14. Februar 2023

Start-up Story: RAKETENSTART: „Wir demokratisieren den Zugang zu Recht!“ Start-up Story: RAKETENSTART: „Wir demokratisieren den Zugang zu Recht!“

Madeleine Heuts treibt mit ihrem Start-up RAKETENSTART die Digitalisierung der Rechtsbranche voran. Im Februar war sie zu Gast beim Gründungsstammtisch der Universität Bonn und stellte ihre Geschäftsidee und ihr politisches Engagement vor.

„Wir demokratisieren den Zugang zu Recht!“ ist die Vision der jungen Gründerin, die 2021 aus ihrem Jura-Studium an der Uni Bonn heraus ihr eigenes Unternehmen gründete. Sie bietet eine digitale Plattform für Rechtsthemen an und macht diese so einem breiten Publikum – vor allem Start-ups und KMUs – zugänglich. Seit März 2022 ist Heuts zudem Vorstandsvorsitzende des Vereins NRWalley, der sich für eine attraktive Start-up Szene in NRW einsetzt. Welche Herausforderungen sie bei ihrer Gründung aus dem Jura-Studium hatte, wie der Bereich „Legal Tech“ die Rechtsbranche verändert, und wo die Start-up Szene in NRW momentan steht, erzählt sie in unserem Gespräch.

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Das schriftliche Interview ist eine ausführliche Version des Video-Interviews.

enaCom: Mit Deinem Start-up bewegst Du Dich im Bereich Legal Tech – Legal Technology – und trägst zu einer Digitalisierung der Rechtsbranche bei. Wie machst Du das, was ist die Idee von RAKETENSTART?

Madeleine Heuts: Mit RAKETENSTART demokratisieren wir den Zugang zu Recht für kleine und mittelständische Unternehmen. Dabei starten wir mit Start-ups als Zielgruppe und bauen unser Produkt auch in Bezug auf andere Unternehmen, wie Marketingagenturen oder Handwerksbetriebe, weiter aus. Mit unserer Online-Plattform können Kunden selbst alle rechtlichen Probleme lösen. Im ersten Schritt bieten wir rechtliches Wissen in Form einer Academy an, wo sich Unternehmer*innen selber rechtliche Themen beibringen können. Dies wird ergänzt durch unseren Vertragsgenerator, in dem selbst rechtliche Inhalte und Verträgen erstellt werden können. Damit lassen sich 80% der Rechtsthemen im Unternehmen bereits kosteneffizient lösen. Für die restlichen Themen, die individuelle Beratung brauchen, haben wir ein Netzwerk aus spezialisierten Partneranwälten aufgebaut. Wir helfen also dabei, junge Unternehmen von Anfang an rechtssicher aufzubauen und sorgen gleichzeitig dafür, dass das Thema Recht kein Angstthema ist, sondern ein tägliches Thema, das man einfach selbst lösen und verstehen kann.

Du hast Dich während Deines Jura-Studiums entschieden, ein Start-up zu gründen und nicht den klassischen Karriereweg einer Juristin zu gehen. Wie kam es zu dieser Entscheidung?

Ich wusste lange Zeit nicht so richtig, dass ich selber gründen will. Man hat im Jura-Studium auch nicht so viele Überschneidungspunkte damit. Mein Studium habe ich selber finanziert, indem ich mich selbstständig gemacht habe: als Freiberuflerin im Bereich Marketing und als Werkstudentin in der IT-Abteilung vom juristischen Fachbereich. Bei diesen Tätigkeiten habe ich natürlich schon viel von dem Wissen gesammelt, das ich heute brauche.

In die Gründung selbst reingestolpert bin ich, als ein Kumpel von mir gründen wollte. Er hatte eine Markenrechtsabmahnung bekommen und bat mich um Hilfe bei der Klärung, weil er kein Geld für Anwälte hatte. Ich habe mich dann mit einem Markenrechtsprofessor an der Uni in das Thema reingefuchst und dabei ist mir aufgefallen, dass es für junge Gründer*innen gar keinen Zugang zu Recht gibt. Die Vision, wir wollen das Thema „Recht“ einfach und digital machen, stand von Anfang an.

Wie hat sich dann diese Vision zu einer Geschäftsidee entwickelt?

Ich habe damals zuerst einen Podcast gestartet, wo ich mit Gründer*innen über die „Legal Fuck-Ups“, also die rechtlichen Fehler, gesprochen habe. Dabei habe ich festgestellt, dass sich die Themen stark wiederholen und habe angefangen, diese Themen zu bündeln und zu strukturieren. Darauf basiert die Technologie, die wir heute für unsere Plattform verwenden.

Ich habe dann das erste Staatsexamen abgeschlossen und bin dann aber gar nicht mehr ins Referendariat gegangen. Die Nachfrage auf das Produkt war sehr groß und viele Anwälte wollten sofort Partner von uns sein. Da dachte ich mir, warum soll ich selbst in einer Kanzlei beraten, wenn ich mit den coolsten Anwälten und den coolsten Unternehmen zusammenarbeiten, die Zukunft des Rechtsmarkts mitgestalten und mir selber etwas aufbauen kann?

Mit Deinem Portal unterstützt Du Gründer*innen insbesondere in rechtlichen Fragen. Wie bist Du auf die Idee gekommen, Dienstleistungen für Gründer anzubieten, ohne selbst vorher gegründet zu haben?

Damals wollte ein Freund ein Start-up gründen. Ich kannte die ganze Szene damals eher nur von „Höhle der Löwen“ und hatte kaum Bezug dazu. Um mehr darüber zu lernen, bin ich auf Events gegangen und habe mit Gründer*innen über meine Idee gesprochen.

Die Start-up Szene ist sehr faszinierend, weil sie von Menschen geprägt ist, die für eine Vision brennen – teilweise auch völlig irrational – aber das ist egal, weil alle irgendwie coole Sachen machen. Niemand weiß, ob es am Ende funktionieren wird, aber die Leute sind offen dafür, etwas Neues auszuprobieren. Das bringt eine sehr spezielle Energie in den Raum und ich fand die ganze Szene von Anfang an total beeindruckend und wollte unbedingt ein Teil davon sein und Gründer*innen dabei unterstützen.

Wo stehst Du aktuell in Deiner Gründung? Wie geht es weiter?

Im November 2021 haben wir als MVP (minimum viable product) die erste Version von RAKETENSTART gelauncht, um zu testen, wie potentielle Kunden auf die Idee reagieren. Mitte 2022 kam dann unsere Academy hinzu, in der wir mit E-Learnings in einfachem Deutsch alle rechtlichen Themen erklären, die im Unternehmen relevant werden. Außerdem haben wir die ersten Partneranwälte mit aufgenommen. Der nächste Schritt ist nun, das Feedback zum Produkt aus dem ersten Jahr in unsere Plattform einzubauen. Unser Kernprodukt, in dem der neu entwickelte Vertragsgenerator enthalten ist - ein klassisches SaaS-Modell (Software as a Service) - geht dann dieses Frühjahr online.

Momentan sind wir sechs Leute. Wir werden voraussichtlich bis Ende 2023 um die 20 sein. Die große Hiring-Phase läuft jetzt an – auch mit einem großen Investment, das wir gerade vorbereiten. Wir hatten bereits Anfang 2022 die ersten Business Angels mit reingenommen. Vorher habe ich RAKETENSTART komplett selbst finanziert.

Und wo siehst Du speziell Bedarf für Veränderungen im Legal-Tech-Bereich?

Legal Tech steht für Legal Technology und ist in Deutschland noch relativ neu, auch wenn es immer schon kleinere Ansätze davon gab. Legal Tech kann sich auf Verbraucher beziehen, z.B. Geld-für-Flug/RightNow, da gibt es schon relativ viel im B2C-Bereich. Die rechtliche Grundlage in Deutschland ist leider noch nicht optimal, weil vieles davon über die Inkasso-Lizenz läuft und nicht wirklich über Modelle, die man gezielt gesetzlich für automatisierte Rechtsberatung geschaffen hat.

Und dann gibt es noch den spannenden B2B-Bereich, in den wir uns mit RAKETENSTART jetzt als einer der First Mover hineinwagen: Wir bauen Tools, mit denen Unternehmen und Nicht-Juristen ohne rechtliches Wissen selbst rechtliche Themen abwickeln können. In diesem Bereich passiert gerade sehr viel, da der Markt bisher noch überwiegend unbesetzt ist. Das ist auch gesellschaftlich sehr spannend, da es nicht mehr genug juristischen Nachwuchs gibt.

Ich bin der festen Überzeugung, dass die großen Kanzleien, in zehn bis fünfzehn Jahren wahrscheinlich eine andere Relevanz haben werden, weil sie diese Transformation strukturell gar nicht mitmachen können. Viele stehen sich dabei selbst im Weg, weil Partner und Kanzlei eher davon profitieren, wenn Stunden abgerechnet werden. Deshalb hat man ja gar kein Interesse daran, Prozesse zu automatisieren. Das komplette Abrechnungsmodell müsste neu gedacht werden und das sehe ich da tatsächlich noch nicht oder nur sehr wenig. Auf der Nutzerseite ist aber die Bereitschaft und Nachfrage sehr stark da.

Ich sage immer: Anwälte nennen ihre Kunden nicht umsonst Mandanten, weil bisher ein anderes Verhältnis bzw. Dynamik herrscht. Mir ist es deswegen auch ganz wichtig, von Kunden zu sprechen, weil es darum geht, eine Lösung zu schaffen, die sie wirklich brauchen und die sich komplett an ihren Bedürfnissen orientiert.

Viele Gründer*innen zögern über ihre Idee zu sprechen, weil sie denken, die Idee könnte geklaut werden. Wie war das bei dir?

Das ist ja so eine Angst, die viele Gründer haben. Vorweg: Das kann natürlich immer passieren und es gibt auch tatsächlich Leute, mit denen ich persönlich mal kurz über meine Idee gesprochen hatte und die direkt danach rausgegangen sind, um exakt das Gleiche zu machen. Es ist nur menschlich, dass man sich darüber im ersten Moment wundert oder vielleicht ärgert. Im nächsten Moment ist aber auch klar, dass gerade Start-ups natürlich sensibel für “geklaute Ideen” sind und das eher untereinander missbilligen.

Gleichzeitig bin ich der festen Überzeugung, dass man als Visionär mit der ursprünglichen Idee immer davon überzeugt sein sollte, dass man die beste Person dafür ist. Wenn du denkst, jemand anders könnte das besser als du, dann ist das der erste Hinweis dafür, dass etwas nicht stimmt. Gleichzeitig hast du einfach einen enormen Wissensvorsprung, den man auch gar nicht so leicht aufholen kann. Bleibe einfach authentisch, das wird deine Zielgruppe sowieso mehr schätzen.

Was würdest Du Gründungsbegeisterten an der Uni Bonn sonst noch raten, die selbst vor der Entscheidung stehen zu gründen?

Als ich damals angefangen habe zu studieren, gab es noch nicht so viele Angebote für Gründungsinteressierte. Wenn ich jetzt nochmal studieren würde, würde ich wahrscheinlich zum Gründungszentrum der Uni gehen und die Angebote nutzen. Gerade was Stipendien, wie z.B. EXIST, angeht, musst du auch sowieso eng mit der Uni zusammenarbeiten. Diese Fördermittel bieten viele Möglichkeiten und ich würde auf jeden Fall immer empfehlen, zu prüfen, ob das zu dir passt.

Außerdem kann ich nur empfehlen, sich früh ein Netzwerk aufzubauen. Man braucht, gerade wenn man alleine gründet, Leute, die bereit sind, Zeit zu investieren, auf die Pläne zu schauen und diese kritisch zu hinterfragen und Feedback zu geben. Außerdem hilft es, Freunde zu haben, die das gleiche durchmachen, wie man selbst. Wenn du einen Freundeskreis hast, der versteht, was du durchmachst, dann ist das sehr wertvoll. Denn das Problem in der Gründerszene ist, dass es von außen alles immer viel leichter und glamouröser aussieht als es ist: Es entsteht der Eindruck, Leute sammeln Millionen von Investoren ein und sind dann nur noch auf Events und kriegen Preise. Aber bis du dahin kommst, ist es so ein langer, harter, von Knäckebrot und Nudeln-mit-Tomatensoße geprägter Weg. Das kriegt man aber nicht mit, weil die Leute diese Dinge nicht posten.

Du bist nicht nur selbst Gründerin, sondern setzt Dich auch für Start-ups in NRW ein. Du bist kürzlich zur Vorstandsvorsitzenden von NRWalley gewählt worden, einem regionalen Verein hervorgegangen aus der ehemaligen Landesgruppe des Bundesverbands Deutsche Startups e.V. Du möchtest hier die Zusammenarbeit zwischen Start-ups, Mittelstand und Politik stärken. Wo siehst Du hier konkreten Bedarf?

NRWalley ist ein Verein, der die Interessen der Start-ups in NRW vertritt. Er repräsentiert diese gegenüber der Politik, Konzernen und der Gesellschaft. Wir wollen das Ökosystem gründungsfreundlicher und die Start-up Szene in NRW und NRW insgesamt für Start-ups attraktiver machen. Wir arbeiten hier sehr eng mit den Landesministerien zusammen in ganz verschiedenen Bereichen, v.a. aktuell sehr viel beim Thema Diversität, was mir persönlich auch sehr wichtig ist. Das betrifft Frauen, Gründer*innen mit migrantischem Hintergrund, Leute aus der LGBTQ-Community oder auch Nicht-Akademiker-Kinder. Wie kann man diese Menschen dazu ermutigen, zu gründen und sie dabei unterstützen? Das ist unsere Mission.

Wir machen auch sehr viele Events und fördern die Vernetzung vieler bereits bestehender Angebote. Derzeit gibt es noch viele Insellösungen, die nicht miteinander sprechen. Da haben wir sicher noch viel zu tun, aber hier liegt gerade das große Potenzial in NRW. Ich bin da sehr positiv, dass das Ökosystem noch mehr zusammenwächst und wir das mit den Start-ups gemeinsam gut auf die Beine kriegen.

Lässt du dich selbst auch noch coachen/beraten? Was sind deine persönlichen Entwicklungsziele?

Das wird einer der Punkte in diesem Jahr sein, die ich gerne angehen möchte. Gerade auch, wenn das Team so schnell wächst. Dann habe ich auch mehr Fokus, um am Unternehmen selbst und an mir als Managerin zu arbeiten. Ich kann dann etwas mehr Abstand vom operativen Bereich nehmen und mich stärker darauf konzentrieren, wie ich als Leader wachsen kann.

Es ist auch wichtig, wenn man über einen längeren Zeitraum diese Belastung hat, einen Weg zu finden, damit umzugehen. Wir hatten vor kurzem Mental-Health-Day und das ist etwas, worüber viele Gründer und Gründerinnen gar nicht wirklich sprechen: Dass es natürlich eine hohe psychische Belastung ist. Gerade in den Phasen, wo es nicht gut läuft, oder wo man kurz vor Abschluss der Finanzierungsrund steht, herrscht einfach sehr viel Druck. Da ist es empfehlenswert, sich frühestmöglich jemanden zu suchen, mit dem man auch diese Themen bearbeiten kann. Die Gründungsszene wird jetzt zum Glück weiblicher und damit kommen auch diese persönlichen Themen viel mehr auf den Tisch.

Welche Tipps hast Du noch speziell für weibliche Gründerinnen?

Ich glaube, als Gründerin muss man sich ein bisschen damit abfinden, dass man immer die extra Meile gehen muss. Ich glaube, Gründungseuphorie ist ein Prozess in der Gesellschaft, der jetzt gerade erst ein bisschen losgetreten wurde, aber der noch lange brauchen wird, um sich zu etablieren. Eine Gründerin zu sein, bringt aber auch viele Vorteile mit sich – es ist z.B. statistisch nachgewiesen, dass Gründungen von Frauen deutlich profitabler sind, als die von Männern. Ich glaube, das Wichtigste ist aber, dass man total für seine Idee brennen und bereit sein muss, richtig hart dafür zu arbeiten. Und dann ist es eigentlich egal, ob du eine Frau bist oder ein Mann.

Hier geht es zur Website von RAKETENSTART

Der Gründungsstammtisch findet jeden 2. Mittwoch im Monat im DIGITALHUB.DE Bonn statt.

Start-up Story RAKETENSTART
Start-up Story RAKETENSTART © Manor Lux
Gründungsstammtisch mit Madeleine Heuts
Gründungsstammtisch mit Madeleine Heuts © enaCom/Marcus Wille
Der Gründungsstammtisch zog interessierte Zuschauer an
Der Gründungsstammtisch zog interessierte Zuschauer an © enaCom/Marcus Wille

Beim Transfer Center enaCom der Uni Bonn seid Ihr sowohl mit einer konkreten Gründungsidee als auch als völlige Neueinsteiger*innen in das Thema Gründen und Unternehmertum genau richtig. Wir unterstützen sowohl Studierende als auch Wissenschaftler*innen, Mitarbeiter*innen und Alumni der Uni.

www.uni-bonn.de/enacom

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