16. September 2009

"Langhälse" aus der Wüste "Langhälse" aus der Wüste

Deutsche und spanische Paläontologen entdecken neuen Dinosaurier in Niger

Wieder ein neuer Dinosaurier. Denkt man an die Masse der Skelette in Ausstellungshallen von Museen oder Meldungen von neu entdeckten Spezies mit halsbrecherischen Namen, könnte man meinen, die „Schreckensechsen“ seien allmählich ausgeforscht. Keineswegs! Gerade die bekannten „Langhälse“, die sogenannten Sauropoden, hüten eisern das Geheimnis ihrer Entstehung. Umso aufregender ist der neueste Fund, den Paläontologen der Universität Bonn zusammen mit Kollegen aus Braunschweig und Elche, Spanien, jetzt im Online-Fachjournal PLoS ONE veröffentlicht haben: Spinophorosaurus nigerensis ist einer der ursprünglichsten Sauropoden, die vor 170 Millionen Jahren über die Erde stapften.

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projektDino_schaedel_frei_mitschatten.jpg - Scharfe Zähne: der Schädel von Spinophorosaurus nigerensis © Staatliches Naturhistorisches Museum Braunschweig
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„Die spätere Geschichte der Sauropoden kennen wir gut, aber über ihre frühe Evolution wissen wir erschreckend wenig“, sagt Dr. Kristian Remes, Paläontologe des Steinmann-Institutes der Universität Bonn. Der junge Wissenschaftler wurde von den Entdeckern der beiden Spinophorosaurus-Skelette, einem Team aus deutschen und spanischen Paläontologen, zur wissenschaftlichen Bearbeitung hinzugezogen.

Fossile Sauropoden stammen zumeist aus der Kreidezeit, die vor etwa 65  Millionen Jahren endete. Funde aus dem Unteren und dem Mittleren Jura vor etwa 200 bis 170 Millionen Jahren, als die Riesenechsen entstanden, sind dagegen extrem rar. „Vollständige Skelette von primitiven Formen hatten wir bisher nur sehr wenige“, erklärt Remes. Die brauchen die Wissenschaftler aber, um die Evolution der Dinosaurier rekonstruieren zu können. Die Entdeckung zweier fast vollständiger Exemplare durch Teams des Staatlichen Naturhistorischen Museums Braunschweig und des Museo Paleontologico de Elche in Spanien war deshalb ein Glücksfall.

Spinophorosaurus hat alles, was einen ordentlichen Sauropoden ausmacht, wie etwa vier Säulenbeine und einen langen Hals mit einem kleinen Kopf. Er maß etwa 13 Meter von der Schnauze bis zur Schwanzspitze. Merkmale im Bau des Schädels oder der Wirbelsäule entlarven ihn als Urgroßvater seiner später auf der ganzen Welt verbreiteten Nachkommen. Spinophorosaurus bedeutet übersetzt „Stacheltragende Echse“. Verknöcherte Dornen, die der Dinosaurier zur Verteidigung gegen Raubsaurier auf seiner Schwanzspitze getragen haben könnte, sind vermutlich ein weiterer Hinweis auf seinen Platz nahe den Wurzeln des Sauropodenstammbaums.

Erkenntnisse zu Klimawechsel und Kontinentalverschiebung

 
Der neue Saurier gewährt den Paläontologen noch weitere Einblicke in die Urzeit. Spinophorosaurus lebte im Norden des jurassischen Kontinents „Gondwana“, im heutigen Norden Afrikas. 2007 hatte das internationale Team die Fossilien in 170 Millionen Jahre alten Gesteinsschichten in Niger entdeckt. Bisher stammten die wenigen, oft fragmentarischen Skelette solch primitiver Sauropoden aus dem Süden Gondwanas (heute Südamerika und Indien) und aus China. Die Verwandten unterscheiden sich jedoch. „Vielleicht stellen die Sauropoden des südlichen Gondwana eine Spezialisierungslinie dar“, vermutet Remes. Der Süden des Superkontinents war durch ein riesiges Wüstenband vom nördlichen, äquatorialen Teil getrennt. Remes’ Vermutung: Feuchtwarmes Klima und eine üppige Vegetation „provozierten“ in den Dinos andere Entwicklungen als die trockenen Sommer des Südens.

„Bisher hatten wir keinen Beweis für klimatisch bedingte Spezialisierungen wie bei den Säugetieren“, freut sich der Sauropodenspezialist. Die Wissenschaftler konnten evolutive Vorgänge innerhalb der Sauropoden lediglich mit Kontinentalverschiebungen korrelieren. So entstanden  zum Beispiel neue Arten, nachdem ein Kontinent auseinandergebrochen war. Auch bei Spinophorosaurus ist ein solcher Zusammenhang erkennbar: Der neue Sauropode ähnelt nämlich den aus dem heutigen Europa und China bekannten Formen. Die Erklärung: Bis vor etwa 200 Millionen Jahren vereinte der Superkontinent Pangäa das komplette Festland zu einer einzelnen Landmasse. Sauropoden wie Spinophorosaurus konnten sich so nördlich der Gondwana-Wüste weit verbreiten. Zu Beginn des Jura zerbrach Pangäa in viele Teile, und die Einzelteile (einer davon Gondwana) drifteten mit „ihren“ Sauropoden auseinander.

 „Wir brauchen unbedingt weitere Funde, um den Ursprung der Sauropoden und die Koppelung ihrer Evolution an klimatische und paläogeografische Bedingungen zu rekonstruieren“, betont Remes. Ein Exemplar von Spinophorosaurus und weitere Entdeckungen aus Niger sind vom 21. Oktober 2009 bis zum 31. Januar 2010 in der Sonderausstellung „Projekt Dino – neue Saurier aus Afrika“ im Staatlichen Naturhistorischen Museum Braunschweig zu sehen.


Informationen und Kontakt:

Dr. Kristian Remes
Steinmann Institut für Geologie, Mineralogie und Paläontologie
Telefon: 0228/73-60058
E-Mail: kristian.remes@uni-bonn.de

Zu den Ausgrabungen in Niger:
Prof. Dr. Ulrich Joger
Staatliches Naturhistorisches Museum Braunschweig
Telefon: 0531/2289210
E-Mail: ulrich.joger@snhm.niedersachsen.de

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Abb046_michel.JPG - Bei der Ausgrabung. © Staatliches Naturhistorisches Museum Braunschweig
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