Wasserschildkröten lieben es verständlicherweise leicht: Ihr Panzer ist von zahlreichen Hohlräumen durchzogen. Der schwammartige Aufbau verleiht ihnen Auftrieb und spart Energie. "Bei fast allen heutigen Schildkröten, die sich überwiegend im Wasser aufhalten, beobachten wir diesen Trend zur Leichtbauweise", erklärt Torsten Scheyer. "Bei ihren landlebenden Verwandten ist der Knochenpanzer dagegen kompakter; Hohlräume sind viel seltener."
Der Paläontologe weiß, wovon er spricht: Für seine Studie hat er die Knochenrüstung von drei Dutzend heutigen Schildkrötenarten unter die Lupe genommen. Dazu kamen fossile Panzerreste von knapp 70 längst ausgestorbenen Arten. Verblüffendes Ergebnis: "Die 200 Millionen Jahre alten Fossilfunde ähnelten frappierend der massiven Panzerung heutiger Landschildkröten", betont Scheyer, der inzwischen an der Universität Zürich beschäftigt ist. "Die ersten Schildkröten waren daher aller Wahrscheinlichkeit nach ebenfalls Landbewohner."
Das Ergebnis bringt eine alte These ins Wanken: Demnach hätten die gepanzerten Reptilien ursprünglich zumindest teilweise im Wasser gelebt. Erst später hätten einige Nachfahren den Sprung aufs Land vollzogen. Lange war diese Vorstellung unter Paläontologen allgemein akzeptiert. Bis sich vor drei Jahren die US-Wissenschaftler Dr. Walter Joyce und Dr. Jacques Gauthier die Fossilfunde genauer ansahen: Aus dem Vergleich der Vorderbeine mit denen heutiger Arten schlossen sie, die ersten Schildkröten seien eindeutig Landbewohner gewesen.
"Leider gibt es nicht allzu viele gut erhaltene Beinfunde aus dieser Zeit", erläutert Torsten Scheyer. "Panzerfragmente sind erheblich häufiger; daher unsere Idee, uns darauf zu konzentrieren." Die Bonner Ergebnisse untermauern den Befund von Joyce und Gauthier eindrucksvoll - es sieht so aus, als sei die Geschichte der behäbigen Reptilien doch ganz anders verlaufen als lange gedacht.
Shell bone histology indicates terrestrial palaeoecology of basal turtles. Torsten Scheyer, Dr. Martin Sander; Proceedings of the Royal Society B (10.1098/rspb.2007.0499)
Kontakt:
Torsten Scheyer
Paläontologisches Institut und Museum der Universität Zürich
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E-Mail: tscheyer@pim.uzh.ch
oder Dr. Martin Sander
Institut für Paläontologie der Universität Bonn
Telefon: 0228/73-3105
E-Mail: martin.sander@uni-bonn.de
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Fossile Landschildkröte aus Nordamerika. (c) Torsten Scheyer, Paläontologisches Institut und Museum der Universität Zürich
Bild einer heutigen semi-aquatischen Schildkröte (Phrynops hilarii) aus Südamerika. Foto: Mónica Solórzano Kraemer, Institut für Paläontologie, Uni Bonn
Dünnschliffbild des Panzers einer fossilen Meeresschildkröte. Deutlich sind im Knochen die mit hellen Mineralien gefüllten "Hohlräume" (sie sind im lebenden Knochen mit Fluessigkeit, Fettgewebe etc. gefüllt) zu erkennen. (c) Georg Oleschinski, Inst
Vom Wasser aufs Land? Haben Torsten Scheyer und Dr. Martin Sander Recht, verlief die Entwicklung der Schildkröten genau andersherum? Foto: Dr. Thomas Mauersberg / Uni Bonn