Fröhlich läuft das kleine Mädchen den Krankenhausflur entlang. "Jede Nacht schläft Aaqela jetzt ohne Schlafstörung durch. Auch hat sie seit der Kiefer-Operation circa fünf Kilo zugenommen", freut sich ihr Pflegevater Khalil Z.. Bereits vor rund zweieinhalb Jahren holte der Bonner Verein für Afghanistan-Förderung die damals Dreijährige nach Deutschland. Denn eine Heilung ihres Kiefers sowie ihrer schiefen Hüfte war in der Heimat nicht möglich. Seitdem kümmert sich die afghanische Gastfamilie aus Dortmund rührend um Aaqela, die jetzt Deutsch und Persisch spricht - zusätzlich zu ihrer Muttersprache Paschtu. "Sie ist sehr lebhaft, aufgeschlossen und intelligent", sagt Khalil Z., der ihr auf eigene Kosten den Besuch eines privaten Kindergartens ermöglicht.
Neues Knochengewebe gegen Schlafstörung
Nachdem die Behandlung ihrer gravierenden Hüftfehlstellung in Dortmund erfolgreich die Gefahr eines Lebens im Rollstuhl bannte, waren kieferchirurgische Korrekturen dringend nötig. Die Bonner Ärzte verlängerten als Erstes mit einer neuartigen Methode, der so genannten Distraktionsosteogenese, den verkürzten Unterkiefer von Aaqela. "Wir gewannen innerhalb von drei Wochen bis zu zwei Zentimeter neues Knochengewebe, ohne Aaqela mit langwierigen Operationen zu belasten", sagt Professor Dr. Dr. Rudolf Reich, Direktor der Klinik für Mund-, Kiefer- und plastische Gesichtschirurgie am Universitätsklinikum Bonn. Dazu wurden auf beiden Seiten des Unterkiefers zwei Platten an einer künstlich angelegten Fuge fixiert. In diesem Spalt bildete sich weiches Knochengewebe, der so genannte Kallus. Der Abstand zwischen den Platten wurde täglich mittels eines Schraubengewindes leicht vergrößert. Kallus wuchs nach und füllte die Lücke. "Die Zunge kommt jetzt nach vorne und die Zähne haben einen
guten Biss. Unsere kleine Patientin kann ohne Atemnot schlafen und richtig kauen", erklärt Professor Reich, der das kleine Mädchen ohne Honorar behandelt.
Gummiartiges Material ermöglicht Mundöffnung
Doch noch ist Aaqelas Unterkiefer beidseitig mit dem Schädelbasisknochen fest zusammengewachsen. Sie kann ihren Mund nicht richtig öffnen. Daher wollen die Bonner Mund-Kiefer-Gesichtschirurgen Ende August die verwachsenen Knochen trennen. Dazu entfernen sie unterhalb der Schädelbasis etwa acht Millimeter vom Kieferknochen und setzen ein Stück Silastic - ein Material wie harter Radiergummi - in die Lücke ein. Das Silastic verhindert, dass der Knochen wieder nachwächst. Zudem wirkt das Material wie eine Gleitschicht und der Unterkiefer kann sich bewegen.
"Aaqela hat jetzt die Chance auf ein normales Leben. Vermutlich wird sie sogar ihr Leben lang mit dieser Lösung zurechtkommen, denn eine Kiefergelenks-Endoprothese ist meist nicht nötig", sagt Professor Reich. Die Rückreise von Aaqela in ihre Heimat ist für den nächsten Frühling geplant. Pflegevater Khalil Z. wird sie begleiten, um dem kleinen Mädchen diesen Schritt nach der langen Zeit in Deutschland zu erleichtern. Er hat sie wie eine Tochter ins Herz geschlossen. "Wir danken allen, die unserer Aaqela geholfen haben."
Informationen zum Verein für Afghanistan-Förderung gibt es im Internet unter
http:// www.afghanistanfoerderung.de
Kontakt für die Medien:
Professor Dr. Dr. Rudolf Reich
Direktor der Klinik für Mund-, Kiefer-
und plastische Gesichtschirurgie
Zentrum für Zahn-, Mund- und
Kieferheilkunde des Universitätsklinikums Bonn
Telefon: 0228/287 - 22452
E-Mail: rudolf.reich@ukb.uni-bonn.de
Bilder zu dieser Pressemitteilung:
Zum Download einer Bilddatei in Originalauflösung bitte auf die Miniaturansicht klicken. Der Abdruck im Zusammenhang mit der Presseinformation ist kostenlos, dabei ist der angegebene Bildautor zu nennen.
Professor Reich im Gespräch mit seiner Patientin Aaqela (c) Dr. Inka Väth / Uni Bonn
Ein glückliches Quartett: (v. li) Pflegevater Khalil Z., Aaqela, Oberarzt Dr. Dr. Ralf Steffens und Professor Dr. Dr. Rudolf Reich (c) Dr. Inka Väth / Uni Bonn