„Die Bundesregierung sollte sich nicht länger auf den Erfolgen der Reformen früherer Regierungen ausruhen und stattdessen endlich dringend notwendige Reformen anpacken“, sagt die Wirtschaftsweise. In den kommenden Jahren solle sich die Wirtschaftspolitik stärker an der Wettbewerbs- und Zukunftsfähigkeit der deutschen Wirtschaft orientieren. Hierzu gehörten der Abbau der Schuldenquote, die Kopplung des gesetzlichen Renteneintrittsalters an die höhere Lebenserwartung sowie ein flexiblerer Arbeitsmarkt zur besseren Integration von Flüchtlingen und Geringqualifizierten.
Brexit: „Auswirkungen treffen Vereinigtes Königreich stärker als EU“
Der Sachverständigenrat geht davon aus, dass die kurzfristigen Effekte der Volksabstimmung zum Brexit moderat sind. „Ein scharfer Konjunktureinbruch ist unwahrscheinlich“, sagt Prof. Schnabel. Die langfristigen Auswirkungen hingen entscheidend davon ab, wie die zukünftigen wirtschaftlichen Beziehungen zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich ausgestaltet würden. „Mögliche negative Auswirkungen treffen das Vereinigte Königreich selbst dabei stärker als die EU“, so die Ökonomin. Ein Brexit würde zudem zu einer Verschiebung der Machtbalance in der EU führen, da eine wichtige marktorientierte Stimme fehlen würde. Am besten wäre es, den Austritt durch konstruktive Verhandlungen noch zu verhindern oder zumindest ein Nachfolgeabkommen zu finden, das den Schaden für beide Seiten minimiert. Man müsse dabei auf jeden Fall vermeiden, dass es für andere Staaten attraktiv werde, ebenfalls aus der EU auszutreten.
„Europäisches Bankensystem ist nach wie vor instabil“
Aus Sicht des Sachverständigenrates sind viele europäische Banken noch immer nicht angemessen kapitalisiert. „Daher ist das europäische Bankensystem nach wie vor instabil“, sagt Prof. Schnabel. Die regulatorische ungewichtete Eigenkapitalquote solle auf mindestens fünf Prozent erhöht werden. Für systemrelevante Banken seien höhere Quoten anzustreben.
Einschätzungen liefern Argumente für die politische Debatte
Der Sachverständigenrat spricht keine Empfehlungen aus, sondern bewertet verschiedene Handlungsalternativen. Der Bundesregierung ist es selbst überlassen, ob sie sich den Einschätzungen des Sachverständigenrates anschließt oder nicht. Das Jahresgutachten liefert aber Argumente, die in der politischen Debatte und in der Öffentlichkeit eine wichtige Rolle spielen.
Vortrag beim Dies academicus
Beim nächsten öffentlichen Dies academicus am Mittwoch, 7. Dezember, skizziert Prof. Schnabel ab 18 Uhr in Hörsaal 17 im Hauptgebäude der Universität die vom Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung vorgeschlagenen Reformen für Deutschland und Europa. Demnach sind die wachsende Skepsis gegenüber der Europäischen Union, die Flüchtlingsmigration und der demografische Wandel zentrale Herausforderungen für Deutschland und Europa. Im Euroraum gebe es nach wie vor erhebliche strukturelle Probleme. Der Reformeifer sei erlahmt, und einige Mitgliedstaaten ließen die notwendige Haushaltsdisziplin vermissen. In Deutschland habe die Bundesregierung die günstige wirtschaftliche Entwicklung nicht ausreichend für Reformen genutzt. Würden notwendige Reformen weiter verschleppt, drohten neben wirtschaftlichen Folgen Rückschläge für das europäische Projekt.
Das Jahresgutachten im Internet: http://www.sachverstaendigenrat-wirtschaft.de/jahresgutachten-2016-2017.html
Kontakt für die Medien:
Prof. Dr. Isabel Schnabel
Institut für Finanzmarktökonomie und Statistik
Universität Bonn
Tel. 0228-739228
E-Mail: isabel.schnabel@uni-bonn.de