Von den Altägyptern sind vor allem Pyramiden, Mumien und Grabbeigaben bekannt. „Wegen des Totenkults wirkt diese Kultur auf den ersten Blick sehr ernst“, sagt Prof. Dr. Ludwig Morenz von der Abteilung für Ägyptologie der Universität Bonn. Bereits der Dichter und Naturforscher Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832) sprach von der altägyptischen Kultur als einem „wüsten Totenreich“. Doch bei genauerer Betrachtung findet man auch in diesem scheinbar sehr jenseitsorientierten Reich zahlreiche Belege für Humor. Für Prof. Morenz ist das ein interessanter Forschungsansatz: „Über was haben die Menschen in Ägypten vor etwa 5000 Jahren bis hinein in die Römerzeit gelacht? Aus den Antworten erfahren wir auch viel Alltägliches darüber, was die Menschen im Pharaonenreich bewegte.“
Der schlafende Türhüter als groteske Nebenrolle
Bei den überlieferten Belegen wird ein sehr subtiler Humor deutlich, der heutige Zeitgenossen nicht dazu bringt, lauthals herauszulachen. Die Komik in Inschriften und Bildnissen der Reliefs, Papyri oder Tonscherben erschließt sich aber teilweise heute noch auf Anhieb: Schadenfreude, groteske Übertreibungen und verdrehte Welten. „Die Altägypter haben gerne ihre Feinde verspottet“, führt Prof. Morenz ein Beispiel an. So zeigt eine Tonscherbe einen mit erhobenen Händen vor Katze und Maus um Gnade flehenden Nubier. Beliebt waren auch Berufssatiren: Ein Relief aus einem Grab in Saqqara zeigt einen schlafenden Türhüter. Der Ägyptologe der Universität Bonn wertet diese Darstellung als eine Art „Shakespearesche groteske Nebenrolle“, die die geordnete Welt der Grab- und Tempelbilder etwas menschlicher machen und zugleich den Sinn für das Komische bedienen sollte. Der schlafende Türhüter ziert auch den Deckel des von Prof. Morenz herausgegebenen Buchs.
Witziges baute schon vor Jahrtausenden auf Übertreibungen: In dem Text „Lehre des Chety“ wird der Schreiberberuf schwarzhumorig übersteigert, indem viele andere Berufe massiv abgewertet werden, z.B. der Töpfer: „Er wühlt sich in dem Sumpf mehr als Schweine, um seine Töpfe zu brennen. Sein Kleid ist steif von Lehm, sein Gürtel ist ein Stofffetzen.“ So wenig die Schreiber an den anderen Berufen ein gutes Haar ließen, umso besser schneidet in ihren Ausführungen die eigene Zunft ab: „Wenn du dich mit dem Schreiberberuf beschäftigst, wirst du dich vor körperlicher Arbeit gerettet sehen.“ In der Tat waren damals viele Erwerbstätigkeiten mit großer Mühsal verbunden. „Nur etwa ein Prozent der Bevölkerung konnte lesen“, sagt Prof. Morenz. Wer diese Fertigkeit beherrschte, sah sich in einer herausgehobenen Position.
Karnevaleske Umkehr des Alltags stellt Herrschaft in Frage
Etwas Vorwissen ist erforderlich, um einen „Cartoon“ zu verstehen, auf dem ein Vogel auf einer Leiter und ein großes Nilpferd im Feigenbaum abgebildet sind. „Aus den Tierhieroglyphen wissen wir, dass das Nilpferd im Sinne von `das Schwere´ verwendet wurde“, erläutert Prof. Morenz. „Die Illustration zielt auf die verkehrte Welt: Der leichte Vogel erklimmt mit ausgebreiteten Schwingen mühsam die Leiter, während das schwere Nilpferd die Früchte sammelt.“ Der Ägyptologe ordnet solche Darstellungen als „karnevalesk“ ein. Freilich gab es damals noch keinen Karneval in der heutigen Form, doch sei bereits im alten Ägypten eine Neigung erkennbar, die Herrschaft durch karnevaleske Umkehr des Alltags in Frage zu stellen. Dazu gehören etwa musizierende Krokodile oder als Säufer dargestellte Stiere. Selbst die Religion blieb davon nicht verschont, wie als Priester und Götter verkleidete Mäuse zeigen.
Der Wissenschaftler der Universität Bonn kommt zu dem Schluss, dass die Menschen im Altertum wahrscheinlich genauso häufig und lebhaft lachten wie heute. Die überlieferten Belege zeigen jedoch nur einen kleinen Ausschnitt. Witze werden meist mündlich überliefert und finden in keiner Hieroglyphe ihren Niederschlag. „Was wir heute sehen, ist vorrangig Oberschicht-Humor“, sagt Prof. Morenz. Denn nur gut Betuchte hatten die Mittel, ihren Sinn für Komik in Stein zu verewigen. Vermutlich erfüllte der Humor vor Jahrtausenden bereits die gleiche Funktion wie heute: Er fungierte als „gesellschaftlicher Kitt“. „Gemeinsames Lachen schafft soziale Bezüge, polstert den harten Alltag etwas ab und macht das Leben angenehmer“, sagt Prof. Morenz.
Publikation: Ludwig D. Morenz, Kleine Archäologie des ägyptischen Humors. Ein kulturgeschichtlicher Testschnitt. Bonner Ägyptologische Beiträge, Band 3, EB-Verlag Dr. Brandt, Berlin 2013, 250 Seiten, ISBN: 978-3-86893-124-2, 22,80 Euro.
Kontakt für die Medien:
Prof. Dr. Ludwig Morenz
Abteilung für Ägyptologie mit Ägyptischem Museum
Tel. 0228/735710 oder 739710
lmorenz@uni-bonn.de
14. März 2014
Über was lachten die Altägypter? Über was lachten die Altägypter?
Prof. Dr. Ludwig Morenz von der Universität Bonn erforscht die Archäologie des Humors
Der Humor kommt nicht aus der Mode: Die Menschen im alten Ägypten lachten schon vor Jahrtausenden über Dinge, die wir auch heute noch komisch finden: Schadenfreude, groteske Übertreibungen und verdrehte Welten. Auf Reliefs, Papyri oder Tonscherben ist vor allem der Oberschichtenhumor überliefert. Prof. Dr. Ludwig Morenz von der Universität Bonn gibt in seinem Buch „Kleine Archäologie des ägyptischen Humors“ einen Überblick. Das Werk ist vor kurzem in den Bonner Ägyptologischen Beiträgen erschienen.
Ergründet den Humor der Altägypter:
- Prof. Dr. Ludwig Morenz vor dem Abguss eines Tempelreliefs im Ägyptischen Museum der Universität Bonn.
© Foto: Volker Lannert/Uni Bonn
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Mit seinem Buch über den Humor der Altägypter:
- Prof. Dr. Ludwig Morenz vor dem Abguss eines Tempelreliefs im Ägyptischen Museum der Universität Bonn.
© Foto: Volker Lannert/Uni Bonn