22. Juni 2012

Ein Hemmstoff als perfekter Imitator Ein Hemmstoff als perfekter Imitator

Wissenschaftler entschlüsseln die Struktur einer Substanz, die bei Herzschwäche helfen könnte

Warum blockiert ein künstlich hergestellter Stoff ein bestimmtes Enzym, das bei Herzschwäche eine große Rolle spielt? Forscher der Universität Bonn lüfteten nun zusammen mit ihren US-amerikanischen Kollegen dieses Rätsel. In der Kristallstrukturanalyse zeigte sich, dass die synthetische Substanz perfekt den normalen Partner imitiert und ihn durch stärkeres Anhaften vom Bindungsplatz verdrängt. Die Ergebnisse sind nun im Fachjournal „Structure“ veröffentlicht.

Der Biochemiker Prof. Dr. Günter Mayer
Der Biochemiker Prof. Dr. Günter Mayer - forscht am Life and Medical Sciences-Institut (LIMES) der Universität Bonn. © Foto: Uni Bonn
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Bei einer Herzmuskelschwäche ist die Pumpfunktion des lebenswichtigen Organs stark vermindert. Eine Ursache kann sein, dass sich die Herzzellen nicht mehr ausreichend stimulieren lassen. Wenn es dann zu körperlicher Anstrengung kommt, geht den Betroffenen rasch die Puste aus, weil das Blut nicht mehr effizient im Körper kreist. Enzyme spielen bei der Signalübertragung im Herzen eine große Rolle. Bei einer Herzinsuffizienz ist die Kinase „GRK2“ hochreguliert. Von ihr wird angenommen, dass sie für das Fortschreiten der Erkrankung mit verantwortlich ist. Deshalb suchen Pharmazeuten nach einem Wirkstoff, der genau diese Kinase GRK2 hemmt.

Wirkstoff soll nur das Enyzm GRK2 hemmen

„Das ist allerdings eine schwieriges Unterfangen“, berichtet Prof. Dr. Günter Mayer, Biochemiker am Life and Medical Sciences-Institut (LIMES) der Universität Bonn. „Praktisch alle in Frage kommenden Hemmstoffe blockieren nicht nur spezifisch GRK2, sondern auch andere Kinasen.“ Die Folgen für den Organismus sind dann unüberschaubar. Ausnahme ist ein selektives RNA-Aptamer, das wie ein Schlüssel ins Schloss exakt zur Bindungsstelle des GRK2 passt. Aptamere sind Abwandlungen der Erbgutsubstanz DNA oder RNA, die ähnlich wie ein Antikörper an Enzyme andocken können. Sie lassen sich in vielen Varianten künstlich im Labor erzeugen. Versteht man die Kinase als Schloss, so lässt sich mit biochemischen Methoden ein Aptamer als genau der passende Schlüssel dazu finden. Einen solchen Kinasehemmer hat das Team von Prof. Mayer bereits im Jahr 2008 hergestellt.

Hemmstoff sieht ganz ähnlich aus wie der normale Bindungspartner

„Wie das Aptamer aussieht und wie es funktioniert, war aber nicht klar“, bringt der Biochemiker die zentrale Frage der Grundlagenforscher auf den Punkt. Zusammen mit Prof. Dr. John J. G. Tesmer von der Universität Michigan in Ann Arbor (USA) gingen die Wissenschaftler um Prof. Mayer der Struktur des kinasehemmenden Aptamers mit kristallografischen Methoden auf den Grund. „Nun ist klar, warum das Aptamer so spezifisch die GRK2-Kinase hemmt“, sagt der Bonner Bochemiker. „In der Kristallstrukturanalyse zeigte sich, dass das Aptamer den normalen Bindungspartner Adenosintriphosphat täuschend echt imitiert.“ Darüber hinaus bilden sich weitere spezifische Kontakte, welche die Kinase in einer bestimmten, inaktiven räumlichen Anordnung fixieren. Dadurch haftet der Hemmstoff sehr stark an dem Enzym und verdrängt den natürlichen Bindungspartner.

Ansatz für neue Therapien

Die Wissenschaftler wollen nun den Kinasehemmer als synthetischen Wirkstoff nachbauen. „Wird GRK2 blockiert, kommt es absehbar zu einer besseren Stimulation der Herzmuskelzellen“, sagt Prof. Mayer. Die Wissenschaftler hoffen, dass es dann auch zu einer Besserung der Herzinsuffizienz kommt. Allerdings müssen hierfür noch Varianten des Aptamers entwickelt werden, weil es in der vorliegenden Form nicht die Zellmembran passieren kann. „Allerdings kann die chemische und strukturelle Information, die in der Aptamerstruktur gespeichert ist, in eine niedermolekulare Struktur umgewandelt und dieses Molekül dann in Tierversuchen erprobt werden“, berichtet Prof. Mayer.

Publikation: Molecular Mechanism for Inhibition of G Protein-Coupled Receptor Kinase 2 by a Selective RNA Aptamer, Fachjournal „Structure“, DOI: 10.1016/j.str.2012.05.002

Kontakt:

Prof. Dr. Günter Mayer
LIMES-Institut der Universität Bonn
Tel. 0228/734808
gmayer@uni-bonn.de

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