In der frühen mittleren Trias war dieser Teil Europas von einem flachen und warmen Meer bedeckt, das reich an organischem Leben war und in dem verschiedene Meeresreptilien lebten. Heute sind versteinerte Knochen dieser Meeresreptilien in großer Zahl zu finden. Darunter befinden sich Überreste von Nothosauriern: große Meeresreptilien, die als Top-Räuber Jagd auf andere Lebewesen machten.
Nothosaurier hatten einen vom Rücken zum Bauch hin abgeflachten Körper, der vage an Eidechsen erinnerte, aber sie waren keine Eidechsen. Der Begriff „Nothosaurier“ bedeutet „falsche Eidechse“ aufgrund der oberflächlichen Ähnlichkeit. Ein internationales interdisziplinäres Team unter der Leitung von Dr. Dawid Surmik von der Schlesischen Universität in Kattowitz (Polen) und Dr. Nicole Klein von der Universität Bonn untersuchten mehrere Knochenanomalien von Nothosauriern.
„Pathologien, die gelegentlich in fossilen Skelettresten gefunden werden, geben uns Einblick in den Gesundheitszustand ausgestorbener Wirbeltiere und sind eine wertvolle Quelle des Wissens über das Leben dieser Tiere“, sagt Dr. Dawid Surmik. „Allerdings sind solche Pathologien nicht frei von Fehlinterpretationen.“ Viele Faktoren wie postmortale Schäden und geologische Prozesse wie Verdichtung oder Erosion können die Interpretation ungewöhnlich aussehender Fossilien neben tatsächlichen Verletzungen beeinflussen.
Zusammenstöße, Raubtiere oder Revierkämpfe
Die Wissenschaftler untersuchten unter anderem den Unterkiefer eines Nothosaurus-Exemplars, das Anzeichen eines verheilten Bruchs aufweist. Das bedeutet, dass das Tier trotz der Verletzung überlebte und noch in der Lage war zu jagen. „Heutzutage sind Tiere in ihrer natürlichen Umgebung Verletzungen ausgesetzt, die zum Beispiel durch Raubtiere oder Revierkämpfe verursacht werden können. Das war während der Trias nicht anders“, sagt Dr. Justyna Słowiak-Morkovina vom Institut für Paläobiologie der Polnischen Akademie der Wissenschaften in Warschau (Polen).
In Winterswijk im Osten der Niederlande werden seit über 70 Jahren zahlreiche Fossilien von Meeresreptilien gefunden. „Das macht diesen Ort ideal für paläopathologische Studien, wie wir anfangs dachten“, sagt die Paläontologin Dr. Nicole Klein vom Institut für Geowissenschaften der Universität Bonn. Unter Tausenden von Knochen fanden die Forschenden jedoch nur vier, die Anomalien aufwiesen. „Was an sich schon ein erstaunliches Ergebnis ist und natürlich auch eine Geschichte erzählt“, so Dr. Klein weiter.
Die Aufzeichnung der Pathologie kann zeigen, ob bestimmte Krankheiten, Missbildungen oder Traumata die Fortbewegung oder den Nahrungserwerb stark beeinträchtigt haben und ob sie auf unterschiedliche Weise kompensiert werden konnten. „Das ist wichtig, denn es liefert uns neben der Anatomie - die manchmal schwer zu interpretieren oder unzureichend erhalten ist - und möglichen Parallelen zu modernen Arten - die nicht immer perfekt sind - auch unabhängige Hinweise auf das Leben der ausgestorbenen Tiere“, sagt Dr. Tomasz Szczygielski vom Institut für Paläobiologie der Polnischen Akademie der Wissenschaften in Warschau (Polen).
Alles oder nichts
Diese prähistorischen Reptilien scheinen die so genannte Alles-oder-Nichts-Strategie zu vertreten: „Entweder war die Jagd erfolgreich und die Beute wurde ganz verschluckt, oder die Beute hatte Glück und entkam“, ergänzt Dr. Klein. Der verletzte Nothosaurier konnte eine Weile sicher keine schnellen Schnappbewegungen machen, um die Beute zu fangen. Denn dann wäre der Unterkiefer ständig heftigen Bewegungen ausgesetzt gewesen und hätte nicht heilen können, was den Tod des Tieres zur Folge gehabt hätte, folgert Dr. Surmik. „Das Tier hat aber überlebt und die Wunde ist verheilt, wie die Anzeichen der Regeneration dieser Verletzung zeigen.“
Gutartigen Knochentumor entdeckt
Außerdem haben die Forschenden eine Art gutartigen Knochentumor festgestellt, in diesem Fall an einer Rippe eines anderen Nothosauriers. „Diese Läsion zeigt sich durch eine ausgeprägte Verdickung am Rippenschaft. Die Untersuchung der Mikrostruktur deutet darauf hin, dass es sich nicht um den scheinbar offensichtlichen verheilten Knochenbruch handelt, sondern um eine seltene tumorähnliche Knochenläsion, eine osteofibröse Dysplasie“, kommentiert Prof. Bruce M. Rothschild vom Carnegie Museum of Nature History in Pittsburgh (Pennsylvania, USA).