Im Alter von gerade Mal acht Wochen kam Lena unter anderem aufgrund einer anhaltenden Neugeborenen-Gelbsucht mit Verdacht auf Gallengangatresie, einem Verschluss der Gallenwege, notfallmäßig in ein Krankenhaus. Kurz vor der geplanten Operation kam die Diagnose: „Alpha-1-Antitrypsin-Mangel“. Deutschlandweit ist etwa einer von 2.500 Menschen davon betroffen. Ein Alpha-1-Antitrypsin-Mangel gehört zu den häufigsten Erbkrankheiten bei Menschen mit europäischer Abstammung und ist die häufigste Ursache für genetisch bedingte Lebererkrankungen bei Kindern. Lenas Eltern wendeten sich aufgrund von Empfehlungen an Prof. Dr. Rainer Ganschow, der viel Erfahrung mit der Behandlung eines Alpha-1-Antitrypsin-Mangels hat und das „Kinder-Alpha-1-Center“ am Universitätsklinikum Bonn leitet.
Falls die defekte Erbanlage wie bei Lena von beiden Elternteilen geerbt wurde, bilden die Leberzellen das Protein Alpha-1-Antitrypsin fehlerhaft. Diese lagern sich in dem Organ zu größeren Gebilden an, auf die gerade Neugeborene sensibel mit erhöhten Leberwerten reagieren. Sie haben eine ausgeprägte, länger andauernde Neugeborenen-Gelbsucht. „Der Verlauf ist ganz individuell und lässt sich nicht vorhersagen. Bei den einen Betroffenen entledigen sich die Leberzellen der defekten Proteine. Andere Patienten entwickeln durch den Dauerstress chronische Leberschäden wie eine Leberzirrhose. Teilweise wird sogar eine Transplantation notwendig“, sagt Prof. Ganschow, Direktor der Allgemeinen Pädiatrie am Zentrum für Kinderheilkunde des Universitätsklinikums Bonn.
Nicht im Bewusstsein von Ärzten verankert
Über Jahre kann die Erbkrankheit ohne jegliche Symptome sein. Doch meist im Alter zwischen 30 und 40 Jahren leiden manche Betroffene unter Husten, Kurzatmigkeit und Luftnot. Denn aufgrund des Mangels an funktionsfähigem Alpha-1-Antitrypsin sind die Lungenbläschen nicht vor dem Angriff bestimmter Gewebe abbauender Enzyme geschützt und sie werden nach und nach zerstört. Im schlimmsten Fall entsteht eine Überblähung der Lunge, ein so genanntes Lungenemphysem, das zu einem früheren Tod führen kann.
Da Ärzte oft die Erkrankung nicht im Blick haben, führen sie die Lungensymptome häufig auf Asthma oder eine chronischen Bronchitis und ein Lungenemphysem auf Rauchen zurück. Die Folge ist, dass Menschen mit einem Alpha-1-Antitrypsin-Mangel falsch behandelt werden. Zudem ist eine frühzeitige Diagnose entscheidend, denn ein bereits eingetretener Schaden der Lunge ist nicht umkehrbar. Auch wenn die Erbkrankheit nicht heilbar ist, können dann vorbeugende Maßnahmen wie der Ersatz des Schutzproteins durch Infusionen getroffen werden. Nicht zu Rauchen erhöht die Lebenserwartung signifikant.
So einfach wie ein Schwangerschaftstest
Daher befürwortet Prof. Ganschow nicht nur alle Familienmitglieder, sofern ein Fall der Erbkrankheit bekannt ist, auf einen Alpha-1-Trypsin-Mangel testen zu lassen, sondern auch alle Patienten mit erhöhten Leberwerten und Lungenproblemen sowie alle Säuglinge, die zu lange eine Neugeborenen-Gelbsucht haben. „Zweidrittel der Kinder, bei denen später diese Erbkrankheit diagnostiziert wurde, sind bereits als Neugeborenes aufgefallen“, sagt Prof. Ganschow, der allein in den letzten zwei Jahren selbst bei 18 Kindern einen Alpha-1-Trypsin-Mangel festgestellt hat. Auch gibt es jetzt einen Schnelltest, mit dem jeder Arzt innerhalb von 15 Minuten ein Ergebnis vorliegen hat. Dazu werden nur ein paar Tropfen Blut mittels eines kleinen Piecks in die Fingerkuppe benötigt. Trotz aller Vorteile ist Prof. Ganschow ein Beigeschmack eines solchen Screenings bewusst: „Man weiß von seiner Erbkrankheit und hat trotzdem unter Umständen sehr lange keine Symptome.“
Doch Lenas Eltern sind froh, die Diagnose früh zu kennen, obwohl es bei der Zweijährigen derzeit keine relevanten Auswirkungen der Erbkrankheit gibt: „Wenn sich etwas verändert, können wir rechtzeitig gegensteuern. Auch kann so darauf geachtet werden, dass sich bei Lena kein Lungenemphysem entwickelt“, sagt ihr 46-jähriger Vater. Regelmäßig kommen die Eltern mit Lena an die Bonner Universitäts-Kinderklinik zur Kontrolle. Auch diesmal ist Prof. Ganschow sehr zufrieden mit seiner kleinen Patientin. „Die Leberwerte sind in Ordnung, somit ist alles gut“, freut sich Lenas 39-jährige Mutter. Das muntere und aufgeweckte kleine Mädchen geht jetzt nach den Sommerferien in den Kindergarten.
Kontakt für die Medien:
Prof. Dr. Rainer Ganschow,
Direktor der Allgemeinen Pädiatrie
Zentrum für Kinderheilkunde des Universitätsklinikum Bonn
Telefon: 0228/287-33213
E-Mail: Rainer.Ganschow@ukb.uni-bonn.de
Früher Test auf Erbkrankheit sinnvoll Früher Test auf Erbkrankheit sinnvoll
Defekte Erbanlage, die Störungen der Lunge und Leber verursacht, wird oft gar nicht oder zu spät erkannt
Lena* ist mit der Erbkrankheit „Alpha-1-Antitrypsin-Mangel“ auf die Welt gekommen, die zu einem Lungenemphysem und bereits im Kindesalter zu Störungen der Leber führen kann. Doch die Zweijährige gehört zu den wenigen Betroffenen, bei denen dieser Gendefekt überhaupt diagnostiziert wird. Durch frühzeitige Therapie und angepasste Lebensweise hat sie so die Chance auf eine normale Lebenserwartung. Hilfe fanden ihre Eltern am Universitätsklinikum Bonn. Jetzt besuchten sie mit ihrer Tochter das dortige „Kinder-Alpha-1-Center“ zu einer regelmäßigen Kontrolle. [*Name geändert]
Besuch in der Bonner Universitäts-Kinderklinik:
- Lenas Eltern und Prof. Rainer Ganschow (li) sind sehr zufrieden mit den Ergebnissen des jetzigen Kontrolluntersuchung;
© Dr. Inka Väth / Uni-Bonn
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Besuch in der Bonner Universitäts-Kinderklinik:
- Lenas Eltern und Prof. Rainer Ganschow (re) sind sehr zufrieden mit den Ergebnissen des jetzigen Kontrolluntersuchung;
© Dr. Inka Väth / Uni-Bonn