Bei einer Verletzung wird ein kaskadenartig ablaufender Prozess ausgelöst, an dessen Ende die Bildung eines Blutpfropfens, fachsprachlich Thrombus steht. Fibrin verfestigt sich – ausgelöst durch den aktivierten Faktor XIII, der als Enzym die Bildung der dafür notwendigen Querverbindungen katalysiert. Ein angeborener oder erworbener Mangel an diesem Gerinnungsfaktor stört die zur Wundheilung notwendige Fibrinvernetzung und kann zu erheblichen Blutungs-Komplikationen bei Betroffenen führen. „Unsere Aufdeckung der Struktur des Faktors XIII markiert den Höhepunkt einer jahrzehntelangen Forschungsreise zur Entschlüsselung der krankheitsverursachenden Mechanismen auf molekularer Ebene, die mit mischerbigen FXIII-Mutationen bei leichtem Mangel an diesem Gerinnungsfaktor verbunden sind“, sagt Korrespondenzautor PD Dr. Arijit Biswas, Forschungsgruppenleiter am Institut für Experimentelle Hämatologie und Transfusionsmedizin (IHT) des UKB. Der Direktor des IHT und Mitglied im Exzellenzcluster ImmunoSensation2 der Universität Bonn Prof. Dr. Johannes Oldenburg ergänzt: „Die von uns gefundenen strukturellen Erkenntnisse bestätigen die klinischen Auswirkungen dieser Mutationen.“
Heterotetramer bildet eine „kronenartige“ Anordnung
Mit der Kryo-EM lassen sich Proteine im schockgefrosteten Zustand in ihrer natürlichen Umgebung beobachten. Mittels dieser noch relativ jungen Technik kamen die Bonner Forschenden der bisher ungeklärten Struktur des Gerinnungsfaktors XIII auf die Spur, und zwar eines nativen aus menschlichem Blutplasma stammenden heterotetrameren Komplexes in hoher Auflösung von etwa 0,24 Nanometer. Dabei bilden zwei katalytische FXIII-A- und zwei schützende FXIII-B-Untereinheiten einen Komplex mit „kronenartiger“ Anordnung. Die B-Untereinheiten stabilisieren im Blutkreislauf die A-Untereinheiten und vermitteln deren calciumabhängige Aktivierung zum Katalysator der Fibrin-Vernetzung. „Die Struktur liefert uns detaillierte Informationen über die Interaktionsschnittstellen der Faktor XIII-Untereinheiten, da diese im Plasma stark interagieren“, sagt Erstautorin Dr. Sneha Singh, Postdoktorandin der Universität Bonn am IHT des UKB: „Die Klärung der biophysikalischen Struktur eines nativen Gerinnungskomplexes in hoher Auflösung ist einzigartig, da das Protein direkt aus menschlichem Plasma verwendet wurde.“
Chance auf neue Therapien bei Gerinnungsstörung
„Die von uns entschlüsselte Struktur ist die Grundlage für die Erklärung, wie selbst mischerbige Fehlvarianten zur Manifestation von FXIII-Mangel führen, der ansonsten ein seltener, autosomaler, also unabhängig vom Geschlecht vererbter Gerinnungsdefekt ist“, sagt Prof. Oldenburg. Die Studie zeigt auch ein praktisches Beispiel für die Nutzung der neuen strukturellen Informationen auf. So konnten vier neue Mutationen in einem Gen, das für die Faktor XIII-A-Untereinheit kodiert, bei Betroffenen mit schwerem Faktor XIII-Mangel gefunden werden. „Das Verständnis der Struktur des Faktor XIII-Plasmakomplexes ist aber nicht nur für die Identifizierung von Mutationen wichtig, sondern eröffnet neue Wege für therapeutische Entwicklung und könnten die Behandlung von Blutungsstörungen im Zusammenhang mit Faktor XIII in der Zukunft verändern“, so Prof. Oldenburg.