Im Weltraum haben verschiedene Faktoren Einfluss auf das menschliche Verhalten und die kognitive Leistung. Einer dieser Faktoren ist die Schwerelosigkeit, deren genaue Wirkung auf Prozesse im menschlichen Gehirn noch nicht abschließend geklärt werden konnte. Nahezu alle lebenswichtigen Körperfunktionen sowie das Bewusstsein und körperliche Aktivitäten werden vom Gehirn mit elektrochemischen Signalen von Milliarden von Neuronen gesteuert. Veränderungen der neuronalen Aktivität können psychische Störungen oder eine verminderte Leistungsfähigkeit hervorrufen. Für Weltraummissionen ist das Verständnis dieser Prozesse unter veränderten Schwerkraftbedingungen deshalb umso wichtiger.
Zum ersten Mal wird mit dem Projekt MIND Gravity die Aktivität eines Netzwerks aus neuronalen Zellen unter dem Einfluss von Schwerelosigkeit erforscht. Bisher ist dies nur an Einzelzellen untersucht worden. Mit der neuen sogenannten Multi-Elektroden-Array-Technologie (MEA) können Forschende ganze Zell-Netzwerke auf kleinsten Elektroden kultivieren und somit die komplexen Signal-Vorgänge der neuronalen Zellen untereinander in Echtzeit beobachten. Da diese Signalvorgänge innerhalb von Millisekunden passieren, ist es möglich, Änderungen selbst innerhalb des begrenzten Zeitraums von rund fünf Sekunden Schwerelosigkeit, die der Fallturm in Bremen bietet, zu detektieren. Das Team will vor allem klären, welchen Einfluss Schwerkraftänderungen auf die elektrische Aktivität von Neuronen haben und ob es möglich ist, die Ergebnisse durch pharmakologische Eingriffe zu modulieren.
Ziel: neue Einblicke in die zugrunde liegenden zellulären Mechanismen des menschlichen Gehirns
An dem interdisziplinären Gemeinschaftsprojekt MIND Gravity sind Promovierende der Neurowissenschaften und der Chemie aus Deutschland und Costa Rica aus Forschungseinrichtungen der Universitätsaugenklinik Bonn, dem Institut für Luft- und Raumfahrtmedizin des DLR in Köln und der TH Köln beteiligt. Das Programm „Drop Your Thesis!“ bietet ihnen die Gelegenheit, das Verhalten von Neuronen unter dem Einfluss einer kurzzeitigen, aber qualitativ hochwertigen Mikrogravitations-Exposition im ZARM-Fallturm in Bremen zu untersuchen. Johannes Striebel, Kendrick Solano, Laura Kalinski, Yannick Lichterfeld, Stefan Lukas Peters und Nils Drouvé erhoffen sich von ihrem Projekt, dass sie mit ihren Daten neue Einblicke in die zugrunde liegenden zellulären Mechanismen des menschlichen Gehirns liefern können. Außerdem könnten sie Aufschluss zur Entwicklung neuartiger chemischer Substanzen für potenzielle Gegenmaßnahmen der durch die Schwerelosigkeit ausgelösten Veränderungen im Verhalten der neuronalen Zellen geben.
Angesichts der derzeitigen pandemiebedingten Beschränkungen werden die Planung und die Vorbereitung bis November eher separat und die Abstimmung mehrheitlich digital erfolgen. Die Kultivierung der neuronalen Zellen auf dem MEA-System findet in den Einrichtungen der Uniklinik Bonn und des DLRs statt. Parallel wird an der Hardware am DLR gearbeitet. Die Teammitglieder an der TH Köln wiederum sind vor allem für die Herstellung und Analyse der zu testenden Substanzen zuständig. Wichtigste Grundlage ist aber der Teamgedanke und eine genaue Abstimmung. So fühlen sich die sechs MIND Gravityler schon wie in einem richtigen Weltraumprojekt.
Mehr zum Projekt „MIND Gravity“:
Facebook: https://www.facebook.com/mind.gravity.dyt
Instagram: https://instagram.com/mind_gravity_dyt
Twitter: https://twitter.com/MINDGravity1