Bekannt geworden ist Julius Plücker insbesondere durch seine geometrischen Beiträge " ein Thema, das im 19. Jahrhundert besonders intensiv bearbeitet wurde. Bei seinen Arbeiten entwickelte er einen sehr eigenen Stil: So vermied er wo möglich explizite Berechnungen und versuchte stattdessen, Gleichungen der Geometrie in geometrische Sätze mit reinen Worten zu übersetzen " seine berühmte "abgekürzte Bezeichnungsweise". Dabei gelangen ihm verblüffend einfache Beweise. Allerdings war er manchmal auch etwas zu unbedacht, sodass ihm Fehler unterliefen und er falsche Vermutungen aufstellte. Mit seinem Namen sind beispielsweise die "Plückerschen Koordinaten" sowie die "Plückerschen Formeln" verbunden, die eine einfache Relation zwischen den Anzahlen spezieller Punkte einer Kurve herstellen.
Für Plücker waren der Punkt und die Gerade gleichberechtigte Grundelemente der Geometrie der Ebene, so wie es für ihn Punkt und Ebene für die Geometrie des Raumes sind. Er entwickelt hieraus seine Liniengeometrie. In der projektiven Geometrie stellt er das Dualitätsprinzip auf: Ein mathematischer Lehrsatz kann durch einen entsprechenden " den dualen " ersetzt werden, sofern man die geeigneten Begriffe miteinander vertauscht.
Neben den deutschen Mathematikern waren es vor allem französische Forscher wie Poncelet, Gergonne oder Monge, die führend auf dem Gebiet der analytischen Geometrie waren. Dabei wird Plücker in einen Prioritätsstreit zwischen Poncelet und Gergonne hineingezogen.
Habilitation in Bonn
Seine beruflichen Stationen sind schnell aufgezählt. Nachdem er 1825 in Bonn habilitiert worden war und 1828 dort außerordentlicher Professor wurde, unterrichtete er von 1832 bis 1834 in Berlin sowohl als außerordentlicher Professor als auch als Lehrer am Friedrich-Wilhelms-Gymnasium. Die nächsten beiden Jahre ist er als ordentlicher Professor in Halle tätig, um anschließend nach Bonn zurückzukehren. Hier sollte er dann bis zu seinem Tode am 22. Mai 1868 wirken.
Der zweite Band seines letzten, nicht mehr vollendeten Buches wird von seinem Assistenten Felix Klein herausgegeben. Als er 1836 nach Bonn zurückberufen wird, sind nach dem Tod von Karl Dietrich von Münchow gleich drei Professuren verwaist und die Universität in Besetzungsnot. Die beiden Ordinariate für Mathematik und Physik übernimmt Plücker; das für Astronomie erhält Friedrich Wilhelm August Argelander, der dereinst die berühmte "Bonner Durchmusterung" vornimmt. Daneben ist Plücker 17 Jahre lang Direktor der wissenschaftlichen Prüfungskommission Bonn, die für die Prüfungen der Gymnasiallehrer zuständig ist.
Später sollte die Doppelbelastung einer der Gründe für die Animositäten und Auseinandersetzungen mit dem 30 Jahre jüngeren Rudolf Otto Sigismund Lipschitz (1832-1903) werden, als dieser vorschlägt, ein Seminar in Bonn für Mathematik aufzubauen. Plücker will sich dem mit dem Seminar verbundenen Lehrbetrieb entziehen beziehungsweise nur dann unterrichten, wenn die Studenten verpflichtet werden, sowohl an seinem als auch an Lipschitz? Seminar teilzunehmen. Hinzu kam wohl auch die Enttäuschung Plückers darüber, dass nicht der von ihm gewünschte Alfred Clebsch, sondern der Analytiker Lipschitz, also der mehr rechnende Mathematiker, als zweiter Ordinarius für Mathematik berufen worden war.
Anfeindungen und teilweise hämische Angriffe
In Deutschland war es insbesondere die heftige Auseinandersetzung mit der sogenannten "Berliner Schule" um den Schweizer Mathematiker Jakob Steiner, der einen synthetischen Aufbau der Geometrie vertrat, die Plückers Arbeit bestimmen sollte. Als Folge musste Julius Plücker Anfeindungen und teilweise hämische Angriffe erdulden. Ein Grund für den heftigen Streit der beiden Gelehrten war, dass August Leopold Crelle, der Begründer der mathematischen Zeitschrift "Journal für die reine und angewandte Mathematik", Plücker Steiner gegenüber bevorzugte.
Wohl als Folge der Streitigkeiten und der mangelnden Anerkennung in Deutschland wandte sich Plücker ab 1847 der Physik zu und ließ seine mathematischen Arbeiten für mehrere Jahre ruhen. Erst im Jahr 1863, in dem auch Steiner stirbt, wendet sich Plücker wieder der Mathematik zu. Ein Zufall? Obwohl ursprünglich Mathematiker, waren Plückers physikalische Arbeiten rein qualitativ, beschreibend. Auch hier vermied er es zu rechnen. Er war nicht, was man heute einen mathematischen Physiker nennt.
Auf der Spur der Kathodenstrahlen
Plücker befasst sich mit dem Verhalten von Kristallen im Magnetfeld, der Entladung der Elektrizität in verdünnten Gasen sowie mit der Analyse der Spektrallinien von Gasen und erkennt, dass die Spektren charakteristisch für eine chemische Substanz sind. Zusammen mit dem Glasbläser Heinrich Geißler, der für ihn die Instrumente anfertigt, untersucht er in fast luftleer gepumpten Glasröhren " den Gasentladungsröhren oder auch Geißlerschen Röhren " was passiert, wenn man eine hohe Spannung zwischen zwei an den Enden der Röhre eingeschmolzenen Elektroden erzeugt. Sie finden heraus, dass von der negativ geladenen Elektrode, der Kathode, Strahlen ausgehen, welche die Glaswände zum Leuchten anregen. Kurze Zeit später werden diese Strahlen als Kathodenstrahlen bezeichnet. Heute weiß man, dass es sich dabei um die negativ geladenen Elektronen handelt.
Anerkennung im Ausland
Seine physikalischen Arbeiten brachten Plücker insbesondere in Frankreich und Großbritannien Anerkennung. So verwundert es nicht, dass Plücker mit Michael Faraday, einem der wichtigsten Physiker des 19. Jahrhunderts über 15 Jahre hinweg korrespondierte. Die höchste Auszeichnung, die Julius Plücker verliehen wurde, war eine ausländische, nämlich 1866 die Copley-Medaille der Londoner Royal Society.
Auf dem Alten Friedhof in Bonn befindet sich das Grabmal der Familie Plücker zusammen mit einer Büste Plückers. In der Kessenicher Reutersiedlung trägt eine Straße den Namen Julius-Plücker-Straße.
Text: René Wiegand
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Foto: Dirk Breer, Bonn
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