Und mit den Temperaturen stieg in den ersten Festivaltagen stetig der Zuschauerandrang: Am Freitag verfolgte das Publikum sichtlich gebannt und bewegt das zerbrechende Familienglück im Drama SCHERBEN und anschließend amüsiert das Auf und Ab in Clara Bows Ehe mit einem langweiligen Landei in DER WEIBERFEIND. Für Charles Chaplins Kurzfilme musste am Samstag der Hof geschlossen werden, und auch der unbekannte Spätfilm MISTER RADIO erntete für seine atemberaubenden Stunts im Gebirge, auf Dächern und fahrenden Zügen Szenenapplaus aus voll besetzten Reihen.
Wer bislang der Witterung misstraut hat oder dieser Tage erst aus den Ferien kommt, kann noch bis einschließlich Sonntag Stummfilme – unter anderem aus China, Deutschland, Großbritannien, Japan, Russland, Schweden und den USA – erleben. Aus Frankreich kommen gleich zwei Höhepunkte der nächsten Tage: Heute ist mit Jean Grémillons erstem Spielfilm MALDONE über den Wanderarbeiter Olivier Maldone, der sich in die ungebundene Zita verliebt und nach einem anderen Leben sehnt, ein selten gespieltes Meisterwerk zu sehen, das den poetischen Realismus des französischen Films der 1930er Jahre auf ganz eigene Weise vorwegnimmt. DAS SCHLAFENDE PARIS von René Clair lädt am Freitag zu spektakulären Aussichten vom Eiffelturm herab auf die in Tiefschlaf versetzte Großstadt ein. Das von den Dadaisten und Surrealisten geschätzte Science-Fiction-Märchen wird in der um viele schöne Details reicheren Urfassung gezeigt. Fans des Puppentrickfilms sollten am Sonntag DIE RACHE DES KAMERAMANNS aus Russland nicht verpassen, ein Eifersuchtsdrama zwischen einem Käfer und einer Heuschrecke, die dieselbe Libelle lieben.
Ein Highlight für Fans von Buster Keaton wie auch des Experimentalfilms steht zudem am Sonntagnachmittag im LVR-LandesMuseum Bonn auf dem Programm, wo neben der Komödie SHERLOCK HOLMES JUNIOR auch Samuel Becketts dialogloser Tonfilm FILM (1965) mit Keaton in der Hauptrolle sowie als Deutschlandpremiere Ross Lipmans Dokumentarfilm NICHTFILM präsentiert werden, der die einmalige Zusammenarbeit der beiden Ausnahmekünstler portraitiert und im letzten Jahr bereits auf verschiedenen Filmfestivals für Furore sorgte.
Die 32. Internationalen Bonner Stummfilmtage werden vom Förderverein Filmkultur Bonn e.V. veranstaltet, in Kooperation mit dem Filmmuseum München, der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, der Bonner Kinemathek und dem LVR-LandesMuseum Bonn, mit Unterstützung der Bundesstadt Bonn, der Film- und Medienstiftung NRW und der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages.