„Die Evolution hat schon seltsame Tiere hervorgebracht, wie die Caseiden“, sagt Dr. Markus Lambertz, Zoologe an der Universität Bonn und am Museum Koenig. Dabei handelt es sich um „säugetierähnliche Reptilien“ , die vor rund 300 bis 250 Millionen Jahren lebten. Besonders ihr fassartiger Rumpf machte Dr. Lambertz neugierig. Wie haben diese Reptilien geatmet? Ungewöhnliche Gelenke schränkten die Beweglichkeit der Rippen ein, weshalb nur wenig Luft eingeatmet werden konnte. Berechnungen zeigten, dass der Ventilationsapparat nicht effektiv, aber für gemächliche Weidegänger ausreichend war. Alles schien zu stimmen, denn seit der Erstbeschreibung 1910 dachte man, dass die großen Pflanzenfresser so etwas wie „Kühe“ des Erdaltertums waren.
Schwammartige Knochen wie bei einer Osteoporose
Dr. Christen Shelton vom Steinmann-Institut für Geologie, Mineralogie und Paläontologie der Universität stieß aber auf eine weitere Besonderheit. „Der Knochenbau hat mich völlig überrascht. Sie waren schwammartig, wie die Knochen alter Menschen“, sagt der jetzt in Kapstadt tätige Wissenschaftler. Aber auch bei Jungtieren sah die Knochenstruktur so aus. Es war klar: Caseiden lebten im Wasser. Wale zeigen ähnliche scheinbar „osteoporotische“ Knochen. Dr. Lambertz ergänzt: „Plötzlich machte der fassartige Rumpf mit dem kurzen Hals Sinn. Die schaufelartigen Hände und Füße wurden zum Schwimmen benutzt.“ Es handelt sich also eher um „Seekühe“ des Erdaltertums.
Wer sich unter der Wasseroberfläche tummelt, um nach Nahrung zu tauchen oder Partner zu finden, muss zwischendurch auftauchen und tief Luft holen. „Tauchende Wirbeltiere sind Experten darin, ihre Lungen mit Frischluft zu füllen“, erklärt Prof. Dr. Steven Perry vom Institut für Zoologie der Universität Bonn. Menschen können etwa drei Viertel des Lungenvolumens auf einmal bewegen, Wale sogar annähernd ihr gesamtes. Caseiden schafften dagegen höchstens die Hälfte – zu wenig für eine realistische Anpassung an diesen Lebensraum.
„Hilfsmotor“ für die Atmung
Es muss zusätzlich zur Rippenbewegung eine Art „Hilfsmotor“ für die Atmung gegeben haben. Wirbeltiere weisen vielfältige solcher Mechanismen auf, aber die Forscher konnten alle bis auf das Zwerchfell ausschließen. Und die nächsten lebenden Verwandten der Caseiden sind tatsächlich die Säugetiere. Das lässt die Forscher vermuten, dass schon der letzte gemeinsame Vorfahr der Caseiden und der Säugetiere vor über 300 Millionen Jahren ein Zwerchfell besaß – das ist rund 50 Millionen Jahre früher als bislang angenommen. Ein effizientes Atmungssystem steht in engem Zusammenhang mit der Evolution der Warmblütigkeit, was wiederum unser gesamtes Verhalten prägte. Der früher angenommene Ursprung des Zwerchfells erfordert nun eine Neubewertung dieser Entwicklung.
Vermutlich wird nie ein fossiles Zwerchfell gefunden werden, weil es aller Wahrscheinlichkeit nach nicht erhalten werden kann. Nach Einschätzung von Prof. Perry sei daher die Wissenschaft auf funktionelle Annäherungen angewiesen, um nachzuvollziehen, wann diese wichtige evolutive Neuerung entstanden ist. Dr. Lambertz: „Wir wissen noch sehr wenig über diese Tiere. Es war ein langer Weg zu den Säugetieren - aber die Entstehung des Zwerchfells war ein Schlüsselereignis dahin.“
Publikation: Lambertz M, Shelton CD, Spindler F, Perry SF (2016) A caseian point for the evolution of a diaphragm homologue among the earliest synapsids. Annals of the New York Academy of Sciences doi:10.1111/nyas.13264
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Dr. Markus Lambertz
Institut für Zoologie
Universität Bonn
Zoologisches Forschungsmuseum Alexander Koenig
Sektion Herpetologie
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