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Verschwimmen also die Grenzen zwischen Wirklichkeit und Fiktion? Was ist überhaupt „Wirklichkeit“ und wie wird „Fiktion“ definiert? Und welche Position nimmt der Mensch in diesem Spannungsfeld ein? Mit diesen Fragen beschäftigt sich Markus Gabriel in seinem neuen Band „Wirklichkeit/Fiktion. Spannungsfelder eines Verhältnisses“ und sagt im Hypothese-Podcast: „Wirklichkeit und Fiktion sind immer auf eine bestimmte Weise im menschlichen Leben verschränkt.“ Der Mensch selbst sei ein „hybrides System aus Wirklichkeit und Fiktion“.
„Wirklichkeit ist das Vermögen begrifflicher Lebewesen, wie Menschen, sich auch täuschen zu können“, legt Gabriel dar. Damit sei die Wirklichkeit, die wir kennen, eine, in der Fiktion immer schon eine Rolle spielt. Die Fiktion dagegen begreift er als den „Bereich der Ausübung unserer Einbildungskraft“. Als Abweichung von Wirklichkeit wird die Fiktion damit gleichzeitig zu einem wesentlichen Bestandteil der Wirklichkeit und legitimiert sich dadurch, dass sie Gegenstand der Geistes- und Sozialwissenschaft ist.
Nach Gabriel gehört die Fiktion also selbst zum Wirklichen, genauso wie es keine Wirklichkeit ohne Fiktion gibt. Und genau an dieser Stelle tritt nun „der verschränkte Mensch“ ein, so Gabriels Titel im neuen Band. Denn dadurch, dass wir Dinge immer subjektiv aus einer bestimmten Perspektive wahrnehmen, ist die Wirklichkeit bereits verzerrt: „Der Mensch führt sein Leben im Licht der Vorstellung seiner selbst“. Aufgrund bestimmter Rollenvorstellungen und Bilder ist der Mensch das, was er ist, und tut, was er tut, so Gabriel. Daher ist der Mensch als Hybride aus dem Kontakt mit dem Wirklichen und aus seiner Verzerrung zu verstehen, da „das Bewusstsein selbst bereits eine Verzerrung der Wirklichkeit ist“. Eine reine Wirklichkeit gibt es nicht – so Gabriel.
Über Prof. Dr. Markus Gabriel
Prof. Markus Gabriel hat den Lehrstuhl für Erkenntnistheorie, Philosophie der Neuzeit und Gegenwart am Institut für Philosophie an der Universität Bonn inne und zählt zu den prominentesten Vertretern des Neuen Realismus. Er ist der Direktor des Internationalen Zentrums für Philosophie NRW sowie des Center for Science and Thought an der Universität Bonn. Zudem ist Gabriel Mitglied in der TRA 4 an der Universität Bonn, deren Mitglieder wesentliche Einflüsse auf unsere sozialen und wirtschaftlichen Entscheidungen erforschen. Dazu gehören Ressourcenschutz, Schutz von Kunst- und Kulturgütern, Moral und Ethik sowie bestimmende Faktoren menschlicher Handlungsfähigkeit und Motivation.