Pflanzenfresser haben meist ein größeres Rumpfvolumen und sind rundlicher als gleich große fleischfressende Spezies, die häufig über deutlich schmalere Körper verfügen. Hintergrund ist, dass die „Veganer“ unter den Wirbeltieren mehr Platz für Verdauungsorgane brauchen, weil Pflanzenbestandteile sich viel schwerer aufschließen lassen als schneller zu verdauendes Fleisch. Dieses eingängige Konzept wurde allerdings bislang noch nicht genauer wissenschaftlich überprüft.
Ein internationales Team aus Forschern der Universität Zürich (Schweiz), der TU Berlin, der Charité Universitätsmedizin Berlin, des Senckenberg Naturmuseums Frankfurt, der Liverpool John Moores University (Großbritannien) und der Universität Bonn untersuchte nun anhand von Skeletten die Volumen der Körperrümpfe von insgesamt 126 landbewohnenden Vierfüßern – von Reptilien über Säugetiere und Vögel bis hin zu Dinosauriern. Mit Hilfe der Photogrammetrie und Computer-Bildgebung erstellten die Wissenschaftler dreidimensionale Modelle der Tiere, an denen sie die Körpervolumina der verschiedenen Spezies bestimmten.
Warum konnten Dinosaurier eine solch gigantische Größe erreichen?
„Diese Studie ist Teil unserer Forschung, die der Frage nachgeht, warum sauropode Dinosaurier eine solch gigantische Größe erreichen konnten“, sagt der Paläontologe Prof. Dr. Martin Sander vom Steinmann-Institut der Universität Bonn. „Die Pflanzenfresser unter den Dinosauriern verfügten über enorme Körperhöhlen, in denen die schwerverdaulichen Fasern aufgeschlossen wurden.“
Die Regel „je veganer, desto größer“ traf bei dieser Untersuchung überraschenderweise aber nur für die Säugetiere zu. Bei dieser Gruppe verfügen Pflanzenfresser im Schnitt über das doppelte Körpervolumen wie gleich große Raubtiere. Für alle anderen Wirbeltiere war nach den Erkenntnissen des Forscherteams kein Zusammenhang zwischen Ernährungstyp und Volumen nachzuweisen – auch nicht für Dinosaurier. Dieses Ergebnis legt nahe, dass es entweder sehr schwierig ist, die Größe der Körperhöhle von Dinosauriern anhand von Skeletten zuverlässig zu rekonstruieren, führt Prof. Sander aus. Oder der Bauplan von Säugetieren und anderen Wirbeltieren sei unterschiedlicher als bislang gedacht.
Irina Nurutdinova von der Technischen Universität Berlin verweist darauf, wie komplex die Schritte von der computerbasierten Rekonstruktion von Tierspezies bis zur Ableitung der Körpergröße sei. Die größte Herausforderung sei gewesen, den Stammbaum der untersuchten Arten zu rekonstruieren, führt Dr. Carlo Meloro von der Liverpool John Moores University aus. Die spezielle Anatomie der Dinosaurier führe Herausforderungen der Umwelt vor Augen, auf die die Wissenschaft ansonsten nicht aufmerksam geworden wäre, sagt Prof. Hanns-Christian Gunga von der Charité Universitätsmedizin Berlin. Die unterschiedliche Organisation der Leibeshöhle der verschiedenen Wirbeltierarten sei dafür nur ein weiteres Beispiel.
Neue Einblicke durch moderne Computeranwendungen
„Es ist faszinierend, wie moderne Computeranwendungen zu vollkommen neuen Einblicken in die Biologie heute lebender und längst ausgestorbener Tierarten führen“, sagt Prof. Dr. Olaf Hellwich von der TU Berlin. Dr. Bernd Herkner vom Senckenberg Naturmuseum Frankfurt unterstreicht die Bedeutung der montierten Skelette, die normalerweise in Museen vor allem Anschauungszwecken dienen, für die wissenschaftliche Forschung. Prof. Dr. Marcus Clauss von der Universität Zürich hofft nun, dass das Beispiel Schule macht: „Wenn noch mehr Forschergruppen dreidimensionale digitale Modelle von Skeletten anfertigen, kann der Zusammenhang zwischen Ernährung und Körpervolumen noch genauer untersucht werden.“
Publikation: Reconstruction of body cavity volume in terrestrial tetrapods, Journal of Anatomy, DOI: 10.1111/joa.12557
Kontakt für die Medien:
Prof. Dr. P. Martin Sander
Steinmann-Institut
Universität Bonn
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E-Mail: martin.sander@uni-bonn.de