Unter anderem verdoppelte sich mehrfach das gesamte Erbgut, und drastische Veränderungen der Blüten führten zu einem Wechsel der Bestäuber. Zusammen mit anderen Artenbildungsmechanismen erläutern die Forschenden, wie aufgrund dieser Mechanismen neue Arten entstanden sind. „Diese erstaunliche Vielfalt an Mechanismen, die man aus den Lehrbüchern der Evolution von Arten kennt, wurde dabei in einem evolutionär kurzen Zeitraum kombiniert“, sagt Dr. Stefan Abrahamczyk vom Nees-Instituts der Universität Bonn. Das könne ein Hinweis darauf sein, warum Springkräuter weltweit zu den größten Pflanzengattungen gehören.
Springkräuter sind vielen bekannt von dem Fleißigen Lieschen in Blumentopf, dem invasiven Drüsigen Springkraut oder aus Kindheitstagen von dem lustigen Rühr-mich-nicht-an im Wald, dessen Früchte auf Druck explodieren. Was viele aber nicht wissen ist, dass Springkräuter eine ungeheure Artenvielfalt haben. Man schätzt, dass es bis zu 1500 Arten in dieser Gattung gibt, eine Vielfalt die es mit den Orchideen locker aufnehmen kann. Die meisten Arten kommen indes nicht in Europa, sondern in den feuchten tropischen Bergwäldern Süd- und Südostasiens, Afrikas und Madagaskars vor.
Dr. Abrahamczyk am Nees-Instituts der Universität Bonn, der Springkrautexperten Prof. Dr. Eberhard Fischer der Universität Koblenz-Landau und andere Kollegen untersuchten die Arten eines kleinen Komplexes von zehn Arten aus dem ostafrikanischen Riftbergen. Dabei stellten sie sich die Frage, wie diese sich im Zuge der Evolution verändert haben und wie die ungeheure Artenvielfalt der Springkräuter zu erklären sei. Sie fanden heraus, dass diese sehr eng verwandten Arten quasi alle Register aus dem evolutionären Textbuch der Artenbildung ziehen.
Arten entstehen, wenn Individuen der Ursprungsart nicht mehr in genetischem Kontakt durch Bestäubung stehen und sich jeweils soweit unabhängig verändern, dass ein späterer gemeinsamer Nachkomme entweder gar nicht mehr erst entstehen kann oder nur noch vermindert selbst fruchtbar ist. Das kann viele Ursachen haben, etwa wenn die Nachkommen sich auf unterschiedliche Böden, Klimaverhältnisse oder Bestäuber spezialisiert haben. Ein weiterer wichtiger Faktor in der Evolution ist, dass es bei Pflanzen möglich ist, dass Nachkommen ihre komplette Erbmasse verdoppeln können. Nach diesem Schritt kommt es jedoch zu vielen Veränderungen, quasi „Aufräumarbeiten“, die bewirken, dass die neue Art nicht mehr mit Verwandten kompatibel ist.
In den nur zehn Arten des Impatiens purpureoviolacea Komplexes, den Abrahamczyk und Kollegen untersucht haben, fanden sie Erstaunliches heraus. Viermal unabhängig wurde das Erbgut verdoppelt und zweimal die Blüte stark verändert, wodurch sie für andere Bestäuber interessant wird. Statt Insekten bestäubten fortan Vögel die Blüten. Zwei Arten wachsen nach diesen Veränderungen statt im feuchten Bergregenwald über 1500 Meter nun in tieferen Regionen oder in Galeriewäldern in der Savanne. „Das lässt vermuten, dass die Springkräuter erstaunlich hohe Raten an genetischen Veränderungen haben, die sich schnell etablieren und somit zu einer rapiden Artenbildung führen können“, sagt Prof. Fischer.
Publikation: Stefan Abrahamczyk, Michaela Jandová, Zuzana Líblová, Steven B. Janssens, Tomáš Dostálek, Norbert Holstein, Eberhard Fischer: Pre- and post-zygotic mechanisms preventing hybridisation in co-occurring species of the Impatiens purpureoviolacea complex, Ecology and Evolution, DOI: 10.1002/ECE3.8382