Das Hauptforschungsgebiet von Prof. Lisa Sauermann ist die sogenannte probabilistische Kombinatorik, in der kombinatorische Probleme mit Hilfe von Techniken aus der Wahrscheinlichkeitstheorie untersucht werden. Die Kombinatorik ist eine Teildisziplin der Mathematik, die sich mit diskreten Strukturen beschäftigt. „Man interessiert sich zum Beispiel für die maximal mögliche Anzahl an Mengen oder anderen Objekten unter gewissen Bedingungen”, beschreibt Lisa Sauermann ihr Forschungsgebiet. „Solche Fragestellungen treten in den unterschiedlichsten Zusammenhängen auf. Neben probabilistischen Techniken verwende ich dabei auch Methoden aus der Algebra.” Die Kombinatorik hat zahlreiche Anwendungen innerhalb der Mathematik, aber beispielsweise auch in benachbarten Gebieten wie Kodierungstheorie oder Informatik. Durch den starken Anwendungsbezug ihrer Forschungsdisziplin ist Lisa Sauermann an der Universität Bonn am Institut für Angewandte Mathematik tätig.
Am Exzellenzcluster Hausdorff Center for Mathematics (HCM) der Universität Bonn hat sie den Ruf auf einen der angesehenen Hausdorff Chairs angenommen. Dabei handelt es sich um vom HCM ausgestattete Lehrstühle, mit denen international besonders renommierte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler gewonnen werden sollen. Die Lehrstühle sind auf Lebenszeit vergeben. Aktuelle Inhaberinnen und Inhaber sind Ana Caraiani, Stefan Müller, Sven Rady, Angkana Rüland, Christoph Thiele - und nun auch Lisa Sauermann. Frühere Lehrstuhlinhaber waren Benjamin Schlein, Massimiliano Gubinelli und Peter Scholze, der nun Direktor am Bonner Max-Planck-Institut für Mathematik ist.
Große Erfolge bei der Mathematik-Olympiade
Lisa Sauermann gilt schon seit ihrer frühesten Jugend als riesiges mathematisches Talent. Als Schülerin einer Spezialschule für Mathematik in Dresden nahm sie mehrfach an der Internationalen Mathematik-Olympiade teil und war mit vier Goldmedaillen und einer Silbermedaille die zu diesem Zeitpunkt erfolgreichste Teilnehmerin aller Zeiten. Nach ihrer Schulzeit studierte Lisa Sauermann im Bachelorstudiengang Mathematik an der Universität Bonn und unterrichtete dort auch Schülerinnen und Schüler im Bonner Matheclub. “In meiner eigenen Zeit als Schülerin habe ich Mathematik vor allem als Sport und Spaß wahrgenommen”, sagt Sauermann. ”Meine Begeisterung für Mathematik habe ich immer auch an jüngere Menschen weitergegeben und tue das nach wie vor gerne.”
Karriere in den USA
Nach ihrem Bachelor-Abschluss in Bonn im Jahr 2014 ging Lisa Sauermann an die Stanford University. Dort absolvierte sie ein fünfjähriges Programm, bei dem der Masterstudiengang und die Promotion in Mathematik kombiniert werden. Für ihre Doktorarbeit erhielt sie von der Fachgruppe Diskrete Mathematik der Deutschen Mathematiker-Vereinigung den Richard-Rado-Preis. Nach ihrer Promotion arbeitete Lisa Sauermann an der Stanford University und am Institute for Advanced Study in Princeton, bis sie 2021 als Assistenzprofessorin an das Massachusetts Institute of Technology (MIT) berufen wurde. Im selben Jahr wurde sie mit dem Europäischen Preis für Kombinatorik ausgezeichnet, und 2022 erhielt Lisa Sauermann ein Sloan-Forschungsstipendium. Diesen Herbst wird die 30-jährige Mathematikerin ins Heisenberg-Programm der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) aufgenommen, mit dem herausragende Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler fünf Jahre lang gefördert werden.
Zurück in Bonn
Nach neun Jahren in den Vereinigten Staaten freut sich Lisa Sauermann nun sehr über die Rückkehr nach Bonn. “Die Universität Bonn hat fantastische Arbeitsbedingungen und außergewöhnliche Studierende”, sagt Lisa Sauermann. Auch ihre Familie ist sehr glücklich, in Bonn zu leben. “Meine beiden kleinen Töchter sind ganz begeistert über die vielen Eisdielen in der ganzen Stadt.”
„Die Uni Bonn ist die beste Adresse für Mathematik!“
Die Büro-Regale sind leer, weil der Container mit den Büchern noch auf einem Schiff unterwegs ist. Lisa Sauermann freut sich über das große, helle Büro im Hausdorff Center for Mathematics (HCM) der Universität Bonn. Die 30-Jährige hat seit August am Exzellenzcluster einen renommierten Hausdorff Chair inne, mit dem herausragende Persönlichkeiten aus der Mathematik vom Ausland an die Universität Bonn berufen werden. Mit ihr sprach Johannes Seiler.
Sie waren fast zehn Jahre in den USA, darunter in Stanford, Princeton und Boston. Was hat Sie überzeugt, an die Universität Bonn zu wechseln?
Die Lebensqualität in Deutschland ist viel besser als in den USA, deshalb wollte ich hierher zurück. Wenn man immer das Auto braucht, um etwa zum Supermarkt zu kommen, dann ist das ganz schön lästig. Bonn hat eine super Größe: Die Wege sind kurz und es gibt alles, was ich brauche. Außerdem ist die Stadt schön grün. Das ist auch wichtig für meine Töchter, die jetzt zwei und vier Jahre alt sind. Ich hatte mehrere Optionen in Deutschland. Aber die Universität Bonn ist die beste Adresse für Mathematik und hat das beste Angebot gemacht.
Was ist in Bonn besser als an anderen Universitäten in Deutschland?
Die Mathematik hier ist größer als an anderen Unis, sie hat mehr Ressourcen und auch mehr und bessere Studierende. Viele kommen aus Europa und der ganzen Welt hierher, um Mathematik zu studieren. Das sorgt zusammen mit den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern am Hausdorff Center for Mathematics für neue Ideen, Anknüpfungsmöglichkeiten und einen hervorragenden Pool an künftigen Doktorandinnen und Doktoranden.
Was fasziniert Sie an der Mathematik?
Mein Fachgebiet ist die probabilistische Kombinatorik. Mich fasziniert, dass hierbei Probleme aus der Kombinatorik mit Methoden aus der Wahrscheinlichkeitstheorie bearbeitet werden. Manchmal nehme ich auch noch Algebra dazu. Mich interessieren die Verbindungen zwischen diesen Methoden. An dieser Schnittstelle entstehen Ansätze für Neues.
Wo haben Sie Ihre besten Ideen für neue mathematische Herausforderungen?
Manchmal habe ich sie ganz klassisch am Schreibtisch sitzend – mit Papier und Bleistift. Aber wenn ich von einem Problem begeistert bin, kursiert das weiter in meinem Kopf. Eine ganz produktive Zeit ist für mich, wenn ich unsere Töchter ins Bett bringe. Sie machen erst einmal viel Quatsch, dann wird es ruhig – und dann kommen mir Ideen für das mathematische Problem.
Als Mathematikerin denkt man wahrscheinlich die ganze Zeit über solche Probleme nach. Wie schafft man es, Feierabend zu machen?
Mein Tag hat eine natürliche Begrenzung: Ich bringe morgens die Kinder in die Tagesstätte, danach ist im Büro Zeit für Mathematik. Sobald ich die Kinder um 16:30 Uhr wieder von der Kita abhole und bis ich sie ins Bett bringe, hat mein Mathe-Gehirn erst einmal Pause. Eigentlich ist das ganz ähnlich, wie bei vielen anderen auch, die einen Beruf ausüben.
Sie arbeiten seit wenigen Wochen am Hausdorff Center for Mathematics. Haben Sie hier bereits einen Lieblingsort?
Draußen am Mathe-Zentrum gibt es eine wunderschöne Wiese, wo ich schon immer einmal arbeiten wollte – Papers lesen und so weiter. Aber die vergangenen Tage hat es viel geregnet – und heute ist es dafür viel zu heiß. Aber ich freue mich aufs Ausprobieren.
Wo verbringen Sie am liebsten Ihre Mittagspause?
Ich war bisher in der Mensa am Campus Poppelsdorf. Das ist hier gleich um die Ecke. Mal sehen, wie abwechslungsreich der Speiseplan ist. Wenn ich meine Arbeitsgruppe aufgebaut habe, können wir zusammen Mittag essen. Das ist prima für den informellen Austausch.
Wie sind Ihre Erfahrungen: Haben es Frauen in der Mathematik schwerer als Männer?
Ich persönliche habe keine schwierigen Erfahrungen gemacht. Das hängt wahrscheinlich immer vom Umfeld ab. Ich denke, der niedrige Frauenanteil in der Mathematik liegt nicht unbedingt daran, dass einzelne Personen den Frauen das Leben schwermachen, sondern an den gesellschaftlichen Strukturen insgesamt. Seit ich Kinder habe, sehe ich das aus einer bestimmten Perspektive. Schon in frühen Jahren wirken Stereotype auf Kinder ein: Technik ist für Jungs - und Mädchen können schön malen. Dadurch werden Frauen in ihrem Selbstbewusstsein und ihren Interessen beeinflusst.
Wenn Sie für ein Mathe-Studium werben müssten, wie würden Sie das machen?
Das Mathe-Studium ist einfach toll! Es macht viel mehr Spaß als in der Schule. Die Schulmathematik funktioniert oft nach „Kochrezepten“. Den Schülerinnen und Schülern werden häufig gar nicht die Herleitungen vermittelt. Das ist ähnlich wie beim Kuchenbacken: Da braucht man nicht unbedingt zu verstehen, was das Backpulver bewirkt. Aber wo ist der Sinn, wenn im Mathe-Unterricht die Hintergründe nicht verstanden werden? Das ist im Studium ganz anders. Hier geht es um mathematische Strukturen, die man ergründet.
Haben sich Ihr Mann und Ihre beiden Töchter in Bonn gut eingelebt?
Meine Töchter haben sich recht schnell eingelebt. Sprachlich ist das auch kein Problem, weil ich mit den Kindern immer deutsch gesprochen habe. Mein Mann kommt aus Kanada, ist ebenfalls Mathematiker und findet es auch super-schön hier.
Jetzt schließt sich der Kreis: Sie haben in Bonn im Jahr 2014 Ihren Bachelor gemacht und sind nun zurück. Was hat sich inzwischen verändert?
Die Poppelsdorfer Mensa hat sich sehr verändert: Sie war noch nicht saniert, als ich von hier fortging. Das Gebäude des Mathe-Zentrums ist dagegen noch wie früher. Ich bin gespannt, wenn es wieder mit den Vorlesungen losgeht, weil ich das neue Hörsaalzentrum auf dem Campus Poppelsdorf noch nicht kenne.