Im Hawler Cardiac-Center erwarteten einige der kleinen Patienten bereits seit acht Stunden die Ankunft des deutschen Teams. Gerade die Eltern setzten all ihre Hoffnung auf die fünf Bonner, dass sie ihrem Kind vielleicht doch noch würden helfen können. Zwar hat das Herzzentrum in Erbil, der größten Stadt des halbautonomen Kurdengebiets im Nordirak, drei gut ausgestattete und klimatisierte Operationssäle sowie zwei moderne Herz-Katheter-Labore. „Patienten können hier sehr gut versorgt werden“, weiß Dr. Bahman Esmailzadeh, Kinderherzchirurg am Bonner Universitätsklinikum, der dort bereits erwachsene Herzpatienten operiert hat.
Doch ein auf Kinderherzen spezialisiertes Team gibt es in Erbil nicht. Daher konnte Esmailzadeh seine Kollegen, den Kinderkardiologen Professor Dr. Johannes Breuer und den Anästhesisten Professor Dr. Harry Murday, sowie die beiden Kinder-Intensivschwestern Anja Henschler und Simone Ross für den ehrenamtlichen Einsatz gewinnen.
Voller Einsatz am Operationstisch
Gleich am Ankunftstag schaute sich das Bonner Team die ersten von insgesamt 70 kleinen Herzpatienten des Hawler Cardiac-Center an. Da die Bonner Spezialisten nicht alle Hilfesuchenden in der Kürze der Zeit behandeln konnten, mussten sie selektieren. „Wir haben die Kinder mit einem erhöhten, aber überschaubaren Risiko behandelt. Denn einfachere Herzfehler können auch von unseren dortigen Kollegen operiert werden. Besonders schwer war es - auch wegen der zusätzlichen Sprachbarriere - den Eltern mitzuteilen, dass der Herzfehler ihres Kindes inoperabel ist“, sagt Professor Breuer.
Nach der morgendlichen Visite behandelte das Team an fünf Tagen elf Stunden täglich ohne längere Pausen insgesamt 18 Kinder – davon zehn operativ und acht mittels Herzkatheter. „Ohne ein auf Kinderherzen spezialisiertes Team wären diese Eingriffe bei solchen komplexen Herzfehlern viel zu unsicher gewesen“, konstatiert Esmailzadeh. So barg der Fall eines 13-jährigen Mädchens beispielsweise ein besonderes Risiko.
Ein verhindertes Desaster
Das Mädchen litt unter starker Atemnot und konnte nur noch im Sitzen schlafen. Durch ein so genanntes Cor triatriatum staute sich das Blut in die Lunge zurück. Denn bei diesem sehr seltenen Herzfehler teilt eine fast undurchlässige Membran den linken Vorhof in zwei Teile. Diese zu entfernen, ist normalerweise ein problemloser Eingriff.
Doch ein zunächst unbekannter Begleitfehler machte den üblichen Anschluss der Herzlungenmaschine unmöglich. „Das hätte böse ins Auge gehen können“, sagt Professor Breuer, der im Herz-Ultraschall eine Verbindung zwischen dem so genannten Coronarsinus, in den alle das Blut abführende Herzvenen münden, und dem linken Vorhof entdeckte. Dadurch hätte Luft über die rechte Herzkammer in die Herz-Lungen-Maschine gelangen können. Die künstliche Lunge hätte abgeschaltet werden müssen. Da der Kinderherzchirurg jedoch den Begleitfehler vor der Operation kannte, konnte er diese Komplikation abwenden.
Kein Erholungsurlaub
Das Bonner Team opferte gerne eine Woche Urlaub und hatte für ihre kleinen Patienten auch Stofftiere, Buntstifte und Haribo im Reisegepäck. Zudem profitierten nicht nur die kompetenten irakischen Kollegen durch den Erfahrungsaustausch. „Neben wertvollen persönlichen Erfahrungen haben auch wir neue fachliche Erkenntnisse gewonnen“, sagt Professor Breuer. Doch alle sind sich einig: Ein solche Hilfsaktion ist kein Erholungsurlaub. Dem straffen OP-Plan fiel sogar der geplante freie Tag zum Opfer. Dennoch denken die Bonner bereits an einen nächsten Einsatz im nordirakischen Erbil.
Kontakt für die Medien:
Professor Dr. Johannes Breuer
Direktor der Abteilung für Kinderkardiologie
Zentrum für Kinderheilkunde des Universitätsklinikums Bonn
Telefon: 0228/287-33350
E-Mail: johannes.breuer@ukb.uni-bonn.de