Dem Hormon Oxytocin werden viele Wirkungen zugeschrieben: Es stärkt die Bindung von stillenden Müttern an ihre Säuglinge, hilft Ängste zu bewältigen und stärkt die Paarbeziehung. „Oxytocin erhöht allgemein die Sensitivität für soziale Reize“, sagt Prof. Dr. René Hurlemann von der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Universitätsklinikums Bonn. Der Botenstoff spiele insbesondere auch für den ersten Eindruck, den neue Bekanntschaften hinterlassen, eine große Rolle. Lernt man zum Beispiel bei einer Party neue Leute kennen, kann auch das Oxytocin mit darüber entscheiden, ob aus den zuvor Unbekannten neue Geschäfts- oder sogar Ehepartner werden.
Doch wirkt das Hormon bei Frauen und Männern auf gleiche Weise? Dieser Frage gingen Wissenschaftler um Prof. Dr. Keith M. Kendrick von der University of Electronic Science und Technology of China in Chengdu zusammen mit Prof. Hurlemann nach. Die Forscher zeigten Frauen und Männern Fotos von verschiedenen Personen und Objekten. Zu den Bildern wurden Aussagen eingeblendet, die entweder einen sehr positiven, lobenden Charakter oder einen sehr kritisierenden, negativen Inhalt hatten. Die 80 Studienteilnehmer sollten Auskunft darüber geben, ob ihnen die jeweilige Meinungsäußerung der auf den Fotos gezeigten Personen sympathisch oder unsympathisch war.
Aktivität der Amygdala im Gehirn war unter Oxytocineinfluss erhöht
Die Probanden erhielten entweder Oxytocin über ein Nasenspray verabreicht oder ein Placebo. Im Magnetresonanztomographen beobachteten die Forscher außerdem die Gehirnaktivität, besonders des Mandelkerns (Amygdala). Diese Struktur in den Schläfenlappen übernimmt die emotionale Bewertung von Informationen, die auch im menschlichen Miteinander eine Rolle spielen. Unter Oxytocineinfluss war bei allen Teilnehmern die Aktivität der Amygdala erhöht. „Jedoch hatte Oxytocin auf die beiden Geschlechter sehr unterschiedliche Effekte hinsichtlich der Präferenz“, sagt Prof. Hurlemann.
Das Hormon verstärkte bei Frauen deutlich die Sympathie für Personen, die mit lobenden Aussagen verbunden waren. Bei den Männern steigerte Oxytocin hingegen die Zustimmung zu Fotos, die mit sehr kritischen Meinungsäußerungen in Zusammenhang gebracht wurden. „Das ist ein überraschender Befund, den Oxytocin wirkt ansonsten bei Frauen und Männern in vielen Situationen sehr ähnlich“, berichtet Prof. Hurlemann.
Nach den Vermutungen der Forscher kommen bei diesen Ergebnissen zwei unterschiedliche, geschlechtsspezifische Modelle zum Tragen, die in der Wissenschaft schon seit Längerem diskutiert werden. In sozialen Gruppen fühlen sich Frauen eher wohl und betonen stärker die positiven Aspekte. Männer hingegen fürchten viel mehr die Konkurrenz durch ihre Artgenossen und scheinen deshalb emotional negativer getönt. „Diese Tendenz scheint das Oxytocin zu verstärken“, fasst Prof. Hurlemann zusammen. „Frauen fühlen sich unter dem Einfluss des Hormons nicht so schnell bedroht wie Männer.“
Publikation: Oxytocin, the peptide that bonds the sexes also divides them, Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS), Internet: www.pnas.org/cgi/doi/10.1073/pnas.1602620113
Kontakt für die Medien:
Prof. Dr. Dr. med. René Hurlemann.
Stellvertretender Direktor der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie
Direktor der Abteilung für Medizinische Psychologie
Universitätsklinikum Bonn
Tel. 0228/28719123
E-Mail: r.hurlemann@gmail.com
Oxytocin: Männer mögen’s negativer als Frauen Oxytocin: Männer mögen’s negativer als Frauen
Hormon verstärkt entweder Zustimmung zu Lob oder zu Kritik. Studie unter Beteiligung des Uniklinikums Bonn
Das „Kuschelhormon“ Oxytocin kann sehr unterschiedlich auf Männer und Frauen wirken. Das hat ein Forscherteam aus Chengdu (China) unter Beteiligung von Wissenschaftlern des Universitätsklinikums Bonn herausgefunden. Während Frauen durch den Einfluss des Hormons stärker auf positive Botschaften reagieren, schließen sich Männer eher kritischen Aussagen mit negativen Inhalten an. Die Ergebnisse sind nun im Fachjournal „Proceedings of the National Academy of Sciences” (PNAS) veröffentlicht.
Prof. Dr. Dr. med. René Hurlemann,
- Stellvertretender Direktor der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie am Universitätsklinikum Bonn.
© Foto: Katharina Wislsperger/UKB
Alle Bilder in Originalgröße herunterladen
Der Abdruck im Zusammenhang mit der Nachricht ist kostenlos, dabei ist der angegebene Bildautor zu nennen.