In ihrem Projekt wollen die Forschenden einen sogenannten systemepidemiologischen Ansatz etablieren, der sowohl biomedizinische als auch ökonomische Aspekte berücksichtigt. Das bedeutet, dass sie sowohl die interindividuelle Variabilität der Wirt-Virus-Interaktion bei einer SARS-CoV-2-Infektion als auch die Entscheidungsprozesse von gesunden und infizierten Personen in verschiedenen ökonomischen und sozialen Interaktionen untersuchen.
Koordinator des Projekts ist der Biologe Dr. Christoph Geldmacher vom Klinikum der LMU München. Dort ist auch die groß angelegte „Munich-KoCo19-Kohortenstudie“ verankert, die den Forschenden für ihr Projekt Daten von bis zu 6.000 Menschen liefert. Vonseiten der Universität Bonn sind die Antragsteller des Projekts der Mathematiker Prof. Dr. Jan Hasenauer, der sich mit rechnergestützten Lebenswissenschaften beschäftigt, und die Mikroökonomin Prof. Dr. Lena Janys. Sie beschäftigt sich mit Modellen der Entscheidungsfindung. Beide Forschenden sind im Exzellenzcluster Hausdorff Center for Mathematics und im Transdisziplinären Forschungsbereich „Mathematik, Modellierung und Simulation komplexer Systeme“ der Universität Bonn aktiv und bringen ihre unterschiedlichen Expertisen in das Projekt ein. Darüber hinaus ist Jan Hasenauer Mitglied im Exzellenzcluster ImmunoSensation2 und Lena Janys Mitglied im Exzellenzcluster ECONtribute der Universität Bonn.
Der umfassende Datensatz soll mit statistischen und maschinellen Lernansätzen analysiert werden. Darüber hinaus wollen die Wissenschaftler:innen epidemiologisch-ökonomische Modelle entwickeln, die die Variabilität der einzelnen Individuen und ihren Einfluss auf die Entscheidungsfindung berücksichtigen. Bleiben die Personen zum Beispiel Zuhause oder gehen sie ins Büro? Welchen Einfluss haben dabei ihr Einkommen, ihre Ersparnisse oder andere Vorbedingungen? Auch die Dynamik der SARS-CoV-2-Epidemie wollen die Forschenden in ihrer Studie berücksichtigen. Das Ziel ist es, die einzelnen Skalen zusammenzufassen und daraus zu neuen Erkenntnissen und Methoden zu gelangen, die auf andere Infektionen und zukünftige Epidemien übertragen werden können.
Transdisziplinäre Forschung auf dem Vormarsch
Das Projekt ist thematisch in den Transdisziplinären Forschungsbereich „Mathematik, Modellierung und Simulation komplexer Systeme“ der Universität Bonn eingebettet – einem von sechs uniweiten, fakultätsübergreifenden Verbünden mit verschiedenen Themenschwerpunkten. Sie wurden im Zuge der Exzellenzförderung vor rund eineinhalb Jahren an der Universität Bonn eingerichtet, denn schon vor der Corona-Pandemie wurde deutlich: Große gesellschaftliche Herausforderungen und die damit zusammenhängenden komplexen Fragen kann keine wissenschaftliche Disziplin allein beantworten.
Bei dem jetzt durch die DFG bewilligten Projekt handelt es sich um die bisher größte Drittmittelförderung in den Transdisziplinären Forschungsbereichen. Zahlreiche weitere sollen folgen, denn die Tendenz zeigt: Immer mehr Forschende aus unterschiedlichen Fachbereichen finden sich derzeit an der Universität Bonn zusammen, um gemeinsam Projekte zu starten.
Darüber hinaus ist das Projekt das Ergebnis der starken Zusammenarbeit der TRA „Modelling“ und des Hausdorff Centers for Mathematics. Die enge Kooperation spiegelt sich auch in anderen Bereichen wider – unter anderem kommen in der gemeinsamen Veranstaltungsreihe „HCM meets TRA1“ Forschende beider Verbünde zusammen.