„Wir haben es geschafft“, sagt Dr. Yannick Mellier vom Institut Astrophysique de Paris (IAP), der das nun ausgewählte Euclid-Konsortium (EC) leitet. „Die ESA und das Euclid-Konsortium haben seit über fünf Jahren daran gearbeitet und nun wurden wir tatsächlich formell ausgewählt, diese aufregende Weltraummission durchzuführen.“ Die ESA verabschiedete jetzt ein multilaterales Abkommen zwischen elf europäischen Raumfahrtagenturen, der NASA sowie dem Euclid-Konsortium zum Bau der wichtigsten Elemente für den Euclid-Satelliten, insbesondere der Instrumente an Bord, der Software zur Datenanalyse und der wissenschaftlichen Leitung für den Satelliten.
Fast 1000 Wissenschaftler sind an der Mission beteiligt
Fast 1000 Wissenschaftler aus ganz Europa und anderen Teilen der Welt arbeiten zusammen, um diese Mission zu ermöglichen. „Unser Team umfasst Experten aus allen Feldern der Astronomie, der Physik, des Satelliten- und Software-Designs“, sagt Dr. Mellier. Das Konsortium wird zwei Instrumente beisteuern: Eine abbildende Kamera für den sichtbaren Teil des Lichts (VIS) und einen abbildenden Nahinfrarot-Spektrographen (NISP). Mit ihrem großen Sichtfeld werden diese hochmodernen Instrumente eine große Menge an Daten in außergewöhnlich hoher Qualität liefern und mehr als ein Drittel des Himmels kartieren.
Argelander-Institut konzentriert sich auf Gravitationslinseneffekte
Das Argelander-Institut für Astronomie der Universität Bonn (AIfA) konzentriert sich im Projekt Euclid vor allem auf die Analyse der optischen Beobachtungsdaten. In enger Kooperation insbesondere mit Kollegen in Edinburgh und Oxford entwickelt die Arbeitsgruppe um Prof. Dr. Peter Schneider Analyseverfahren zur Vermessung des sogenannten schwachen Gravitationslinseneffektes. Dabei handelt es sich um eine Analysemethode, für die die Bonner Wissenschaftler langjährige umfangreiche Erfahrung vorzuweisen haben. Bei diesem durch die allgemeine Relativitätstheorie beschriebenen Phänomen werden die Bilder weit entfernter Galaxien durch das Schwerefeld der großräumigen Materieverteilung im Universum leicht verzerrt. Aus der statistischen Untersuchung der Verzerrung unzähliger Galaxienbilder lässt sich dann ein Bild dieser kosmischen Materieverteilung konstruieren. Die Satellitenmission Euclid bringt deutlich präzisere Bilder hervor, als dies mit Bodenteleskopen möglich wäre. Die Qualität der Aufnahmen ist der des berühmten Hubble-Weltraumteleskops ähnlich - wobei Euclid jedoch eine Fläche des Himmels abbilden wird, die etwa zehntausend Mal größer ist als das größte jemals mit Hubble aufgenommene Gebiet.
Antworten auf die fundamentalen Fragen der modernen Physik
„Wir erwarten von Euclid die Beantwortung einer der fundamentalsten Fragen moderner Physik – nämlich der nach den Eigenschaften der mysteriösen 'Dunklen Energie', die für die beschleunigte Expansion des Universums verantwortlich ist“, sagt Prof. Schneider. „Das Bonner Institut wird einen wesentlichen Beitrag zum wissenschaftlichen Erfolg der Mission liefern.“ Sein Kollege Dr. Schrabback, der die Messung der Bildverzerrungen innerhalb des Konsortiums stellvertretend koordiniert, ergänzt: „Euclid ist einzigartig bezüglich der erreichbaren Messgenauigkeit; diese optimal zu nutzen, stellt eine Herausforderung dar, der wir uns gerne stellen werden.“
Euclid ist nun offiziell eine ESA-Mission
Ebenfalls beteiligt sind das Max-Planck-Institut für Extraterrestrische Physik in Garching (MPE), zuständig für das optische Gesamtdesign des Nahinfrarot-Instruments und den Aufbau des wissenschaftlichen Datenzentrums, die Ludwig-Maximilians-Universität in München (LMU), die federführend an der Vorbereitung der ergänzenden bodengebundenen Daten beteiligt ist, und das Max-Planck-Institut für Astronomie (MPIA) in Heidelberg mit der Entwicklung und dem Bau der Breitbandfilter. Euclid ist mit der jetzigen Genehmigung eine offizielle ESA-Mission und stärkt damit das Euclid-Konsortium an der Spitze der weltweiten Forschung über das „dunkle Universum“. Die deutschen Beiträge zur Euclid-Mission werden vom Raumfahrtmanagement des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt e.V. (DLR) mit Mitteln des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie in erheblichem Maße gefördert.
Kontakt:
Prof. Peter Schneider
Argelander-Institut für Astronomie der Universität Bonn
Tel. 0228 73 3671
peter@astro.uni-bonn.de
Dr. Tim Schrabback
Argelander-Institut für Astronomie der Universität Bonn
Tel. 0228/73 3652
schrabba@astro.uni-bonn.de
Dr. Ole Marggraf
Argelander-Institut für Astronomie der Universität Bonn
Tel. 0228/73 3649
marggraf@astro.uni-bonn.de
Prof. Yannick Mellier (Euclid Consortium Lead)
Institut d'Astrophysique de Paris
Tel. +33 (0)1 44328140
mellier@iap.fr
Prof. Bob Nichol (EC Communications Office Lead)
Institute of Cosmology and Gravitation, University of Portsmouth
Tel. +44 (0)23 92843117
bob.nichol@port.ac.uk
Ergänzende Informationen:
Euclid-Mission
Euclid ist eine Klasse-M-Mission und Teil des ESA-Programms „Cosmic Vision 2015-2025“. Das 1,2-Meter-Weltraumteleskop wird sich am zweiten Lagrange-Punkt des Systems Sonne-Erde befinden und zwei große Himmelsdurchmusterungen über mindestens fünf Jahre hinweg durchführen. Damit wird mehr als ein Drittel des gesamten Himmels abgedeckt werden, wobei hauptsächlich die Positionen und Formen von etwa 1,5 Milliarden Galaxien vermessen werden. Zusätzlich wird eine Tiefenaufnahme einen kleineren Himmelsbereich (etwa 160 Vollmondgrößen) verstärkt untersuchen. Diese wird einerseits zur Eichung des großen Surveys beitragen und gleichzeitig in bisher unerreichte Entfernungen vorstoßen und einige der ersten Galaxien entdecken, die sich im Universum gebildet haben.
Die ESA steuert zur Euclid-Mission die Raumsonde bei (gebaut von Industriepartnern), den Start mit einer Sojus-Rakete vom Weltraumbahnhof Kourou in Guyana, den Betrieb für mindestens sechs Jahre sowie das Missionsarchiv. Das Euclid-Konsortium wird die wissenschaftlichen Instrumente bereitstellen (VIS & NISP), die Datenverarbeitungs- und die wissenschaftliche Analyse-Software und Archivierung sowie die wissenschaftliche Leitung für die Mission übernehmen. Das EC besteht aus fast 1000 Wissenschaftlern aus Hunderten von Institutionen in Dänemark, Deutschland, Finnland, Frankreich, Italien, Niederlande, Norwegen, Österreich, Portugal, Rumänien, Schweiz, Spanien sowie dem Vereinigten Königreich und umfasst auch Beiträge aus Labors in den USA.
Das Dunkle Universum
Seit fast 80 Jahren kennen die Astronomen die „Dunkle Materie“, die Licht weder reflektiert noch emittiert und sich nur durch ihre gravitative Wirkung bemerkbar macht. Wissenschaftler wissen immer noch nicht, was diese Dunkle Materie konkret ist - ihre Existenz aber wurde in den letzten Jahrzehnten mehrfach bestätigt. Im Jahr 1998 fanden Astronomen Hinweise auf eine noch seltsamere Komponente im dunklen Universum, nämlich die „Dunkle Energie“, die scheinbar dafür sorgt, dass sich das Universum immer schneller ausdehnt. Diese Entdeckung wurde 2011 mit dem Nobelpreis ausgezeichnet. Die „Dunkle Energie“ macht etwa drei Viertel des Energie-Budgets des Universums aus, etwa dreimal so viel wie die Energiedichte der Dunklen Materie und über 15 Mal so viel wie die Energiedichte in normaler Materie wie Atomen. Zwar gibt es mehrere Theorien, um was es sich dabei handeln könnte, bisher aber keine überzeugende Erklärung für die Existenz und die grundlegende Natur dieser mysteriösen Substanz im Universum. Astrophysiker glauben, dass eine Antwort auf diese Frage die Grundlagen der Physik und unsere Kenntnis der physikalischen Naturgesetze revolutionieren wird.
Link zur Pressemitteilung der ESA: http://www.esa.int/export/esaSC/SEMZS3BXH3H_index_0.html