In der späten Jurazeit hat im heutigen Harz eine besonders kleine Art der ansonsten oft riesigen Langhals-Dinosaurier (Sauropoden) gelebt. 154 Millionen Jahre später wurden 1998 im Langenberg-Steinbruch der Rohstoffbetriebe Oker bei Goslar die ersten fossilen Überreste dieser Dinosaurierart gefunden.
2006 wird deutlich: Der „Europasaurus“ ist eine sensationelle Entdeckung für die Wissenschaft. Mehrere hunderte Kilogramm und sechs Meter Länge lassen ihn auf den ersten Blick imposant erscheinen, unter den Sauropoden gehört er jedoch zu den Zwergen. Der Jahrhundertfund ist einer der vollständigsten seiner Art in ganz Europa. Nur sehr wenige Fundstellen weltweit haben eine ähnlich große Anzahl an Knochen unterschiedlicher Altersstufen geliefert.
Dennoch ist bisher nur ein Bruchteil der damaligen Lebenswelt bekannt. „Ein unbefriedigender Zustand für die Wissenschaft, den jetzt aber weitere Ausgrabungen beheben sollen. Diese sind als Auftakt für intensive Forschung in den kommenden Jahren zu verstehen“, erklärt Dr. Katja Lembke, Direktorin des Landesmuseum Hannover. Die VolkswagenStiftung unterstützt das Forschungsvorhaben in ihrer Förderinitiative „Forschung in Museen“ mit rund 487.000 Euro.
„Basis für das Forschungsprojekt ist das nunmehr zwölf Jahre andauernde, wissenschaftliche Engagement des Dinosaurier-Freilichtmuseums Münchehagen und des dort ansässigen Vereins zur Förderung der Niedersächsischen Paläontologie e.V.“, so Franz-Josef Dickmann, Geschäftsführer des Dinosaurier-Parks Münchehagen. Mehr als 1.200 Knochen wurden in Münchehagen bis dato präpariert und mit den Projektpartnern wissenschaftlich bearbeitet.
Auch in den Laboren der Universität Bonn laufen bereits mehrere Forschungsarbeiten rund um den kleinwüchsigen Langhalsdino und seine Umwelt. Rekonstruktionen des Schädels und der Bezahnung brachten bereits erste Hinweise auf Aussehen und Verhalten des Pflanzenfressers. „Bei der Untersuchung des Innenohres von »Europasaurus« kam modernste Technologie zum Einsatz. Die Anordnung und Größe der sogenannten Bogengänge, dem Gleichgewichtsorgan, zeigt die Kopfhaltung an und lässt vermuten, dass der Kopf mit dem langen Hals schnelle Seitwärtsbewegungen ausführte«, erläutert Prof. Dr. Martin Sander vom Steinmann-Institut für Paläontologie der Universität Bonn erste Ergebnisse.
Die Erforschung des Lebensraumes erlaubt auch eine intensivere Betrachtung der kleinsten Fossilreste. „Im Steinbruch sind in den Kalksteinschichten aus der Jura-Zeit eine Vielzahl von Versteinerungen erhalten. Neben »Europasaurus« fanden sich auch Zähne und Fußspuren von Fleischfressern. Nun warten wir gespannt auf winzige Echsenfunde«, sagt Dr. Annette Richter, Oberkustodin am Landesmuseum Hannover. Auch Chef-Präparator Nils Knötschke vom Dinosaurier-Park Münchehagen freut sich auf weitere sensationelle Funde: „Wir hoffen auf fossile Säugetierzähnchen aus dem Jura – diese sind in Deutschland bisher unbekannt.“
Die Rohstoffbetriebe Oker unterstützen die Grabungsarbeiten bereits seit langem. „Wir sind uns der Bedeutung der Dinosaurierfunde für die Forschung bewusst und begrüßen die wissenschaftliche Bearbeitung sehr“, so Fabian von Pupka, Geschäftsführer.
Projektleiter Dr. Oliver Wings, der bisher am Museum für Naturkunde Berlin tätig war und für das Projekt nach Hannover wechseln wird, ist sich sicher: „Wir werden die Lebenswelten in Norddeutschland zur Jurazeit wieder auferstehen lassen!“
Kontakt:
Dennis von Wildenradt
Leiter Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Niedersächsisches Landesmuseum Hannover
Tel. 0511/9807626
mailto:dennis.wildenradt@nlm-h.niedersachsen.de
Prof. Dr. Martin Sander
Steinmann Institut für Geologie, Mineralogie und Paläontologie
Universität Bonn
Tel. 0228/733105
martin.sander@uni-bonn.de