Derzeit suchen viele Menschen auf der Flucht vor Hunger, Krieg, Armut oder Naturkatastrophen in Deutschland eine schützende Zuflucht. Zum Teil haben sie Erkrankungen, die zwar in den Herkunftsländern häufig, hier jedoch weitgehend unbekannt sind. Dazu kommen Krankheiten wie Magen-Darm-Infektionen und Atemwegserkrankungen, die durch die Strapazen der Flucht die geschwächten Menschen zusätzlich belasten. „Vor diesem Hintergrund ergibt sich die Herausforderung einer adäquaten medizinischen Versorgung dieser Menschen“, sagt Tagungspräsident Prof. Dr. Achim Hörauf, Direktor des Instituts für Medizinische Mikrobiologie, Immunologie und Parasitologie am Universitätsklinikum Bonn.
Zur Gesundheit gehört mehr als die medizinische Akutversorgung
Daher steht ein öffentlich zugängliches Plenarsymposium, unter dem Motto „Jenseits der medizinischen Akutversorgung – ‚Gesundheit’ für Menschen auf der Flucht“ auf dem Programm. In drei Vorträgen werden hier der historische Rahmen und die Herausforderungen der Zuwanderung auch über die medizinische Gesundheitsversorgung hinaus beleuchtet. „Mangelnde Kenntnis deutscher Ärzte über in den Herkunftsländern vorkommenden Krankheiten sowie fehlende Erfahrungen mit diesen hierzulande seltenen Erkrankungen sind der Grund für folgenreiche Diagnoseverzögerungen und Fehlentscheidungen, die eine optimale Versorgung dieser Patienten stark einschränkt“, sagt Prof. Dr. Thomas Junghanss, Leiter der Sektion Klinische Tropenmedizin am Universitätsklinikum Heidelberg. Zudem will der Heidelberger Tropenmediziner die Angst vor „mitgebrachten“ Gesundheitsproblemen nehmen. Vielmehr sind Asylsuchende und Flüchtlinge sogar eher eine gefährdete Gruppe, da sie - geschwächt durch die Flucht - in den engen Gemeinschaftsunterkünften einem hohen Infektionsrisiko ausgesetzt sind. Zudem haben eine unklare Ausbildungs- und Arbeitssituation sowie Fremdenfeindlichkeit einen Einfluss auf die Gesundheit. „Ein Flüchtling ist ein Patient wie jeder andere. Entscheidend ist, sie nicht auszugrenzen und das medizinische Personal flächendeckend entsprechend zu schulen“, sagt Prof. Junghanss.
Bekämpfung vernachlässigter Tropenkrankheiten im Fokus der Politik angekommen
Ein wichtiges Augenmerk legt die Tagung auf vernachlässigte tropische Krankheiten - unter anderem mit einer weiteren öffentlichen Podiumsdiskussion am 6. Oktober. Gemeint sind Erkrankungen, die wenig Aufmerksamkeit erhalten, obwohl sie zahlreiche Opfer fordern, insbesondere unter Menschen, die in Armut leben. Der Mangel an ausreichend guten Diagnostika, Medikamenten als auch Impfstoffen verhindert bisher eine effiziente Eliminierung dieser Erkrankungen. „Uns, die wir in den privilegierten Industrienationen leben, erwächst eine Verantwortung. Uns ist es möglich, forschungsgestützte Strategien für eine bessere Diagnose und Therapie zu erarbeiten, mit dem Ziel vernachlässigte Tropenkrankheiten erfolgreich zu bekämpfen und auszurotten“, sagt Prof. Hörauf. Ins Rampenlicht ist kürzlich die von Fadenwürmern (den Filarien) ausgelöste Filariose gerückt. Denn der letztjährige Medizinnobelpreis wurde für Entdeckung und Entwicklung des Wurmmedikaments Ivermectin verliehen.
„Schätzungsweise 100 bis 200 Millionen Menschen weltweit sind mit Fadenwürmern infiziert, die lange Zeit als schlecht therapierbar galten. Weil allein arme Länder betroffen sind, waren Pharmafirmen zunächst nicht sonderlich an der Erforschung auf diesem Gebiet interessiert“, sagt der Tropenmediziner der Bonner Universität. „Der Weg zur Bekämpfung vernachlässigter tropischer Erkrankungen ist mit Ivermectin eröffnet und muss nun fortgesetzt werden.“ Laut Fahrplan der WHO zur Bekämpfung der vernachlässigten tropischen Erkrankungen soll bis zum Jahr 2025 die Mehrzahl dieser Krankheiten eingedämmt oder eliminiert sein.
Die öffentliche Podiumsdiskussion „Vernachlässigte Tropenkrankheiten und die G7-Gipfel“ im Vorfeld der Jahrestagung findet am Donnerstag, 6. Oktober, von 19 bis 20:45 Uhr im Universitätsclub Bonn, Konviktstr. 9, statt.
Am Samstag, 8. Oktober, findet die öffentliche Plenar-Sitzung „Jenseits der medizinischen Akutversorgung – ‚Gesundheit’ für Menschen auf der Flucht“ ab 13:55 Uhr im Hörsaal I im Hautgebäude der Universität Bonn, Regina-Pacis-Weg 3, statt.
Das vollständige Programm gibt es unter:https://ukbnewsroom.files.wordpress.com/2016/09/rz_dtg_2016_programm.pdf
Kontakt für die Medien:
Prof. Dr. Achim Hoerauf
Institut für Med. Mikrobiologie, Immunologie und Parasitologie
Universitätsklinikum Bonn
Telefon: 0228/287-15675
E-Mail: achim.hoerauf@ukb.uni-bonn.de
Dr. Beatrix Schumak
Institut für Medizinische Mikrobiologie, Immunologie und Parasitologie
Universitätsklinikum Bonn
Telefon: 0228/287-13211
E-Mail: bschumak@uni-bonn.de