Nicht nur Gehirnzellen, sondern auch Zellen des Immunsystems haben ein „Gedächtnis“. Durch diese Fähigkeit können die Abwehrtrupps des Körpers gefährliche Eindringlinge wiedererkennen und bekämpfen. „Aufgrund des immunologischen Gedächtnisses bekommen wir viele Kinderkrankheiten nur einmal“, sagt Prof. Dr. Percy Knolle, Direktor des Instituts für Molekulare Medizin der Universität Bonn. „Auf diesem Prinzip basiert auch die Erfolgsstory der Impfungen.“ Sogenannte T Zellen gehen im gesamten Organismus auf Streife und überwachen die Körperzellen auf krankhafte Veränderungen. Das immunologische Gedächtnis wird immer dann aktiviert, wenn die Erkennung der Erreger durch T Zellen an eine Entzündung gekoppelt ist.
Manche Viren unterlaufen den Entzündungs-Warnruf
Je stärker die Entzündung verläuft, desto besser funktioniert in der Regel das immunologische Gedächtnis. „Deshalb induzieren Kinderkrankheiten wie die Windpocken, die mit ausgeprägter Entzündung einhergehen, ein Leben lang einen Immunschutz vor einer erneuten Infektion“, erläutert der Immunologe der Universität Bonn. „Dagegen wirken Impfungen aufgrund ihrer schwächeren Entzündungsreaktion meist nur wenige Jahre und müssen dann aufgefrischt werden.“ An diese Signalkette haben sich aber manche Viren angepasst. Sie unterlaufen den Warnruf, indem sie die Entwicklung einer Entzündungsreaktion unterlaufen oder verhindern. Mit fatalen Folgen: Geschieht die Aktivierung der T Zellen ohne zeitgleiche Entzündung, wertet dies der Organismus als Fehlalarm. Die T Zellen werden dann zerstört, um überflüssige Alarme und die Entwicklung von Autoimmunität zu unterbinden.
„Stille Reserve“ in der Leber wird aktiv
Mit der Zerstörung der T-Zellen nimmt das Immunsystem aber in Kauf, dass die Stärke seiner Truppen immer mehr geschwächt wird - was bei einem Angriff durch Erreger zum Problem werden kann. „Wir haben nun den Mechanismus entschlüsselt, wie dieser Truppenschwund vermieden wird“, berichtet der für das Projekt verantwortliche Wissenschaftler Jan Böttcher. In der Leber ist eine besondere Sorte von antigenpräsentierenden Zellen aktiv, die in Abwesenheit von entzündlichen Reaktionen T Zellen vor der Zerstörung bewahrt und damit ein bisher unbekanntes Spezialeinsatzkommando der Immunabwehr organisiert. „Wir haben diese in der Leber generierten T Zellen mit einem genetischen Steckbrief exakt definiert“, sagt Prof. Dr. Joachim L. Schultze, Leiter der Abteilung Immunogenomics vom Life & Medical Sciences Institut (LIMES) der Universität Bonn. Im Vergleich mit anderen T Zellen zeigte sich, dass es sich bei den Zellen aus der Leber um eine ganz eigenständige Sorte handelt.
Truppenverstärkung zur Behandlung chronischer Entzündungen
Damit die in der Leber generierten T Zellen nicht eine Fehlalarmkette auslösen, sind sie nach den Erkenntnissen der Wissenschaftler der Universität Bonn gleich mit drei Sicherungscodes versehen. „Die T Zellen werden erst dann aktiviert, wenn wie in einem hochgesicherten Raketensilo alle drei Codes eingegeben werden“, berichtet Prof. Knolle. „Dann kann das Immunsystem seine Schutzfunktion vor Infektionen entfalten.“ Diese „stille Reserve“ an T Zellen aus der Leber ließe sich möglicherweise als Truppenverstärkung für verbesserte Impfungen zur Behandlung chronischer Entzündungen nutzen.
An den Untersuchungen waren neben der Universität Bonn die Technische Universität München/Helmholtz Zentrum München sowie die Universitäten Köln und Mainz beteiligt.
Publikation: Liver-primed memory T cells generated under non-inflammatory conditions provide anti-infectious immunity, Fachjournal “Cell Reports”, DOI: 10.1016/j.celrep.2013.02.008
Kontakt:
Prof. Dr. Percy A. Knolle
Institut für Molekulare Medizin
Tel. 0228/28711050
pknolle@uni-bonn.de
14. März 2013
Spezialeinsatz gegen Tarnkappenerreger Spezialeinsatz gegen Tarnkappenerreger
Forscher der Uni Bonn entdecken einen Signalweg, wie Leber-Immunzellen versteckte Pathogene jagen
Wissenschaftler der Bonner Universität haben entschlüsselt, wie Immunzellen in der Leber aktiviert werden, um getarnte Krankheitserreger zu bekämpfen. Als eine Art Spezialeinsatzkommando springen sie immer dann ein, wenn bei einer Infektion Entzündungs-Warnrufe unterlaufen werden. Die Erkenntnisse können zur Verbesserung von Impfungen gegen chronische Erkrankungen beitragen. Die Forscher publizieren ihre Ergebnisse nun im Fachjournal „Cell Reports“.
Im Labor:
- Jan Böttcher analysiert T Zellen am Durchflusszytometer. Der Wissenschaftler hat einen Mechanismus entschlüsselt, wie ein "Truppenschwund" des Immunsystems vermieden wird.
© Foto: Volker Lannert/Uni Bonn
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