vermisse, mit meinen Freunden Zeit im Hofgarten oder am Rhein zu verbringen. Aber besonders betroffen sind Familien. Viele Eltern müssen nun ihren eigenen Beruf im Home-Office mit der Versorgung und Unterhaltung ihrer Kinder koordinieren. Ganz wesentlich ist das Erledigen der Schulaufgaben. Vielen Eltern ist es nicht möglich, ihre Kinder auf die Weise zu unterstützen, wie sie es aus der Schule gewohnt sind.
Hier wollten wir helfen und haben zu viert Anfang März die Online-Lernplattform Corona School ins Leben gerufen: Chris, Tobi und ich kennen uns aus dem Mathematikstudium in Bonn, Gero ist aus Berlin. Mittlerweile besteht unser Team aus über 60 Mitgliedern, von denen viele Kommilitonen und gute Freunde aus Bonn sind – und vielen Ehrenamtlichen aus anderen Unistädten. Denn genau das ist ja der online-Vorteil: Unabhängig vom Standort zusammen zu kommen. Über ihre Profile und einen Algorithmus ermitteln wir perfekte Lernpartner. Sie vereinbaren, wie häufig, worüber und wie sie miteinander kommunizieren wollen. Wir laden die Eltern jedoch dazu ein, dem ersten Gespräch beizuwohnen.
Franziska, wie bist Du auf die Corona School aufmerksam geworden?
Franziska Beckmann: Ich studiere im vierten Bachelorsemester Deutsch und katholische Religionslehre auf Lehramt in Bonn. Wie Du warte ich darauf, dass das digitale Semester am 20. April anfängt. Die Corona School habe ich über eine Facebook-Gruppe entdeckt – ich habe mich sehr darüber gefreut, etwas gefunden zu haben, womit ich etwas Sinnvolles zu der momentanen Situation beitragen kann.
Wie ist Deine Registrierung abgelaufen?
Franziska Beckmann: Völlig unkompliziert. Auf der Internetseite der Corona School musste ich ein paar Angaben über mich machen und in welchen Fächern ich mir vorstellen kann, einen Schüler oder eine Schülerin zu unterstützen. Schon am nächsten Tag hatte ich ein kurzes „Kennenlerngespräch” mit einer Studentin aus dem Team der Corona School. Ich habe meinen Studierendenausweis vorgezeigt, ein paar Fragen zu meiner Person und meiner Motivation beantwortet, und ich konnte meine Fragen bezüglich des Projektes loswerden.
Am Tag darauf bekam ich eine Mail, dass mir ein Schüler in Englisch und Latein zugeteilt wurde und ich wurde aufgefordert, über die Videoplattform ‚jitsi‘ einen ersten Termin zu vereinbaren. Per Videochat habe ich mich mit ihm getroffen und auch seine Eltern kennengelernt. Mein Schüler lebt mit seiner Familie in Gladbeck und er und seine Eltern sind dankbar für die zusätzliche Unterstützung. Wir haben besprochen, wie seine momentane Situation ist, was seine Erwartungen an mich sind und wo er in den beiden Fächern Unterstützung braucht. Seitdem treffen wir uns über Videochat, machen gemeinsam Aufgaben und klären Fragen.
Und wie klappt bei Dir und Deinem Schüler die Zusammenarbeit?
Franziska Beckmann: Sehr gut, und wir haben beide Spaß dabei. Ich gebe schon seit meiner Schulzeit Nachhilfe, online ist das allerdings neu für mich. Nach ein paar anfänglichen technischen Schwierigkeiten haben wir uns inzwischen sehr gut arrangiert und ich bin begeistert, wie viele Möglichkeiten es gibt, unsere Unterrichtsstunden kreativ zu gestalten. Das ist auch für mich eine tolle Chance meinen Horizont zu erweitern und mich mit eLearning auseinanderzusetzen.
Ich mache in meinem Bekanntenkreis fleißig Werbung für die Corona School und konnte auch schon einige Mitstreiter begeistern. Die Corona School ist wirklich ein tolles Projekt und es ist schön zu sehen, wie viele sich dort ehrenamtlich engagieren.
Lukas, wie geht es weiter, wenn die Schulen wieder geöffnet sind?
Lukas Pin: Wir haben die Corona School Anfang März gegründet und sie ist in kürzester Zeit enorm gewachsen: Heute sind über 5.000 Schülerinnen und Schüler und 4.000 Studierende aus ganz Deutschland registriert. Wir hoffen, dass diese Zahlen weiter steigen und wir weiterhin Eltern entlasten und das Lernen erleichtern können. Gerade Studierende können einen Beitrag leisten, da sie oft fachlich spezifischer eingearbeitet sind und außerdem individuell auf „ihre“ Schüler eingehen können – diesen Aspekt bieten beispielsweise Lernvideos nicht.
Es wäre natürlich sensationell, wenn dieser Austausch auch über die jetzige schwere Zeit hinweg bestünde. Gerade für sozial schwache Familien, oder Schüler und Schülerinnen auf dem Land bietet unser kostenloses Projekt eine außerschulische Bildungsunterstützung, die bisher finanziell beziehungsweise logistisch nicht möglich war. Auch das Angebot der Corona School soll wachsen. Wir denken an eine Erweiterung der Kernfächer, so dass auch AGs angeboten werden: Studierende könnten über die Videofunktion in interessante Inhalte des Studiums Einblicke geben und auf diese Weise die berufliche Orientierung der Schülerinnen und Schüler fördern.
Corona School unterstützen
Die Corona School freut sich über alle Fach- und Lehramtsstudierenden, die Teil des Projekts werden wollen und so ein Zeichen des Zusammenhalts setzen. Informationen gibt es unter: www.corona-school.de
Lebenszeichen – Wir bleiben im Gespräch
Unter dem Titel „Lebenszeichen – Wir bleiben im Gespräch!“ veröffentlicht die Universität Bonn Beiträge aus den Reihen ihrer Angehörigen, die unter dem Eindruck der Bekämpfung des Coronavirus und der daraus resultierenden Bedingungen entstanden sind. Sie will damit auch in schwierigen Zeiten den Diskurs aufrechterhalten und die universitäre Gemeinschaft stärken. In loser Folge erscheinen dazu auf dieser Website Beiträge von Universitätsangehörigen, die das Thema aus verschiedenen Blickwinkeln beleuchten, Dialoge in Gang setzen, Tipps und Denkanstöße austauschen wollen. Wer dazu beitragen möchte, wendet sich bitte an das Dezernat für Hochschulkommunikation, kommunikation@uni-bonn.de.