Sandra Speer (Leiterin des Transfer Center enaCom) wies in ihrer Begrüßungsrede darauf hin, dass „der Transfer in Richtung Politik bzw. die Zusammenarbeit mit Politik nicht erst nach Abschluss einer Forschungsarbeit, sondern schon zu Beginn des Forschungsdesigns mitgedacht werden kann, um den Impact hierdurch zu steigern.“ In seinem Einführungsvortrag erklärte Dr. Stefan Brüggemann (Bonner Akademie für Forschung und Lehre praktischer Politik (BAPP) / Institut für wissenschaftliche Politikberatung) den Einfluss von Wissenschaft auf politische Diskurse und zeigte die steigende Relevanz von Politikberatung am Beispiel der Corona-Pandemie auf, während der in den Talkshows mehr Wissenschaftler*innen als Politiker*innen zu Gast gewesen seien.
Herausforderungen für erfolgreiche Politikberatung
In der anschließenden Diskussionsrunde gaben renommierte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Universität Bonn, die im Bereich der Politikberatung tätig sind, praxisnahe Einblicke und hilfreiche Tipps. „Ein besonderes Augenmerk sollte auf dem Aufbau von Vertrauen liegen, denn wissenschaftliche Politikberatung gelingt vor allem gut im Dialog. Auch eine passende visuelle Darstellung der Forschungsergebnisse ist von zentraler Bedeutung, um diese für Entscheidungsträger*innen und die breite Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Wir haben sehr gute Erfahrungen mit interaktiven Datentools gemacht, beispielsweise um die Inhalte der nationalen Klimapläne (NDCs) für das Pariser Klimaabkommen zu analysieren und visuell aufzubereiten (z.B. www.NDC-SDG.info),“ betonte Prof. Dr. Clara Brandi (Professorin für Internationale Wirtschaft/Entwicklungsökonomik und Programmleiterin am German Institute of Development and Sustainability). Prof. Dr. Maximilian Mayer (Junior-Professor für Internationale Beziehungen und globale Technologiepolitik / Center for Advanced Security, Strategic and Integration Studie - CASSIS) unterstrich die Notwendigkeit einer Reduktion der Komplexität von wissenschaftlichen Inhalten für erfolgreiche Politikberatung, die er am Beispiel des Digital Dependency Index illustrierte.
Über Distanz und Objektivität
Prof. Dr. Christiane Woopen (Direktorin des Center for Life Ethics und Hertz-Professorin im Transdisziplinären Forschungsbereich „Individuen, Institutionen und Gesellschaften“) empfahl den Nachwuchswissenschaftler*innen stets ihre Unabhängigkeit zu bewahren. Die wissenschaftliche Beratung der Politik sei wichtig, aber die beiden Systeme Wissenschaft und Politik funktionierten ganz unterschiedlich. Zudem erzählte sie von ihren vielfältigen Erfahrungen in nationalen und internationalen Kommissionen. Ihre Motivation zur Politikberatung sei der „Beitrag zum Gemeinwohl“.
Auch über die Problematik von Objektivität in der Politikberatung wurde rege diskutiert. Prof. Dr. Matin Qaim (Direktor des Zentrums für Entwicklungsforschung und Schlegel-Professor für Ökonomischen und Technologischen Wandel) stellte fest: „Politikberatung ist selten völlig vorurteilsfrei. Der Input einzelner Wissenschaftler*innen ist immer Teil eines größeren gesamtgesellschaftlichen Diskurses. Deswegen haben interdisziplinär zusammengesetzte Expertenpanels in der Politikberatung auch ein höheres Gewicht als einzelne Wissenschaftler*innen.“ Schlussendlich waren sich die Expert*innen einig, dass Politikberatung zwar ein zeitintensives, aber auch sehr zufriedenstellendes Feld ist, in dem man gerade auch in Bonn mit den engen Beziehungen zur UN vor Ort international aktiv werden kann.
Die Runde wurde moderiert von Prof. Dr. David Kaldewey, Direktor der Abteilung Wissenschaftsforschung am Forum Internationale Wissenschaft, der die wissenschaftliche Politikberatung wiederum auch aus seiner Rolle als Forscher intensiv in den Blick nimmt.
Gemeinsamer Austausch und Networking
Im Anschluss an das Panel hatten die Postdocs außerdem Gelegenheit, sich gegenseitig kennenzulernen und im zwanglosen Rahmen Fragen an die Teilnehmer*innen der Podiumsrunde zu stellen. Dazu gab es eine musikalische Darbietung von der Jazzband grammophon.
Beratung für Wissenschaftler*innen
Der Postdoc Day findet jährlich unter Schirmherrschaft des Prorektorates für Forschung und wissenschaftlichen Nachwuchs, Prof. Dr. Andreas Zimmer, zu einem aktuellen Thema statt und wird vom Team der Personalentwicklung organisiert. Der diesjährige Kooperationspartner des Postdoc Days, das Transfer Center enaCom, ist die zentrale Anlaufstelle für Wissenschaftler*innen der Universität Bonn für Fragen rund um Wissenstransfer. Auch Politikberatung spielt dabei eine zunehmende Rolle. Die enaCom Innovation Scouts helfen bei Kollaborationen aus der Wissenschaft mit politischen, gesellschaftlichen und auch industriellen Partner-Institutionen oder Personen. „Der Transfer wissenschaftlicher Erkenntnis in verschiedene politische Ebenen kann über ganz unterschiedliche Wege stattfinden. Genau über diese Wege beraten wir unsere Kolleg*innen aus der Forschung“, sagt Sandra Speer, Leiterin des Transfer Centers enaCom.
Mehr Veranstaltungen zum Thema Politikberatung
Im kommenden Herbst wird es zu dem Thema wissenschaftliche Politikberatung eine weiterführende Reihe aus Vorträgen und einem Workshop mit hohem Praxisanteil geben. Die Daten werden noch bekannt gegeben.