02. Juni 2023

Wenn der Stoffwechsel aus dem Gleichgewicht gerät Wenn der Stoffwechsel aus dem Gleichgewicht gerät

Ein Symposium zeigt neueste Behandlungsansätze auf

Wie bringen mangelnde Bewegung, falsche Ernährung und zu hohe Energiezufuhr den Stoffwechsel aus dem Gleichgewicht? Neueste Antworten zu dieser alt bekannten Frage soll ein öffentliches Symposium der Leopoldina am Freitag, 16. Juni, von 9 bis 18 Uhr im Biomedizinischen Zentrum I auf dem Venusberg-Campus des Universitätsklinikums Bonn (UKB) liefern. Die Leopoldina bearbeitet als Nationale Akademie der Wissenschaften wichtige gesellschaftliche Zukunftsthemen. Prof. Dr. Alexander Pfeifer vom Institut für Pharmakologie und Toxikologie des UKB und Mitglied des Transdisziplinären Forschungsbereichs „Life & Health“ der Universität Bonn organisiert als Leopoldina-Mitglied dieses Symposium zusammen mit Prof. Dr. Christian Wolfrum von der ETH Zürich und Prof. Dr. Hannelore Daniel von der TU München. 

Prof. Dr. Alexander Pfeifer
Prof. Dr. Alexander Pfeifer - vom Institut für Pharmakologie und Toxikologie. © Foto: Saba/UKB
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Es geht um „Stoffwechsel aus dem Gleichgewicht“. Welche tödlichen Folgen kann diese Imbalance haben?
Der Stoffwechsel ist normalerweise im Gleichgewicht und Störungen können dramatische Folgen haben: Das Spektrum reicht vom Abbau von Fett- und Muskelgewebe bei Mangelernährung oder Tumorerkrankungen bis hin zur Fettsucht (Adipositas) und Herzinfarkt.

Wie gerät der Stoffwechsel aus dem Gleichgewicht?
Dies geschieht, wenn wir zu viel Energie über die Nahrung zuführen oder zu wenig Energie verbrauchen, uns etwa zu wenig bewegen. Die überschüssige Energie wird dann vor allem im weißen Fettgewebe, aber auch in der Leber und anderen Organen gespeichert.

Welche neuen Forschungsansätze gibt es für Diagnostik und Therapie?
Den Menschen nur zu sagen „esst weniger und bewegt Euch mehr!“ ist meistens nicht ausreichend. Wichtig ist dabei, dass unser Körper bei einer Reduktion der Energiezufuhr, zum Beispiel durch Fasten, sofort gegensteuert und weniger Energie verbraucht. Das ist übrigens die Ursache für den berühmten Jojo-Effekt bei nieder-kalorischen Diäten. Pharmakologische Ansätze werden dringend gebraucht, um die verheerenden Folgen der Adipositas – darunter Herzinfarkt, Schlaganfall, Diabetes mellitus und einige Krebsarten – zu bekämpfen.

Gibt es bald die „Schlankmach-Pille“?
Die wird es auf absehbare Zeit nach meiner Ansicht nicht geben. Aber wichtig wäre es, Medikamente zu haben, die den Energiehaushalt wieder ins Gleichgewicht bringen und etwa das Abnehmen unterstützen und vor allem die Konsequenzen der Adipositas wie Diabetes und Herzinfarkt reduzieren.

Sie erforschen seit vielen Jahren, wie sich durch die Umwandlung von weißem in braunes Fett der Energieverbrauch ankurbeln lässt. Die braunen Fettzellen wandeln die Nahrungsenergie in Wärme um und reduzieren dadurch die weißen Fettzellen. Welche Perspektiven ergeben sich dadurch?
Nicht alle Fettdepots sind schlecht oder gefährlich, es gibt neben dem weißen Fett auch braunes Fett, das Energie abgeben kann. Dieses braune Fett könnte uns vielleicht helfen, das Ungleichgewicht des Energiehaushalts beziehungsweise Stoffwechsels wieder ins Lot zu bringen.

Welche chirurgischen Techniken zeichnen sich für die Zukunft ab?
Es gibt schon sehr effektive chirurgische Verfahren, die zur Reduktion des Körpergewichts beitragen. Diese werden als "bariatrische Chirurgie" bezeichnet. Dazu zählen etwa Magenverkleinerung und Magenbypass. Ein Ziel ist es, die Effekte der bariatrischen Chirurgie mit Medikamenten nachzuahmen - ohne die Nebeneffekte der Chirurgie zu haben. Dazu müssen wir aber verstehen, welche Prozesse nach der Chirurgie in Gang gesetzt werden beziehungsweise welche Hormone oder Botenstoffe dabei ausgeschüttet werden.

Wie lautet Ihre Prognose: Werden unsere Kinder und Enkelkinder eine geringere Lebenserwartung haben als die Babyboomer-Generation?
Wie kürzlich in der Presse zu lesen, ist im europäischen Vergleich die Lebenserwartung in Deutschland trotz enormer Kosten des Gesundheitswesens relativ gering. Nicht-übertragbare Erkrankungen wie die Adipositas sind laut WHO mit 74 Prozent aller Todesfälle die Hauptursache weltweit. Kardiovaskuläre Erkrankungen, wie Herzinfarkt und Schlaganfall, sind die wichtigsten nicht-übertragbaren Erkrankungen - und die Adipositas ist wiederum eine wichtige Ursache für diese Erkrankungen.

Das Symposium

Das Symposium „Stoffwechsel aus dem Gleichgewicht: Zwischen Forschung und gesellschaftlicher Relevanz“ findet am Freitag, 16. Juni 2023, 9 bis 18 Uhr im Biomedizinischen Zentrum I auf dem Venusberg-Campus des UKB statt. Die Veranstaltung ist öffentlich, kostenlos und richtet sich an fachlich Interessierte. Das Symposium beschäftigt sich mit der Erforschung von Ursachen und Behandlungsstrategien von Stoffwechselerkrankungen und ihrer herausragenden gesellschaftlichen Relevanz. Expertinnen und Experten aus verschiedenen Bereichen diskutieren hierfür Hintergrundinformationen sowie aktuelle Entwicklungen.

Programm: https://www.leopoldina.org/veranstaltungen/veranstaltung/event/3081/

Kontakt:

Dr. Stephan Altmann
Institut für Pharmakologie und Toxikologie des UKB
Tel. 0228/28757419
E-Mail: stephan.altmann@uni-bonn.de

Eckart von Hirschhausen beim Medizin-Symposium

Der bekannte Arzt und Gründer der Stiftung Gesunde Erde-Gesunde Menschen Eckart von Hirschhausen gibt bei der Veranstaltung am Freitag, 16. Juni, ab 9 Uhr, einen Impuls „Von der persönlichen zur planetaren Gesundheit und zurück“ und diskutiert, wie aus Wissenschaft gute Politik wird. Zitat: „Was wir essen, hat nicht nur für unseren Körper massive Auswirkung, sondern auch auf die Ressourcen und auf die Hitze und den Hunger weltweit. Der Ansatz der Lancet „Planetary Health Diet“ ist in Deutschland noch zu wenig bekannt und umgesetzt. Dabei ist er ein entscheidender Hebel für gesunde Menschen auf einer gesunden Erde. Salopp gesagt: mehr Gemüse und weniger Fleisch zu essen ist ein echter Verzicht – ein Verzicht auf Herzinfarkt und Schlaganfall. Und darauf kann ich gerne verzichten“.

Kurzinfos zu den Organisierenden

Prof. Dr. Hannelore Daniel studierte Ernährungswissenschaft und arbeitete in Deutschland, Großbritannien und den USA. In ihrer letzten Position als Inhaberin des Lehrstuhls für Ernährungsphysiologie an der Technischen Universität München widmete sie sich den Kontrollmechanismen des Stoffwechsels. Sie ist Mitglied der Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina und Beraterin für nationale und internationale Fördergremien, Ministerien sowie Forschungszentren.

Prof. Dr. Christian Wolfrum untersucht am Institut für Ernährung und Gesundheit an der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich die physiologischen Regulationsvorgänge im Fettgewebe sowie die pathophysiologischen Anpassungsprozesse bei Stoffwechselerkrankungen. Ziel dieser Forschung ist die Entwicklung neuer pharmakologischer und ernährungsbasierter Strategien zur Behandlung von Fettleibigkeit und den daraus resultierenden Stoffwechselerkrankungen. Er ist Mitglied der Leopoldina.

Prof. Dr. Alexander Pfeifer forscht in Bonn an zellulären Signalwegen, molekularer Pharmakologie und Wirkstoffen. Sein Fokus liegt dabei auf Energiehaushalt und Stoffwechselerkrankungen, um potentielle Zielstrukturen für neue Wirkstoffe und Therapieansätze zu identifizieren. Er ist Sprecher des DFG-geförderten Sonderforschungsbereichs SFB/TRR333, der sich mit Energie-Homöostase und braunem Fett beschäftigt. Er leitet das Institut für Pharmakologie und Toxikologie, ist Mitglied der Leopoldina und aktuell Sprecher des Pharma-Zentrums Bonn.

Prof. Dr. Hannelore Daniel
Prof. Dr. Hannelore Daniel - von der Technischen Universität München. © Foto: Hannelore Daniel
Prof. Dr. Christian Wolfrum
Prof. Dr. Christian Wolfrum - von der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich. © Foto: Markus Bertschi/ETH Zürich
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