Werden Säuglinge vor Vollendung der 37. Schwangerschaftswoche geboren, spricht man von einer Frühgeburt. Nicht ausgereifte Organe und ein unreifes Immunsystem können vor allem bei extremen Frühgeburten zu bleibenden Problemen führen und durch Einschränkungen der Gesundheit die Lebensqualität beeinträchtigen. Wissenschaftler der University of Warwick (England) und des Universitätsklinikums Bonn haben insgesamt 260 sehr kleine Frühgeborene, die vor 32 Schwangerschaftswochen oder mit einem Gewicht von weniger als 1500 Gramm geboren wurden, sowie deren Eltern zur gesundheitsbezogenen Lebensqualität der zu früh Geborenen befragt. Zum Vergleich wurde die Umfrage auch unter 229 gleichaltrigen Personen durchgeführt, die zum normalen Geburtstermin entbunden wurden.
Die Daten wurden im Zuge der Bayerischen Entwicklungsstudie erhoben, die seit 1985 eine repräsentative Gruppe einerseits aus Frühgeborenen und andererseits zum normalen Termin Entbundene beobachtet. Wissenschaftler befragten die Studienteilnehmer und deren Eltern im Alter von 13 Jahren und erneut mit 26 Jahren, um gesundheitsbezogene Veränderungen mit dem Lebensalter zu dokumentieren. Die Fragen drehten sich unter anderem um das Seh- und Hörvermögen, die sprachliche und emotionale Entwicklung sowie auch körperliche Geschicklichkeit, die Informationsverarbeitung im Gehirn und das Auftreten von Schmerzen.
Frühgeborene haben höheres Risiko für Gesundheitsprobleme
„Sehr Frühgeborene haben ein erhöhtes Risiko für Gesundheitsprobleme und eine bis in das Erwachsenenalter bleibende geringere gesundheitsbezogene Lebensqualität als Termingeborene“, sagt Mitautor Prof. Dr. Dr. Peter Bartmann, Neonatologe am Universitätsklinikum Bonn. Bei der Befragung zeigte sich, dass die betroffenen Frühgeborenen nicht der Meinung sind, dass sich ihre gesundheitsbezogene Lebensqualität vom Jugend- zum Erwachsenenalter verschlechtert hat. Ihre Eltern hingegen schätzten in der Umfrage ein, dass mit zunehmendem Lebensalter Gesundheit und Lebensqualität ihrer Sprösslinge abgenommen haben. „Offenbar machen sich die Eltern mehr Sorgen um das Wohlbefinden der Frühgeborenen als die Betroffenen selbst“, sagt Prof. Bartmann.
Eine frühere Studie aus Kanada befand, dass die gesundheitsbezogene Lebensqualität von Frühgeborenen zum Erwachsenenalter hin abnimmt. „Unsere Studie hingegen konnte zeigen, dass dies nur für die Beurteilung durch die Eltern gilt“, sagt Erstautorin Nicole Baumann von der Abteilung Psychologie der University of Warwick. Die Eltern sehen insbesondere in den gesundheitsbezogenen Bereichen Emotionen und Schmerzen negative Entwicklungen. Die betroffenen Frühgeborenen dagegen berichteten über keine Veränderung ihrer Lebensqualität in dem untersuchten Zeitraum. „Dies ist eine wichtige Aussage für die Einschätzung der Lebensqualität von ehemals sehr kleinen Frühgeborenen im Erwachsenenalter“, sagt Korrespondenzautor Prof. Dr. Dieter Wolke von der University of Warwick.
Die Untersuchung umfasste auch Fragen zu Freunden, Partnerschaften und zur Arbeit. Dabei zeigte sich, dass eine geringe gesundheitsbezogene Lebensqualität damit einherging, dass die Befragten häufiger arbeitslos waren sowie weniger Freunde und Partner hatten – und zwar unabhängig davon, ob es sich um Frühgeborene handelt oder nicht. „Dieses Ergebnis zeigt, dass zur gesundheitsbezogenen Lebensqualität nicht nur körperliche Faktoren, sondern auch psychosoziale Aspekte gehören“, sagt Prof. Bartmann. Das Wohlbefinden von Frühgeborenen im Jugend- und Erwachsenenalter hänge auch wesentlich von den Möglichkeiten auf dem Arbeitsmarkt sowie intakten Freund- und Partnerschaften ab.
Publikation: Health-Related Quality of Life Into Adulthood After Very Preterm Birth, „Pediatrics“, DOI: 10.1542/peds.2015-3148
Informationen zur Bayerischen Entwicklungsstudie im Internet:
http://www.bayerische-entwicklungsstudie.de/
Kontakt für die Medien:
Prof. Dr. Dr. Peter Bartmann
Forschungsgruppe Langzeitstudien
Universitätsklinikum Bonn
Tel. 0228/28733408
E-Mail: Peter.Bartmann@ukb.uni-bonn.de
23. März 2016
Kein Knick im Wohlbefinden älterer Frühchen Kein Knick im Wohlbefinden älterer Frühchen
Forscher aus Warwick und vom Uniklinikum Bonn befragten erwachsene Frühgeborene und deren Eltern
Während Frühgeborene nicht der Meinung sind, dass sich ihre gesundheitsbezogene Lebensqualität im Übergang vom Jugend- in das Erwachsenenalter verschlechtert hat, machen sich deren Eltern mehr Sorgen um das Wohlbefinden ihrer Sprösslinge. Diese Ergebnisse liefert eine Studie von Wissenschaftlern der University of Warwick (England) und des Universitätsklinikums Bonn. Die Daten wurden im Zuge der Bayerischen Entwicklungsstudie erhoben und nun im angesehenen US-Fachjournal „Pediatrics“ veröffentlicht.
Prof. Dr. Dr. Peter Bartmann
- von der Forschungsgruppe Langzeitstudien des Universitätsklinikums Bonn.
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