Am 17. Juni 1983 trug Gerd Faltings auf der Mathematischen Arbeitstagung " einer von Professor Friedrich Hirzebruch gegründeten jährlichen Veranstaltung an der Universität Bonn " seinen Beweis der Mordellschen Vermutung vor. Infolge dieser Veranstaltung erfuhr erstmals eine breite Öffentlichkeit von diesem Durchbruch in der algebraischen Geometrie. Die Vermutung, die der amerikanisch-britische Mathematiker Louis Joel Mordell 1922 formuliert hatte, war sechs Jahrzehnte lang eine intellektuelle Herausforderung ersten Ranges, an der sich zahllose Mathematiker die Zähne ausgebissen hatten. Faltings Lösung zur "Modellschen Aufgabenstellung" wurde 1983 und damit 61 Jahre später in der Oktoberausgabe der Fachzeitschrift Inventiones Mathematicae abgedruckt.
Mordells Vermutung besagte, dass eine algebraische Kurve, deren "Geschlecht" größer als 1 sei, nur endlich viele rationale Punkte habe " also nicht unendlich viele. Einfache algebraische Kurven werden durch eine Polynom-Gleichung beschrieben: Beispiele sind die Gleichung x=y, die " im kartesischen Koordinatensystem " eine Gerade beschreibt, und x2 + y2 = 1, was eine Kreislinie bedeutet. Diese einfachen Beispiele haben jedoch einen Haken: Kreis und Gerade können sehr wohl unendlich viele rationale Punkte haben. Deshalb auch die Sache mit dem Geschlecht. Indem Mordell eine algebraische Kurve mit Geschlecht größer 1 postulierte, klammerte er einfache Kurven " wie Kreis und Gerade " aus seiner Vermutung aus.
Nun fehlt uns zum Verständnis der Aufgabenstellung nur noch eine Beschreibung dessen, was mit "rationaler Punkt" gemeint ist: Ein rationaler Punkt ist ein Punkt, dessen Koordinaten entweder ganze Zahlen oder Brüche aus ganzen Zahlen sind. In einer nur 17 Seiten starken Abhandlung bewies Faltings, dass Mordell mit seiner Vermutung Recht hatte. Und eine Handvoll Experten auf dem Gebiet der algebraischen Geometire weltweit bescheinigte Faltings wiederum, fehlerfrei argumentiert zu haben. Mit seinem Beweis erregte der bescheidene Professor von der Universität Wuppertal damals auch großes Aufsehen in den tagesaktuellen Medien. Vor allem aber hat er " nach damaliger wie heutiger Einschätzung " seiner Disziplin den größten Dienst erwiesen. Sein Durchbruch in der algebraischen Geometrie strahlte auf andere Teilgebiete der Mathematik ab, etwa auf die Zahlentheorie. Faltings Arbeiten waren auch wichtige Grundlage für den britischen Mathematiker Andrew Wiles, der 1995 die Fermatsche Vermutung bewies, welche rund 370 Jahre lang strittig war. Bis heute gibt es mathematische Postulate und Vermutungen, die " bisher unbewiesen " für Mathematiker in der ganzen Welt eine Herausforderung ersten Ranges darstellen, so zum Beispiel die Riemannsche Vermutung.
In der Mathematik ist eine Vermutung eine noch nicht bewiesene Aussage, die aber von allen bekannten Tatsachen erfüllt wird. Durch einen Beweis wird aus einer Vermutung ein Satz. Durch einen Gegenbeweis oder ein Gegenbeispiel kann eine Vermutung aber auch widerlegt werden.
Gerd Faltings ist heute Direktor des Max-Planck-Instituts für Mathematik in Bonn. Er ist Vorstandmitglied des Hausdorff-Zentrums für Mathematik der Universität Bonn und dort maßgeblich an zwei der insgesamt 12 Forschungsbereichen beteiligt.
Kontakt und weitere Informationen:
Dr. Pieter Moree
Max-Planck-Institut für Mathematik, Bonn
Telefon: 0228/402 232
E-Mail: moree@mpim-bonn.mpg.de
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Gerd Faltings. Foto: Homann/Uni Bonn