Vor dem Friedensschluss tagten Hunderte Gesandte der Kriegsparteien fünf Jahre lang in Münster und Osnabrück. „Einen solchen Kongress hatte es in der Neuzeit zuvor nicht gegeben“, sagt Dr. Dr. Guido Braun vom Institut für Geschichtswissenschaft der Universität Bonn. „Der Westfälische Kongress ist ein Lehrstück für Friedensverhandlungen.“ Seit 1957 werden die über ganz Europa verstreuten Dokumente zum Westfälischen Friedenskongress von der „Vereinigung zur Erforschung der Neueren Geschichte“ e.V. in der Arbeitsstelle der Universität Bonn an der Argelanderstraße 59 gesammelt und aufbereitet.
54 Jahre erfolgreiche Forschung zu den „Acta Pacis Westphalicae“
Die Nordrhein-Westfälische Akademie der Wissenschaften und Künste förderte ab Ende der 1970er Jahre das Projekt zur „Acta Pacis Westphalicae“, das Ende 2011 nach 54 Jahren erfolgreicher Forschung ausläuft. Professor Dr. Dr. h.c. Konrad Repgen hat das Vorhaben konzipiert und bis Ende 2002 als Herausgeber betreut. Anfang 2003 übernahm Professor Dr. Maximilian Lanzinner die Leitung der Arbeitsstelle. „Dieses wichtige Langzeitprojekt zur Erschließung der Akten hat der Fachwelt überhaupt erst den Zugang zu den Quellen ermöglicht“, sagt Professor Lanzinner. „Die Wissenschaft wird noch lange von den Ergebnissen profitieren.“
Die 41 beteiligten Historiker trugen auf ihren Archivreisen im In- und Ausland Material aus insgesamt 157 Bibliotheken und Archiven in ganz Europa zusammen und prüften die Dokumente. 1962 erschien der erste Band der „Acta Pacis Westphalicae“, einer kritischen Edition zu den Akten des Westfälischen Friedenskongresses. Inzwischen liegen 45 Bände mit fast 32.000 Seiten vor. „Die Originalüberlieferungen der Quellentexte sind nun in den Bänden nachzulesen und durch detaillierte Kommentare erschlossen“, sagt Dr. Maria-Elisabeth Brunert, Geschäftsführerin der Arbeitsstelle der „Vereinigung zur Erforschung der Neueren Geschichte“.
Berittene Boten waren mit den Depeschen monatelang unterwegs
Die Dokumente geben Einblicke, warum sich die Friedensverhandlungen über fünf Jahren hinzogen. „Für die damaligen Verhältnisse war das nicht so ungewöhnlich“, stellt Dr. Braun fest, der im Rahmen seiner Promotion selbst zwei Bände der Editionsausgabe bearbeitete. „Es mussten erst Verfahrensformen und diplomatische Instrumente für die Konferenzen erarbeitet werden.“ Ein weiterer Grund waren die damaligen Kommunikationsmittel. Die Gesandten standen mittels berittener Boten mit ihren Herrschern in Kontakt. „Ein Brief zum spanischen König hin und zurück brauchte inklusive Beratungen etwa zwei bis drei Monate“, berichtet der Historiker. Außerdem klagten die Gesandten über schlechte Unterkünfte und widrige Umstände in den auf einen solchen Verhandlungsmarathon zunächst nicht vorbereiteten Städten. Münster hatte damals nur etwa 10.500 Einwohner, Osnabrück deutlich weniger.
Durch die Erschließung der Dokumente zum Westfälischen Frieden hat sich das Bild der Historiker vom Kongress gewandelt. „Im Gegensatz zu früheren Meinungen zeigte sich, dass die Delegierten trotz der Länge des Kongresses sehr rasch und zielgerichtet verhandelten“, berichtet Professor Lanzinner. Auch die Mär von der Ohnmacht des Reiches bestätigte sich nach Durchsicht der Akten nicht – gleichberechtigte Partner verhandelten auf Augenhöhe. „Das jahrelange Ringen um Frieden lohnte sich: Das Ergebnis des Kongresses sorgte immerhin rund 150 Jahre für stabile politische Verhältnisse in Europa“, sagt der Historiker.
Die Akten werden nun digitalisiert
Bis Ende 2012 sollen die Akten der Edition mithilfe der Förderung durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft in Kooperation mit der Bayerischen Staatsbibliothek vollständig digitalisiert werden. „Die Nutzung dieses Fundus wird dann noch einfacher, weil die Volltextsuche möglich ist“, sagt Dr. Brunert. „Mit einem einzigen Mausklick kann man dann zum Beispiel sehen, welche Akten zu einem bestimmten Tag vorliegen – unser Geschichtsbild wird dadurch noch umfassender.“ Der Westfälische Friedenskongress ist auch ein guter Ansatz, um aus der Geschichte für die Gegenwart zu lernen. „Allerdings lassen sich die Verhältnisse aus dem 17. Jahrhundert nicht so einfach auf moderne Kriege übertragen“, sagt Professor Lanzinner.
Bislang förderte die Union der deutschen Akademien der Wissenschaften das Projekt im Schnitt mit rund 350.000 Euro jährlich. Ende 2011 läuft diese Förderung aus. Die „Vereinigung zur Erforschung der Neueren Geschichte“ e.V. beschloss ihre Auflösung. „Wir haben einen Grundstock geliefert, es gibt aber noch viel zu tun“, sagt Professor Lanzinner. „Wir suchen nun nach Wegen, dieses erfolgreiche Projekt im Sinn einer allgemeinen historischen Friedensforschung zum 15. bis 19. Jahrhundert weiterzuführen“, sagt der Bonner Historiker.
Kontakt:
Prof. Dr. Maximilian Lanzinner
Institut für Geschichtswissenschaft
Tel.: 0228/735177
maximilian.lanzinner@uni-bonn.de
Dr. Dr. Guido Braun
Institut für Geschichtswissenschaft
Tel. 0228/735178
gbraun@uni-bonn.de
Dr. Maria-Elisabeth Brunert
Arbeitsstelle der Vereinigung zur
Erforschung der Neueren Geschichte
Tel.: 0228/2426038
apw@uni-bonn.de
Wie kam der Westfälische Frieden zustande? Wie kam der Westfälische Frieden zustande?
45 Bände mit fast 32.000 Seiten sind die Bilanz des nun auslaufenden Akademieprojektes an der Universität Bonn
Der Dreißigjährige Krieg (1618-1648) hatte verheerende Folgen für die Bevölkerung. Der Konflikt um die Vorherrschaft in Europa und die Religion endete mit dem fünf Jahre dauernden Westfälischen Friedenskongress. Mehr als ein halbes Jahrhundert lang erschloss die „Vereinigung zur Erforschung der Neueren Geschichte“ e.V. in Bonn die über ganz Europa verstreuten Dokumente und ermöglichte damit einzigartige Einblicke in die Vorbereitung des Westfälischen Friedens. Ende des Jahres läuft die Förderung für dieses Langzeitprojekt aus. Die beteiligten Historiker wollen die Friedensforschung nun in allgemeiner Form weiterführen.
Acta Pacis Westphalicae:
- Dr. Dr. Guido Braun, Dr. Maria-Elisabeth Brunert und Prof. Dr. Maximilian Lanzinner (von links) mit den 45 Bänden in der Arbeitsstelle der "Vereinigung zur Erforschung der Neueren Geschichte".
© Foto: Johannes Seiler/Uni Bonn
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