Unter den herausragenden Stücken der Sammlung befindet sich auch die Rechenmaschine No. 2 von Curt Dietzschold aus dem Jahr 1878, die in Glashütte in Sachsen hergestellt wurde. Sie besticht durch eine ausgeklügelte Mechanik und eine eigenwillige Ästhetik. Von einem dunkelbraunen Holzgehäuse geschützt sieht der Rechenautomat, der mit einer Kurbel bedient wird, auf den ersten Blick eher aus wie ein ungewöhnliches Musikinstrument.
Erbitterter Streit zwischen den Erfindern
Hinter den unzähligen Präzisions-Zahnrädchen, Klinken und Kurbeln stecken auch schicksalhafte Geschichten zum Erfinder. „Dietzschold hoffte mit seiner Rechenmaschine auf kommerziellen Erfolg, der allerdings ausblieb“, berichtet Prof. Dr. Ina Prinz, Leiterin des Arithmeums. „Er führte auch einen erbitterten Streit mit anderen Erfindern, die ihre eigenen Konstruktionsansätze verfolgten.“ 1901 erblindete Dietzschold in Folge eines Nervenleidens, trieb aber trotzdem seine Erfindungen weiter voran.
„Es sind heute nur noch drei Rechenmaschinen von Dietzschold bekannt“, sagt Prof. Dr. Dr. h.c. Bernhard Korte, Gründer des Rechenmuseums und Direktor des Forschungsinstituts für Diskrete Mathematik der Universität Bonn. Das Exemplar mit der Nummer zwei präsentiert nun das Arithmeum, jeweils ein weiteres der raren Stücke befindet sich im Uhrenmuseum in Wien und im Mathematisch-Physikalischen Salon in Dresden.
Sammlung umfasst sehr seltene Rechenmaschinen
„Die Sammlung Waldbauer ist in ihrer gesamten Breite hochkarätig“, sagt Prof. Korte. Zu den herausragenden Stücken, die nun im Arithmeum zu sehen sind, zählen außerdem Rechenmaschinen von Friedrich Weiss (1845-1919) sowie Dobesch & Masseur (1873). Ebenfalls sehr selten sind der Habereder Calculateur, der von Caroline Saruba 1880 erfunden wurde, und das Einmaleins-Ablesegerät von Müller aus dem Jahr 1905. Unter den Stücken mit den zierlichen Schaltern und Rädchen sind auch welche, die wie frühe Schreibmaschinen oder futuristisch anmutende Radios aussehen. Die Sammlung Waldbauer wird anlässlich der Übergabe bis zum 12. Oktober im Arithmeum ausgestellt.
Viele Interessenten - doch das Arithmeum bekam den Zuschlag
Es gab viele Interessenten für die hochkarätigen Rechenmaschinen, doch den Zuschlag bekam das Arithmeum der Universität Bonn. „Helmut Waldbauer wollte, dass seine Sammlung zusammen und auch langfristig öffentlich zugänglich bleibt“, sagt Prof. Prinz. Deshalb erwarb das Museum die Stücke mit finanzieller Unterstützung der Kulturstiftung der Länder, der Alfred Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung sowie der Universität Bonn. „Die Sammlung ist die einzige in Europa, die die Anfänge der Produktion mechanischer Rechenmaschinen in Deutschland und im deutschsprachigen Raum lückenlos und mit besonders seltenen Unikaten dokumentiert“, sagt Prof. Korte. Die Rechenmaschinen wurden aufwändig inventarisiert und dokumentiert. Besonders viel Zeit nahm bei einigen Exponaten in Anspruch, ihr Funktionsprinzip zu klären und entsprechende Zeichnungen anzufertigen.
Das Arithmeum wurde 1999 eröffnet und ist eine zentrale Einrichtung der Universität Bonn. Das Museum verfügt mit rund 7000 Objekten über die weltweit umfassendste Sammlung mechanischer Rechenmaschinen, Rechengeräte und auch elektronische Rechner – von 3000 Jahre alten Tonkugeln bis zum modernsten Hochleistungschip. Das Arithmeum besitzt etwa einen der wenigen noch funktionierenden Zuse Z25 Computer aus den frühen 1960er Jahren. Hinzu kommen Computer-Chips, deren Design vom Forschungsinstitut für Diskrete Mathematik der Universität Bonn optimiert wurde. Das Museum widmet sich außerdem der Sammlung konstruktiver und konkreter Kunst mit etwa 800 Werken, es verfügt darüber hinaus über mehr als 1000 bibliophile Rechen- und Mathematikbücher.
Informationen im Internet: www.arithmeum.uni-bonn.de/de/museum/
Kontakt:
Prof. Dr. Ina Prinz
Arithmeum
Lennéstraße 2 in Bonn
Tel. 0228/738770
arithmeum@or.uni-bonn.de
27. September 2011
Arithmeum stellt seltene Rechenmaschinen vor Arithmeum stellt seltene Rechenmaschinen vor
Das Museum der Universität Bonn lädt zur feierlichen Übergabe der Waldbauer-Sammlung ein
Im Lauf seines Lebens hat der Wiener Kaufmann Helmut Waldbauer mehr als 300 hochkarätige Rechenmaschinen zusammengetragen, die zur besten Privatsammlung ihrer Art gehören. Dem Rechenmuseum „Arithmeum“ der Universität Bonn ist es gelungen, mit Hilfe von Förderern diese wertvollen Rechner anzukaufen. Die nun vollständig dokumentierte Sammlung Waldbauer wurde am Dienstag, 27. September, um 11 Uhr im Arithmeum, Lennéstraße 2 in Bonn, feierlich übergeben und ist bis zum 12. Oktober zu sehen.
Rechenmaschine mit ungewöhnlichem Design:
- Das Einmaleins-Ablesegerät von Müller aus dem Jahr 1905.
© Foto: Arithmeum/Uni Bonn
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Der Abdruck im Zusammenhang mit der Nachricht ist kostenlos, dabei ist der angegebene Bildautor zu nennen.
Filigrane Rädchen, Hebel und Kurbeln:
- Der Umdrehungszählwerksmechanismus bei der Rechenmaschine von Dietzschold No. 2 aus dem Jahr 1878.
© Foto: Arithmeum/Uni Bonn