Es begann vor drei Jahren: Nicht nur beim Gehen hatte Edith B. Schmerzen: „Ich kam aus der Hocke gar nicht mehr hoch, und auch Treppensteigen fiel mir schwer. Meinen Haushalt konnte ich nicht mehr erledigen.“ Auslöser war bei der 58-Jährigen unter anderem Lupus erythematodes (SLE). Dies ist eine Autoimmunerkrankung, bei der sich das Immunsystem gegen den eigenen Körper richtet, und gehört zu den entzündlich-rheumatischen Erkrankungen. So kam es bei Edith B. zu einer chronischen Entzündung beider IS-Gelenke, die die Wirbelsäule rechts und links im Beckenring verankern. Dadurch lockerten sich die festen Bänder, die das relativ unbewegliche Gelenk zusammenhalten. Folge sind chronische starke Schmerzen.
Das Kreuz-Darmbein-Gelenk als Ursache von Rückenbeschwerden wird häufig verkannt. „So liegt der Fokus bei der Therapie eher auf der Lendenwirbelsäule als auf dem IS-Gelenk“, sagt Privatdozent Dr. Robert Pflugmacher, Leiter der Wirbelsäulenorthopädie an der Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie des Universitätsklinikums Bonn. Doch neun von zehn Betroffenen könne konservativ unter anderem mit Cortison-Spritzen oder manueller Physiotherapie gut geholfen werden.
Mit kleinem Titanstab gegen Rückenbeschwerden
All dies versagte jedoch bei Edith B. Also machten die Orthopäden am Universitätsklinikum Bonn einen Test. Unter Röntgenkontrolle spritzen sie ein Lokalanästhetikum direkt dorthin, wo sie den Ursprung für die chronischen Schmerzen ihrer Patientin vermuteten. Daraufhin war Edith B. zwei Tage schmerzfrei. Somit waren eindeutig die IS-Gelenke ursächlich für ihre chronischen Beschwerden. „In einem solchen Fall kann eine Versteifung des IS-Gelenks eine Option sein“, sagt der Leitende Oberarzt Pflugmacher. Dazu wenden die Orthopäden am Universitätsklinikum Bonn neuerdings ein neues schonendes Verfahren erfolgreich an. Bisher konnten sie sieben Patienten so helfen.
Über einen kleinen Hautschnitt führen sie dazu einen Führungsdraht seitlich von hinten ein und platzieren diesen am vorderen Teil des Kreuzbeins. Dann bohren sie vorsichtig die zur Verankerung des dreikantigen Titanstabs notwendigen Löcher. Das zwischen vier bis sieben Zentimeter lange Implantat wird über den Führungsdraht geschoben, und dort quer zum IS-Gelenk eingebracht. Der Draht wird anschließend entfernt. „Für eine gute Sicht, die für eine exakte Positionierung des Titanstabs notwendig ist, sind wir auf Röntgen angewiesen“, sagt Wirbelsäulenorthopäde Pflugmacher. Zwei bis drei Implantate werden so nacheinander parallel zueinander und quer zum IS-Gelenk eingebracht. Der Eingriff, der unter Vollnarkose durchgeführt wird, dauert maximal eine Stunde, davon benötigt die eigentliche Implantation gerade mal 30 Minuten.
Nach dem Eingriff darf die operierte Seite vier Wochen nur teilweise belastet werden. Denn es braucht ein bisschen Zeit bis sich das Gelenk stabilisiert hat und die Implantate sich fest verankert haben. Etwas später kann der Patient auch wieder schwer Heben und Sport treiben. So geht Edith B. regelmäßig in ein kleines Studio und läuft dort auf einem Band oder trainiert etwas auf dem Fahrrad.
„Sie haben mir nicht zuviel versprochen“
„Das haben die Ärzte wirklich super gemacht“, freut sich Edith B. In zwei Eingriffen versteiften sie jeweils eines ihrer IS-Gelenke mit dem neuen Verfahren. Nur beim bergauf und bergab Gehen hat sie noch leichte Beschwerden. Auf geraden Strecken kann sie ganz schmerzfrei gehen und sich nach dem Bücken wieder aufrichten. „Das hätte ich mir nie träumen lassen“, betont die dreifache Mutter. Endlich kann sie wieder mit ihren sieben Enkeln spielen. Auch ihre ehrenamtliche Tätigkeit bei der „Bornheimer Tafel“ hat sie wieder aufgenommen und gibt einmal pro Woche mit ihren Mitstreiterinnen Lebensmittel an bedürftige Bornheimer aus.
Kontakt:
Privatdozent Dr. Robert Pflugmacher
Leiter Schwerpunkt Wirbelsäulenorthopädie
Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie
Universitätsklinikum Bonn
Telefon: 0228/287- 14176
E-Mail: Robert.Pflugmacher@ukb.uni-bonn.de