Was ist an der Ökonomie menschlich?
Die Wirtschaft ist Menschenwerk, ohne menschliches Denken und Handeln gäbe es keine Wirtschaft. Menschen entwickeln Regelsysteme, zum Beispiel für den Austausch über Märkte, und Geschenkangebote in öffentlichen Bücherschränken, wie auf der Poppelsdorfer Allee, und sie gründen und führen Betriebe, also Haushalte, Unternehmen und Vereine. Selbstverständlich ist alles, was Menschen denken irrtumsanfällig und Handlungen können schiefgehen.
Bleiben wir bei den Irrtümern. Sie sprechen von einem verkürzten Verständnis, weil häufig nur der Unternehmenssektor im Fokus steht.
Private Haushalte sind die grundlegenden Organisationen im Wirtschaftsleben. In ihnen beginnt der Wirtschaftsprozess – mit Überlegungen und Handlungen, um den Bedarf zu decken. Dazu gehört nicht nur die Beschaffung von Geld und Konsumgütern, sondern auch Kochen, Putzen und Waschen sowie Investieren, zum Beispiel in ein Eigenheim. Das Statistische Bundesamt hat nachgewiesen, dass von der gesamten Arbeitszeit der Bevölkerung mehr als die Hälfte auf unbezahlte Arbeit, hauptsächlich in den privaten Haushalten, entfällt.
Was muss sich ändern?
Die moderne Ökonomik als wissenschaftliche Disziplin der Ökonomie betrachtet hauptsächlich geldvermittelte Austauschprozesse über Märkte und Wirtschaftsaktivitäten des Staates. Dadurch wird der Eindruck vermittelt, dass Wirtschaft nur stattfindet, wenn Geld fließt. Viele Aktivitäten von Haushalten und Vereinen fallen aus dieser Betrachtung heraus. Wir müssen uns vergegenwärtigen, dass die allermeisten Unternehmen keine perfekten Konsumgüter liefern, sondern lediglich Vorleistungen. Auch eine „Fertigpizza“ muss noch im Backofen vollendet werden. In Vereinen sind in gemeinsamer Produktion Leistungen möglich, wie im Karnevalsverein und im Fußballklub, bei denen es nicht um das Kaufen, sondern um das Mitmachen geht.
Wir können uns durch Wissen wappnen und die Ökonomie mitgestalten - das ist die Leitidee des Buches. Können Sie das bitte an einem Beispiel veranschaulichen?
Bei Unternehmensgründungen wird häufig an Großbetriebe gedacht, die meisten Unternehmen werden aber in enger Vernetzung mit dem eigenen Haushalt als Minibetrieb von einer Person mit geringem Kapitaleinsatz und ohne Eintragung ins Handelsregister gegründet. Mehr als die Hälfte startet sogar im teilzeitlichen Neben- oder Zuerwerb. Auswertungen des Statistischen Bundesamtes zeigen zum Beispiel für 2016, dass 49 Prozent der Unternehmen in Deutschland keine und weitere 41 Prozent weniger als zehn sozialversicherungspflichtig Beschäftigte hatten.
Sie sprechen von der Zählebigkeit überholter Denkweisen, insbesondere was das Modell des rein rational handelnden Menschen betrifft. Wo muss hier nachjustiert werden?
Eigentlich ist das Modell des stark rational handelnden Wirtschaftsmenschen bereits lange überholt. Unser hoch verehrter Bonner Wirtschaftsnobelpreisträger Reinhard Selten, bei dem ich in Berlin studiert habe, hat dazu beigetragen, dem Konzept der beschränkten Rationalität zum Durchbruch zu verhelfen. In ökonomischen Textbüchern findet sich aber immer noch die Modellannahme starker Rationalität – nicht als Aussage über die Realität, sondern als methodische Vorentscheidung. Aber wenn Abweichungen von diesem Modell als Anomalie statt als Normalfall bezeichnet werden, ist das irritierend.