Die Annemarie-Schimmel-Lectures sind eine Vorlesungsreihe zu Fragen des interreligiösen Dialogs und der Komparativen Theologie, die von nun an jährlich im Juni an der Universität Bonn stattfindet. In diesem Rahmen werden die weltweit führenden Köpfe der Komparativen Theologie ihre aktuelle Forschung einem breiten Publikum vorstellen. In den Spuren der Namensgeberin Annemarie Schimmel soll die Exzellenz religionsbezogener Forschung ebenso gefördert werden wie der interreligiöse Austausch zu den großen Fragen der Theologien.
Schon im von Prinz Ghazi bin Muhammad verfassten Offenen Brief an Benedikt XVI. und andere Kirchenführer unter dem koranisch inspirierten Titel „A Common Word Between Us and You“ (deutsch: Ein gemeinsames Wort zwischen uns und euch) spielt das Thema der Liebe eine zentrale Rolle. Prinz Ghazi stellte es in seiner Vorlesung als gemeinsames Menschheitsthema heraus und bezeichnete es als die Grundlage des christlich-muslimischen Gesprächs. Zu Beginn seiner Vorlesung hob er die Bedeutung Annemarie Schimmels hervor, der er persönlich begegnet ist: „Es ist für mich eine besondere Ehre, die ersten Annemarie-Schimmel-Lectures zu halten. Denn ihr Buch `Mystische Dimensionen des Islam´ hat mich persönlich sehr beeindruckt, als ich es 1989 zum ersten Mal las.“
In seinem Vortrag näherte sich Prinz Ghazi dem Thema der Liebe philosophisch und beschrieb sie als Neigung zum Schönen. Er betonte die prominente Rolle der Liebe im Koran und stellte auch Verbindungen zur christlichen Theologie, etwa zum Denken des Thomas von Aquin, her. Prinz Ghazi ging auch auf die Bedeutung des Ortes seines Vortrags ein: „Es ist ein Akt der Demut, der Großzügigkeit und des guten Willens, dass Sie kommen und einem muslimischen Redner aus einem fernen Land zuhören, der in Ihrer eigenen Kirche in englischer Sprache spricht. Ich weiß das sehr zu schätzen und bin sehr bewegt.“
Die Veranstaltung war zugleich die offizielle Eröffnung der Kooperationsplattform zum gesellschaftlichen Transfer Komparativer Theologie, die an den Universitäten Paderborn und Bonn in den nächsten vier Jahren vom Ministerium für Kultur und Wissenschaft in NRW mit rund zwei Millionen Euro gefördert wird.
Prof. Dr. Klaus von Stosch, Leiter des International Center for Comparative Theology and Social Issues (CTSI) der Universität Bonn: „Prinz Ghazi ist vor allem deswegen extra nach Bonn gekommen, um diese ersten Annemarie-Schimmel-Lectures zu halten, weil ihn das Lebenswerk von Frau Schimmel berührt und er auf diesen Einsatz aus christlicher Perspektive als Muslim antworten will.“ Wie Frau Schimmel versuche auch Prinz Ghazi zentrale Kategorien der jeweils anderen Religion zu nutzen, um dem eigenen Glauben Ausdruck zu verleihen. „Wie Frau Schimmel macht er sich damit zentrale Anliegen der Komparativen Theologie zu eigen und versucht die Verständigung zwischen Islam und Christentum voranzubringen.“
Besonders berührend sei gewesen, so von Stosch, dass Prinz Ghazi in der reichen Sprache der Liebe seinem muslimischen Glauben Ausdruck verlieh und dabei immer wieder auf biblische Texte und Texte der Kirchenväter wertschätzend Bezug nahm. „Ich hatte den Eindruck, dass sich unsere Zuhörer von der Veranstaltungen haben bewegen und begeistern lassen. Viele haben hinterher noch im Kreuzgang intensiv mit dem Prinzen und uns diskutiert. Und viele haben mir gesagt, wie sehr sie der Austausch über die Liebe berührt.“ Ein echter Höhepunkt, der viele sehr angesprochen hat, war auch der letzte musikalische Beitrag, der auf besonderen Wunsch des Prinzen Beethovens Ode an die Freude in arabischen Klängen zur Aufführung brachte.
Prof. von Stosch: „Uns war wichtig, dass wir die Anliegen Komparativer Theologie und das gute Miteinander der Religionen, das wir an der Universität entwickelt haben und durch intensive Forschung vorantreiben, in die Stadt tragen und dabei auch die Religionsgemeinschaften vor Ort mitnehmen.“ Da das International Center for Comparative Theology and Social Issues an der Katholisch-Theologischen Fakultät angesiedelt ist, sei vor allem der sichtbare Schulterschluss mit der katholischen Kirche der Stadt wichtig – an einem Ort, der die allerersten Anfänge monotheistischer Religiosität in Bonn versinnbildlicht und auch durch seine spirituelle Atmosphäre beindruckt. „Welcher Ort könnte hier besser geeignet sein als das Münster?“
Prinz Ghazi bin Muhammad bin Talal
Prinz Ghazi bin Muhammad ist Professor für Philosophie an der Jordan University und gegenwärtig einer der profiliertesten Akteure des islamisch-christlichen Gesprächs weltweit. Er hat seine Doktorgrade in Cambridge (England) und an der Al-Azhar-Universität in Kairo erworben und sich bereits in diesen Schriften mit dem Thema Liebe befasst. Im Jahr 2007 war er der Autor des breit rezipierten Offenen Briefes „Ein gemeinsames Wort zwischen uns und euch“ an Papst Benedikt XVI. und andere Kirchenführer. Prinz Ghazi bin Muhammad ist zudem Berater des jordanischen Königs in Fragen von Religion und Kultur.
Die Namensgeberin: Annemarie Schimmel
Annemarie Schimmel (1922-2003) war eine der wichtigsten Islamwissenschaftlerinnen des 20. Jahrhunderts. Mit ihren Werken und Übersetzungen, insbesondere zur islamischen Mystik, hat sie Brücken zwischen Ost und West sowie zwischen Islam und Christentum gebaut. Sie war langjährige Professorin an der Harvard-Universität und hielt Vorträge auf der ganzen Welt. Bis heute genießt sie ein großes Ansehen in islamisch geprägten Ländern und ist eine Inspirationsquelle für die theologischen Wissenschaften. Annemarie Schimmel ist auf dem Poppelsdorfer Friedhof in Bonn bestattet.
International Center for Comparative Theology and Social Issues
Das International Center for Comparative Theology and Social Issues (CTSI) bündelt die interdisziplinären Forschungsprojekte aus dem Bereich der Komparativen Theologie und gehört zur Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Bonn. Weitere Infos: https://www.ctsi.uni-bonn.de