Der Evakuierungsassistent ist ein komplexes System. Hier laufen sämtliche Informationen zu Besuchern, Gebäudestruktur und Gefahrstoffen sowie zu Besonderheiten der konkreten Veranstaltung zusammen. So soll das Gerät Polizei und Ordnungskräfte bei Gefahrenlagen in Stadien oder Veranstaltungshallen, die eine Räumung erfordern, unterstützen. Die Geographen der Universität Bonn unter Leitung von Professor Dr. Jürgen Pohl haben im Vorfeld dazu ein Anforderungsprofil erstellt. „Wir haben ermittelt, welche Informationen braucht welche Abteilung oder Organisation. Dazu haben wir mit den einzelnen Behörden wie Polizei und Feuerwehr gesprochen und so eine Bedarfsanalyse vorgenommen. Das ist extrem wichtig, damit im Ernstfall alles glatt läuft und der Evakuierungsassistent jedem Verantwortlichen die Informationen liefert, die er benötigt.“, erklärt Professor Jürgen Pohl.
Fußball-Großveranstaltungen stellen immer ein erhöhtes Sicherheitsrisiko dar. Die WM 2006 in Deutschland gab den Anschub für eine verstärkte Beschäftigung mit der Sicherheit in Stadien. Angesichts aktueller Probleme und Ausschreitungen in deutschen Fußballstadien stellt sich die Frage, wie die Sicherheit für Besucher von Großveranstaltungen optimiert werden kann.
Im Verbundprojekt „HERMES“ (Leitung: Prof. Armin Seyfried, FZ Jülich/Universität Wuppertal) passiert genau das, mit dem Herzstück Evakuierungsassistent. Die Tragödien im Brüsseler Heysel-Stadion 1985 und im Hillsborough-Stadion in Sheffield 1989 hätten wohl mit Hilfe der neuen Entwicklung abgemildert werden können. Denn der Assistent soll den Einsatzkräften helfen, Panik zu vermeiden. Durch die Modellierung des Besucherverhaltens (in Form von Fußgängerströmen) verbessert er die Möglichkeit für eine geordnete Evakuierung ohne Gefahr. Anhand von Basisdaten über die Gebäudestruktur und das Zuschaueraufkommen kann mit Hilfe leistungsfähiger Rechner eine Evakuierung oder „Entfluchtung“ simuliert werden. Durch frühzeitige Stauprognosen haben die Verantwortlichen die Möglichkeit, „vor die Lage zu kommen“ und somit besser abgesicherte Entscheidungen zu treffen sowie Sicherheitspersonal und Rettungskräfte optimal einzusetzen. Mittels Personenzählung und automatisierter Bildverarbeitung wird die jeweils aktuelle Gefahrenlage analysiert. Schneller als in Echtzeit können so die Personenverteilung und die Verfügbarkeit von Rettungswegen für die Führung der Menschenmengen (crowd management) zur Verfügung stehen.
Gefördert wird das Projekt vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF). Neben dem Forschungszentrum Jülich kooperieren die Universitäten Bonn, Köln und Wuppertal sowie kompetente Forschungsunternehmen aus ganz Deutschland.
Das Projekt läuft auch nach der Weltmeisterschaft weiter. Im Jahr 2011 wird es eine Zwischenbilanz geben. Gerade überprüfen die Bonner Geographen den Informationsfluss. „Es ist wichtig, dass die Kommunikation funktioniert. Dazu spielen wir derzeit verschiedene Szenarien durch, damit das Kommunikationsmodul für die Anwender die bestmöglichen Informationen liefert“, erläutert Pohl die aktuelle Arbeit.
Außerdem planen die Bonner Geographen für den Herbst, eine breit angelegte Befragung der Besucher von Großveranstaltungen wie zum Beispiel der Fußball-Bundesliga oder Rockkonzerten. Dabei soll das Sicherheitsempfinden der Befragten erforscht werden. Schließlich sollte auch die Sicherheit der Besucher weltmeisterlich behandelt werden, damit Fußball die schönste Nebensache der Welt bleiben kann.
Weitere Informationen und Video des Fußgängerexperiments unter:
http://www.fz-juelich.de/jsc/appliedmath/ped/projects/hermes-de/
Kontakt:
Prof. Dr. Jürgen Pohl
Sozioökonomie des Raumes
Geographisches Institut der Universität Bonn
Telefon: 0228/73-7382 oder -3527
E-Mail: pohl@geographie.uni-bonn.de
Dipl. Geograph Simon Runkel
Telefon: 0228/73-1653
E-Mail: runkels@uni-bonn.de
Keine Panik im Stadion! Keine Panik im Stadion!
Bei der Fußball-WM gilt die Aufmerksamkeit der Bonner Geographen vor allem den Zuschauern
Wenn am 11. Juni die Fußballweltmeisterschaft in Südafrika beginnt, dann sitzen auch die Geographen der Universität Bonn vorm Fernseher und verfolgen die Spiele. Ihr Interesse gilt aber nicht nur dem runden Leder, sondern den Zuschauern im und um das Stadion. Seit zwei Jahren arbeiten sie in einem Projekt unter Federführung des Forschungszentrums Jülich an der Entwicklung eines Evakuierungsassistenten für Großveranstaltungsarenen mit. Er soll bei Gefahrenlagen helfen, die Veranstaltungsorte geordnet und schnell zu räumen. Die Bonner Geographen interessiert folglich weniger die Frage „Wer ersetzt Ballack?“, sondern „Wie reagieren Einsatzkräfte in heiklen Situationen? Wie verhalten sich Fans und Besucher? Wie ist man auf einen Notfall wie Feuer- oder Bombenalarm vorbereitet?“